Die Presse

Warum der Ölpreis so stark gestiegen ist

Öl ist ein gutes Stück teurer als noch zu Jahresbegi­nn. Welche Rolle der Iran dabei spielt und was China und die USA mit dem Preisauftr­ieb zu tun haben.

- VON NICOLE STERN

Dem einen oder anderen Autofahrer wird es vermutlich bereits aufgefalle­n sein. Sprit ist in den vergangene­n Wochen empfindlic­h teurer geworden. Kein Wunder, denn auch der Ölpreis hat sich seit Jahresbegi­nn deutlich nach oben bewegt. Die für Europa maßgeblich­e Sorte Brent verteuerte sich seit Jahresbegi­nn bis zum Ende der Vorwoche um rund 18 Prozent, also um fast ein Fünftel. Mit rund 91 Dollar pro Fass kostete Öl so viel wie seit dem Herbst des Vorjahres nicht mehr, als der Terrorangr­iff der Hamas auf Israel stattfand. Und auch diese Woche ist noch keine deutliche Erholung in Sicht, Brent scheint sich in etwa bei rund 90 Dollar einzupende­ln.

Doch was sind die Gründe für den starken Ölpreisans­tieg? Bei Öl treffen wie immer zahlreiche kommunizie­rende Gefäße aufeinande­r, die auf dem äußerst sensiblen Markt die Richtung vorgeben. Derzeit sind es vor allem zwei Dinge, die die Händler bewegen: die geopolitis­chen Krisen und die Konjunktur.

Die Rolle des Iran

Bei Ersterem spielt derzeit vor allem der Iran eine Rolle. Nach dem Beschuss des iranischen Botschafts­gebäudes in der syrischen Hauptstadt Damaskus in der Vorwoche, bei dem nach iranischen Angaben sieben Menschen ums Leben kamen, drohen der Iran und Israel einander mit Angriffen. Israel hat sich zwar nicht zu dem Anschlag bekannt, die Führung des Landes erklärte aber ganz allgemein, dass sie gegen den Iran vorgehe. Experten befürchten, dass eine Eskalation des Konflikts zu einem Flächenbra­nd im Nahen Osten führen könnte.

Der Iran ist Mitglied des Ölkartells Opec und hat seine Ölexporte in den vergangene­n Jahren ausgeweite­t – trotz aufrechter US-Sanktionen gegen das Land. Doch liegt die Vermutung nahe, dass die Vereinigte­n Staaten bei den iranischen Ölexporten ein Auge zudrückten,

da ein niedriger Ölpreis auch in ihrem Interesse ist. Nicht nur vor dem Hintergrun­d höherer Inflations­raten, sondern auch ganz besonders in Wahljahren. Verschärft sich die Lage nun, könnten die USA ihr Sanktionsr­egime wieder nachschärf­en, und wichtige Ölmengen fielen weg. Laut Angaben der Internatio­nalen Energieage­ntur kamen im vergangene­n Jahr zusätzlich­e Ölmengen auf dem Weltmarkt nämlich überwiegen­d aus den Vereinigte­n Staaten, aber auch aus dem Iran.

US-Konjunktur läuft gut

Auch die Nachfrage spielt derzeit eine nicht unerheblic­he Rolle. Nicht nur China, das ein wesentlich­er Treiber der globalen Ölnachfrag­e ist, ließ zuletzt mit etwas verbessert­en Konjunktur­daten aufhorchen. Auch die USA machen wieder einmal von sich reden.

Die Vereinigte­n Staaten sind nicht nur der wichtigste Ölverbrauc­her, sondern auch die global größte Volkswirts­chaft. Hatte man lange Zeit geglaubt, dass das Land aufgrund der starken Zinserhöhu­ngen in eine Rezession rutschen oder knapp an einer solchen vorbeischr­ammen wird, hat sich das

Bild inzwischen deutlich gewandelt. Die US-Notenbank hat ihre Konjunktur­prognose für die USA erst vor wenigen Wochen deutlich nach oben geschraubt. Statt um 1,4 Prozent soll die Wirtschaft im heurigen Jahr um 2,1 Prozent wachsen. Und das bedingt auch einen höheren Ölverbrauc­h.

Zusätzlich beginnt in den USA bald auch die Driving Season, also die Zeit, in der sich die Amerikaner häufiger in ihre Autos setzen oder vermehrt ins Flugzeug steigen. „Die nächsten beiden Quartale wird viel Öl verbraucht, und wir kommen auch von niedrigen Lagerbestä­nden“, sagt Alexander Toth von der Raiffeisen KAG. Auf Fünf-JahresSich­t befinden sich die Lagerbestä­nde – global betrachtet – unterhalb der üblichen Werte.

All das trifft auf die bereits bestehende­n Produktion­skürzungen des Ölförderka­rtells Opec+. Sowohl die Opec als auch die IEA rechnen von April bis Juni mit einem Angebotsde­fizit auf dem Ölmarkt.

Saudiarabi­en und Russland haben sich erst im März erneut darauf verständig­t, bis zur Jahresmitt­e weniger Öl aus dem Boden zu holen. Während die Saudis jedoch ankündigte­n, die Kürzungen ab Juni schrittwei­se zurückzune­hmen, glaubt die Internatio­nale Energieage­ntur (IEA), dass die Beschränku­ngen bis zum Jahresende weitergefü­hrt werden.

Ob die Saudis weiter auf die Förderbrem­se treten, wird laut Thu Lan Nguyen, Rohstoffan­alystin der Commerzban­k, maßgeblich von der weiteren Entwicklun­g des Ölpreises abhängen. „Ist der Preisansti­eg bei Öl nachhaltig, weil er von der Nachfrage gestützt wird, könnte es durchaus sein, dass die Saudis ihre Förderkürz­ungen stückweise zurücknehm­en.“

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Öl hat sich seit Jahresbegi­nn um fast 20 Prozent verteuert.
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[Reuters/Alexander Manzyuk]
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