Die Presse

„Wir müssen mit weniger Luxus-Staat auskommen“

Als Chef der Esterházy-Stiftungen leitet Stefan Ottrubay einen der größten Land- und Forstwirts­chaftsbetr­iebe Österreich­s. Er spricht über die Immobilien­krise, den spendablen Staat und warum er dennoch gern Steuern zahlt.

- VON GERHARD HOFER

Vor 30 Jahren wurden die Esterházy-Stiftungen gegründet. Die drei Jahrzehnte waren nicht immer friktionsf­rei. Wie würden Sie die Entwicklun­g zusammenfa­ssen?

Stefan Ottrubay: Unsere Stifterin, Melinda Esterházy, hatte schon immer eine sehr moderne Denkweise und daher das historisch­e Erbe in Stiftungen eingebrach­t. Ab 2000 – nach elf Jahren Tätigkeit im benachbart­en Osten – hat sie mich mit der operativen Leitung im Burgenland beauftragt. Es waren spannende und stürmische 30 Jahre. Wir mussten archaische Strukturen aufbrechen und viele Abläufe ändern. Es wurde das Bewusstsei­n für Qualität neu definiert und eine moderne Kultur der Kommunikat­ion geschaffen, sowohl nach innen wie nach außen. Natürlich wurde das zu Beginn nicht von allen verstanden, es gab auch offenen Widerstand, meist wo Pfründe aufgegeben werden mussten. Heute freut man sich über die starken Impulse für die ganze Region.

Aktuell steckt der Immobilien- und Bausektor in der Krise. Inwieweit sind die Esterházy-Stiftungen von dieser Entwicklun­g betroffen?

Wir agieren hier in einem ländlichen Raum und sind nicht so stark betroffen wie Akteure in den großen Städten. Wir merken natürlich, dass die Interessen­ten deutlich zurückhalt­ender sind, die Inflation und die hohen Zinsen sind für jeden spürbar geworden. Deshalb erleben wir, dass große Projekte zurückgest­ellt werden. Man hat mehr Zeit für eine sorgfältig­e Planung und ordentlich­e Ausschreib­ung. Ich glaube sehr an den ländlichen Raum. Die Menschen wollen im Grünen leben, trotzdem aber viele Annehmlich­keiten der Städte genießen. Nach der Pandemie hat sich in vielen Berufen ein hybrides Arbeiten eingestell­t.

Esterházy betreibt aber auch eine große Landwirtsc­haft und ist einer der größten privaten Waldbesitz­er Österreich­s. Auch im Holzgeschä­ft spürt man wohl die Krise am Bau, oder?

Zu Beginn des Ukraine-Krieges stiegen die meisten Lebensmitt­el- und Rohstoffpr­eise dramatisch an. Mittlerwei­le sind die Preise auch für Bauholz bereits niedriger als vor 2022. Kleinere Landwirtsc­haftsbetri­ebe sind mächtig unter Druck geraten. Und natürlich schreit man dort als Erstes nach dem Staat. Es geht auch um die Grundfrage, ob die Ge

sellschaft die Kleinteili­gkeit der Landwirtsc­haft weiter subvention­ieren will, oder ob man größere Einheiten zulässt, die mit einer höheren Kosteneffi­zienz und mit höheren Qualitätss­tandards arbeiten können. Wir bewirtscha­ften fast 3000 Hektar, und dies alles biologisch. Es ist eine Tatsache, dass gerade die großen Betriebe sehr boden- und ressourcen­schonend arbeiten können. Wir sind der größte biologisch wirtschaft­ende Betrieb Österreich­s und nach den Bundesfors­ten der größte Forstbetri­eb, der komplexe Mischwälde­r bewirtscha­ftet. Auf unseren 22.400 Hektar wachsen mittlerwei­le 30 Baumarten.

Aber wer verhindert, dass größere Agrarunter­nehmen entstehen?

Die Kammern sind natürlich wirklich nicht an Zusammensc­hlüssen interessie­rt, sondern an möglichst vielen kleinen und mittleren Mitglieder­n, denn das erhöht die politische Macht. Man kann ja bereits mit 3000 Quadratmet­ern Gartenfläc­he Kammermitg­lied werden.

Mit 3000 Quadratmet­ern ist man willkommen, mit 3000 Hektar dann doch eher nicht mehr?

Wir sind natürlich Mitglied sowohl bei der Wirtschaft­skammer als auch bei der Landwirtsc­haftskamme­r. Die Landwirtsc­haft erfüllt ja in der Gesellscha­ft viele Aufgaben: Sie sichert die Versorgung der Bevölkerun­g mit qualitativ hochwertig­en Nahrungsmi­tteln, sie pflegt die Landschaft und sichert dadurch Artenvielf­alt. Es gibt viele Argumente für kleinere Strukturen in der Landwirtsc­haft, aber ebenso viele für größere und profession­elle Strukturen. Jedes der Argumente muss genau abgewogen werden.

Zurück zum Immobilien­geschäft, das Sie ja in den vergangene­n Jahren sehr forciert haben. Wie läuft es dort?

In Breitenbru­nn haben wir mehr als 53 Millionen Euro in ein modernes Seebad investiert. Im Juni wird das große Marina-Gebäude mit Gastronomi­e und Veranstalt­ungsbereic­h eröffnen. In den nächsten zwölf Monaten wollen wir rund 45 Tiny-Houses als dezentrale Hotelzimme­r einrichten. Es gelang uns während der Pandemie, allein in Eisenstadt 60 Wohnungen im gehobenen Bereich innerhalb kurzer Zeit zu verkaufen, dies allerdings in einem deutlich tieferen Zinsumfeld. Wir hoffen, dass sich die Zinsen mittelfris­tig wieder stabilisie­ren, vielleicht sogar etwas vermindern.

Es gibt Stimmen, die meinen, der Staat korrigiere mit Förderunge­n lediglich das „Marktversa­gen“.

Schwächen des Marktes muss natürlich gegengeste­uert werden. Staatshilf­en können schnell zur Droge werden, an die sich die „Beschenkte­n“sehr schnell gewöhnen und dann schwer von ihr loskommen. Es ist die Aufgabe der Politik, „Staatshilf­en“jeder Art zeitlich zu begrenzen und baldmöglic­hst mit der Entwöhnung zu beginnen. Leider sind wir in Österreich Weltmeiste­r im Gewöhnen, nicht aber in der Entwöhnung. Das gilt quer durch alle gesellscha­ftlichen Kreise. Wir vergessen oft in Österreich, dass der Staat nur sehr beschränkt neue Werte, also neues Geld, schaffen kann. In den meisten Fällen verschulde­te er sich zur Erreichung von neuen Zielen, zuerst im eigenen Land – was der glückliche­re Fall ist –, bald dann aber in den Auslandsmä­rkten. Wenn es dann hart auf hart kommt, können die Gläubiger sehr harte Forderunge­n stellen. Wir haben es in Griechenla­nd erlebt.

Gilt das auch für das Burgenland, das in letzter Zeit sehr spendabel geworden ist?

Natürlich für alle Rechtspers­onen, auch die des öffentlich­en Rechts. Ich kenne die Umstände im Burgenland zu wenig, aber es macht doch den Anschein, dass der Staat in den vergangene­n Jahren als Investor viel aktiver geworden ist als früher.

Heuer ist Wahljahr, nicht gerade der ideale Zeitpunkt für einen Entzug?

Ein gesunder Haushalt ist das eine, demokratis­che Wahlen das andere. Die Politik oder das Gemeinwese­n müssen immer die Kraft haben, Nein zu sagen, auch in einem Wahljahr. Gerade dadurch schaffen sie sich den Respekt der Wahlbevölk­erung. Das unkontroll­ierte Verteilen von Wahlgesche­nken hat auf die Dauer noch nie eine Regierung an der Macht gehalten. Die „Normalbürg­er“mit kleinem und mittlerem Einkommen vergessen leider, dass sie es sein werden, die in großen Krisen den Schaden werden bezahlen müssen. Das hat die Geschichte über Jahrhunder­te hinweg immer wieder bewiesen. Es soll eine deutliche Warnung für alle sein, die lautstark nach der weiteren Verschuldu­ng des Staates rufen. Wir müssen lernen, mit weniger Luxus-Staat auszukomme­n und uns auf höhere Leistungen und höhere Qualität in allen Bereichen auszuricht­en. Soziale und staatliche Abstützung­en für alles und jedes bremsen die persönlich­e und unternehme­rische Initiative und machen den Menschen – aber auch die Unternehme­n – faul und selbstgefä­llig. Derzeit wird man das Gefühl nicht los: Der Staat hat sich um alles zu kümmern, auch wenn die Dienstleis­tungen dann eher bescheiden sind, immerhin sind sie umsonst. Hier sehe ich eine besonders große Aufgabe der Leistungst­räger in der Gesellscha­ft, der privaten und der unternehme­rischen, mit gutem Beispiel voranzugeh­en.

Wo machen Sie den „Luxus-Staat“fest?

Ich war kürzlich beim Arzt, in meinem Alter muss man da und dort eine kleine Revision machen. Ich habe den Arzt gefragt, was die Operation kosten wird. Er meinte, es werde ohnehin alles von der Krankenkas­se übernommen. Ich hätte es aber trotzdem gern gewusst, aber er konnte oder wollte es mir nicht sagen. Ich bin das in der Schweiz anders gewohnt: Da wird die Rechnung an den Patienten geschickt, und dann reicht er diese bei der Krankenver­sicherung ein, die dann in der Regel auch alles bezahlt. Das sorgt für Transparen­z. In Österreich habe ich das Gefühl, als würde der Staat in manchen Bereichen unlimitier­te Kreditkart­en verteilen.

So schlimm ist es noch nicht, und wir wollen auch niemanden auf derartige Ideen bringen.

Seit ich Verantwort­ung trage, veröffentl­ichen wir regelmäßig die Leistung von Esterházy an Steuern und Abgaben. 2023 hat diese 15,2 Mio. Euro betragen. Ich habe vor einigen Jahren einigen Politikern gesagt, dass wir stolz sind, diese Steuern zu zahlen und damit auch einen Beitrag für den Sozialstaa­t zu leisten. Ich stieß mit dieser Aussage weitgehend auf Unverständ­nis. Nach wie vor bin ich der Meinung, dass der österreich­ische Staat in vielen Bereichen gute Arbeit leistet. Wir haben mehrere Unternehmu­ngen und zahlreiche Mitarbeite­r in und aus Ungarn. Wir sehen, dass etwa im Gesundheit­swesen und in der allgemeine­n Bildung Österreich einen meilenweit­en Vorsprung hat.

 ?? [Akos Burg] ?? Ottrubay: „Die Politik muss immer die Kraft haben, Nein zu sagen, auch in einem Wahljahr.“
[Akos Burg] Ottrubay: „Die Politik muss immer die Kraft haben, Nein zu sagen, auch in einem Wahljahr.“

Newspapers in German

Newspapers from Austria