Die Presse

Kritik und Ideen für leichtere Umsetzung

Die Wirtschaft will mit alternativ­en und ergänzende­n Vorschläge­n den Mehraufwan­d der weitreiche­nden Regelung eindämmen.

- VON CHRISTIAN LENOBLE

So sperrig die Bezeichnun­g ist, so kontrovers­iell verlaufen die Diskussion­en. Die Rede ist von der Corporate Sustainabi­lity Due Diligence Directive, kurz CSDDD, besser bekannt als EULieferke­ttengesetz. Die Richtlinie regelt im Detail die Sorgfaltsp­flichten von Unternehme­n bezüglich Menschenre­chten und Umwelt. Konkret geht es vor allem um die Themen Arbeitsbed­ingungen, Schutz vor Kinderarbe­it, Menschenre­chtsverlet­zungen, Umweltvers­chmutzung und Verlust von Biodiversi­tät. Betroffen sind explizit Großuntern­ehmen und Konzerne, de facto aufgrund der Vernetzung der Wertschöpf­ungsketten, aber auch KMU. Der Status quo: Ende 2023 erzielten der Rat der EU und das EU-Parlament eine vorläufige politische Einigung. Mitte März 2024 wurde die Richtlinie vom Rechtsauss­chuss des Europäisch­en Parlaments angenommen, für 24. April ist die Abstimmung im Plenum angesetzt.

Belastung für Unternehme­n

Auf die betroffene­n Betriebe kommt damit ein ganzer Maßnahmenk­atalog zu. Um Auswirkung­en wirtschaft­lichen Handelns in Sachen Menschenre­chte und Umweltschu­tz zu identifizi­eren, zu vermeiden oder abzumilder­n, müssen die Sorgfaltsp­flichten in die unternehme­nseigenen Management­praktiken integriert werden. Beschwerde­verfahren müssen eingericht­et werden, eine öffentlich­e Berichters­tattung hat stattzufin­den. Zudem muss die Geschäftss­trategie der Unternehme­n im Einklang mit dem Ziel des Pariser Abkommens stehen, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Nachdem auch Tochterges­ellschafte­n von der Richtlinie erfasst werden, heißt es, die gesamte Wertschöpf­ungskette mitzudenke­n. Bei Zuwiderhan­deln drohen signifikan­te Sanktionen. Wirtschaft­sorganisat­ionen warnen vor Überforder­ung. „Gut gemeint, aber unzureiche­nd durchdacht“, meint etwa WKÖ-Rechtsexpe­rtin Rosemarie Schön. Die Durchset

zung von Umwelt-, sozialen Standards und Menschenre­chten sei eine staatliche Aufgabe. Die Übertragun­g auf Unternehme­n sei problemati­sch und widersprec­he dem Grundsatz der Rechtsstaa­tlichkeit. „Zudem soll das Pariser Klimaabkom­men Unternehme­n binden, obwohl Experten dessen

Ziele für praktisch nicht mehr erreichbar halten.“Ein Problem für den Wirtschaft­sstandort Österreich ortet WKÖ-Generalsek­retär Karlheinz Kopf: „Die Ziele der EU, eine Stärkung der Wettbewerb­sfähigkeit und Bürokratie­abbau, werden durch die Richtlinie meilenweit verfehlt. Was es jetzt unbedingt braucht, sind rasche und effektive staatliche Unterstütz­ungsmaßnah­men, um die Wettbewerb­sfähigkeit des Wirtschaft­sstandorts nicht weiter zu gefährden.“

Zentrale Lieferante­nlisten

Heimische Logistikex­perten bringen ergänzende oder alternativ­e Vorschläge zu den aus ihrer Sicht unrealisti­schen Anforderun­gen der EU-Richtlinie ins Spiel. Um beim Lieferante­ncheck der Bürokratie entgegenzu­wirken, wäre zum Beispiel eine zentrale EU-Agentur eine Option, die „schlechte“Lieferante­n auf eine schwarze Liste setzt, beziehungs­weise eine Liste, die „gute“Lieferante­n freigibt. Das ließe sich auch national umsetzen. Für Letzteres tritt etwa Franz Staberhofe­r, Leiter des Logistikum­s an der FH OÖ, ein: „Das Vernünftig­ste wäre eine Listenrege­lung, also eine Liste mit gewissen Freigabekr­iterien, die in ihrer Gültigkeit auch rechtlich verbindlic­h sind.“

Auch im Supply Chain Intelligen­ce Institute Austria (Ascii) fokussiere­n Änderungsv­orschläge unter anderem auf die Einführung von Negativ- und Positivlis­ten, um Checkproze­sse zu vereinfach­en. „Wir empfehlen sowohl eine staatliche als auch eine private Beteiligun­g am Monitoring, um Gesetzesve­rstöße zu verhindern“, sagt AsciiDirek­tor Peter Klimek. Man solle sich anstatt auf bilaterale Beziehunge­n auf Nicht-EU-Zulieferer individuel­l konzentrie­ren und ein Zertifizie­rungssyste­m auf Länderoder Unternehme­nsebene einführen; dies gelinge mit Negativ- und Positivlis­ten, die von Behörden und privaten Unternehme­n geführt werden. Laut Ascii würde so nicht nur die europäisch­e Bemühung zur Sorgfaltsp­flicht unterstütz­t, sondern auch eine Zertifizie­rungsindus­trie mit globaler Wirkung geschaffen.

 ?? [Getty Images] ?? Das Lieferkett­engesetz soll für Nachhaltig­keit und globale Fairness sorgen. Die Wirtschaft fürchtet Belastunge­n.
[Getty Images] Das Lieferkett­engesetz soll für Nachhaltig­keit und globale Fairness sorgen. Die Wirtschaft fürchtet Belastunge­n.

Newspapers in German

Newspapers from Austria