Kritik und Ideen für leichtere Umsetzung
Die Wirtschaft will mit alternativen und ergänzenden Vorschlägen den Mehraufwand der weitreichenden Regelung eindämmen.
So sperrig die Bezeichnung ist, so kontroversiell verlaufen die Diskussionen. Die Rede ist von der Corporate Sustainability Due Diligence Directive, kurz CSDDD, besser bekannt als EULieferkettengesetz. Die Richtlinie regelt im Detail die Sorgfaltspflichten von Unternehmen bezüglich Menschenrechten und Umwelt. Konkret geht es vor allem um die Themen Arbeitsbedingungen, Schutz vor Kinderarbeit, Menschenrechtsverletzungen, Umweltverschmutzung und Verlust von Biodiversität. Betroffen sind explizit Großunternehmen und Konzerne, de facto aufgrund der Vernetzung der Wertschöpfungsketten, aber auch KMU. Der Status quo: Ende 2023 erzielten der Rat der EU und das EU-Parlament eine vorläufige politische Einigung. Mitte März 2024 wurde die Richtlinie vom Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments angenommen, für 24. April ist die Abstimmung im Plenum angesetzt.
Belastung für Unternehmen
Auf die betroffenen Betriebe kommt damit ein ganzer Maßnahmenkatalog zu. Um Auswirkungen wirtschaftlichen Handelns in Sachen Menschenrechte und Umweltschutz zu identifizieren, zu vermeiden oder abzumildern, müssen die Sorgfaltspflichten in die unternehmenseigenen Managementpraktiken integriert werden. Beschwerdeverfahren müssen eingerichtet werden, eine öffentliche Berichterstattung hat stattzufinden. Zudem muss die Geschäftsstrategie der Unternehmen im Einklang mit dem Ziel des Pariser Abkommens stehen, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Nachdem auch Tochtergesellschaften von der Richtlinie erfasst werden, heißt es, die gesamte Wertschöpfungskette mitzudenken. Bei Zuwiderhandeln drohen signifikante Sanktionen. Wirtschaftsorganisationen warnen vor Überforderung. „Gut gemeint, aber unzureichend durchdacht“, meint etwa WKÖ-Rechtsexpertin Rosemarie Schön. Die Durchset
zung von Umwelt-, sozialen Standards und Menschenrechten sei eine staatliche Aufgabe. Die Übertragung auf Unternehmen sei problematisch und widerspreche dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit. „Zudem soll das Pariser Klimaabkommen Unternehmen binden, obwohl Experten dessen
Ziele für praktisch nicht mehr erreichbar halten.“Ein Problem für den Wirtschaftsstandort Österreich ortet WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf: „Die Ziele der EU, eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und Bürokratieabbau, werden durch die Richtlinie meilenweit verfehlt. Was es jetzt unbedingt braucht, sind rasche und effektive staatliche Unterstützungsmaßnahmen, um die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts nicht weiter zu gefährden.“
Zentrale Lieferantenlisten
Heimische Logistikexperten bringen ergänzende oder alternative Vorschläge zu den aus ihrer Sicht unrealistischen Anforderungen der EU-Richtlinie ins Spiel. Um beim Lieferantencheck der Bürokratie entgegenzuwirken, wäre zum Beispiel eine zentrale EU-Agentur eine Option, die „schlechte“Lieferanten auf eine schwarze Liste setzt, beziehungsweise eine Liste, die „gute“Lieferanten freigibt. Das ließe sich auch national umsetzen. Für Letzteres tritt etwa Franz Staberhofer, Leiter des Logistikums an der FH OÖ, ein: „Das Vernünftigste wäre eine Listenregelung, also eine Liste mit gewissen Freigabekriterien, die in ihrer Gültigkeit auch rechtlich verbindlich sind.“
Auch im Supply Chain Intelligence Institute Austria (Ascii) fokussieren Änderungsvorschläge unter anderem auf die Einführung von Negativ- und Positivlisten, um Checkprozesse zu vereinfachen. „Wir empfehlen sowohl eine staatliche als auch eine private Beteiligung am Monitoring, um Gesetzesverstöße zu verhindern“, sagt AsciiDirektor Peter Klimek. Man solle sich anstatt auf bilaterale Beziehungen auf Nicht-EU-Zulieferer individuell konzentrieren und ein Zertifizierungssystem auf Länderoder Unternehmensebene einführen; dies gelinge mit Negativ- und Positivlisten, die von Behörden und privaten Unternehmen geführt werden. Laut Ascii würde so nicht nur die europäische Bemühung zur Sorgfaltspflicht unterstützt, sondern auch eine Zertifizierungsindustrie mit globaler Wirkung geschaffen.