Mehr Lehrstellen als Suchende
Arbeitsmarkt. 2021 gab es in Österreich erstmals mehr offene Lehrstellen als Jugendliche, die eine Lehrstelle suchten. Ein Grund war Corona. Der Überhang hält an, wird aber kleiner.
Rund 40 Prozent der Jugendlichen eines Jahrgangs gehen in die Lehre. Die Zahl ist über die Jahrzehnte etwas zurückgegangen, wenn auch nicht stark: Ein Höchstwert an Lehranfängern wurde in Österreich 1980 und 1990 verzeichnet, mit je gut 47 Prozent.
Die Coronakrise brachte auf dem Lehrstellenmarkt einiges durcheinander. Im Jahr 2020 führten die wirtschaftlichen Auswirkungen – Schließungen, wirtschaftliche Einbußen – zu einem deutlichen Überhang an Jugendlichen, die eine Lehrstelle suchten.
Dann drehte der „Markt“: Die österreichische Wirtschaft erholte sich überraschend schnell von den Folgen der Pandemie. Damit einher ging ein rascher Anstieg der Nachfrage nach Lehrlingen. Gleichzeitig blieben viele Jugendliche, die unter anderen Umständen womöglich eine Lehre begonnen hätten, in den Schulen. Möglich machten das in der Pandemie beschlossene „Aufstiegsklauseln“, die es erlaubten, auch mit einem Nicht genügend in die nächste Schulstufe zu wechseln.
Im Jahr 2021 kam es daher zu einer Umkehr des Lehrstellenmarktes: Es gab zum ersten Mal einen Überhang an sofort verfügbaren Lehrstellen im Vergleich zu Lehrstellensuchenden. 2022 stieg dieser Überhang noch einmal „sprunghaft“auf rund 3400 überhängende Lehrplätze an, heißt es in einer aktuellen Analyse des Instituts Synthesis für das Arbeitsmarktservice (AMS). Auch im Jahr 2023 gab es noch um 2400 mehr sofort verfügbare Lehrstellen als Suchende.
Die Analyse beschäftigt sich mit Angebot und Nachfrage auf dem Lehrstellenmarkt. Die Prognose: Auch im Jahr 2024 werde ein deutlicher Lehrstellenüberhang bestehen, „mit rund 1100 überhängenden Stellen fällt er jedoch nur mehr halb so hoch aus wie im Jahr zuvor“.
Junge spüren die Krise
Der Arbeitsmarkt reagiert zeitverzögert auf die wirtschaftliche Entwicklung. Im März stieg die Arbeitslosenquote in Österreich um 0,7 Prozentpunkte auf 6,9 Prozent. Ende März waren 369.640 Menschen beim Arbeitsmarktservice (AMS) vorgemerkt, 78.172 davon waren in Schulung. Am stärksten stieg die Arbeitslosigkeit zuletzt auf dem Bau und in der Industrie. Aber
Betriebe versuchen nach wie vor, Mitarbeiter zu halten, auch wenn sie sie eigentlich gar nicht brauchen. Sonst wäre die Arbeitslosigkeit noch viel stärker gestiegen.
Allerdings sehen Unternehmen in der Krise eher davon ab, neue Mitarbeiter einzustellen. Das erklärt, warum die Arbeitslosigkeit in der Gruppe der unter 25-Jährigen zuletzt mit knapp 18 Prozent besonders stark gestiegen ist. Und es erklärt auch, warum im Jahr 2023 deutlich weniger Junge eine Lehre begonnen haben, als vorhergesagt worden war.
Das AMS stellt Lehrplätze im Rahmen der „überbetrieblichen Lehrausbildung“zur Verfügung – für Jugendliche, die keinen Ausbildungsplatz in einem Unternehmen finden. Die Synthesis-Erhebung prognostiziert, dass heuer im Jahresdurchschnitt
105.110 Menschen in Österreich eine Lehrausbildung durchlaufen werden. Davon werden 95 Prozent regulär in einem Unternehmen ausgebildet werden und fünf Prozent in einer überbetrieblichen Ausbildung. Die Studie erwartet weiters, dass von den betrieblichen Lehrstellen rund 99.800 besetzt sein und rund 8440 dem AMS als (vorerst noch) offen gemeldet sein werden.
Weniger offene Stellen
Im März waren beim AMS 8328 sofort verfügbare offene Lehrstellen gemeldet, um zehn Prozent weniger als ein Jahr davor. Stark angestiegen ist hingegen die Zahl der (sofort verfügbaren) Lehrstellensuchenden: um 29 Prozent auf 6774. Gut möglich also, dass sich der neue Trend bald wieder umdreht.