Elvis-Imitatoren brillieren mit Meidlinger L
Was hilft der Zunge bei der Bildung des berühmten Konsonanten? Gemächlichkeit jedenfalls.
Seit die Sprachwissenschaftlerin Eva Reinisch frühmorgens auf Ö1 ihre Forschung über das Meidlinger L vorgestellt hat, darf man mit noch mehr Recht sagen: Der legendäre Konsonant ist in aller Munde. In manchen Mündern, weil sie ihn aussprechen, in anderen, weil sie darüber reden, wie man ihn ausspricht.
Und wo. Die These, dass der Laut aus soziolinguistischen Gründen nicht Döblinger L heißt, stimmt ja nur teilweise. Der Autor kann bezeugen: Im Döblinger Bezirksteil Krim konnte man noch in den Achtzigerjahren oft ein vorbildliches Meidlinger L hören, manchmal sogar am Rande des Cottageviertels.
Der Grund ist eher: Der bilabiale Plosiv B im Wort Döbling erschwert ein nachfolgendes Meidlinger L, während ein vorangehendes D wie im Bezirksnamen Meidling seine Bildung erleichtert, geradezu nahelegt: Die Zunge kann von der Innenseite der Schneidezähne lässig seitwärts wandern. Und zwar gemächlich: Das Meidlinger L hat etwas Verzögertes, Verschlepptes an sich, es folgt auf das D nicht – wie etwa im Reindl oder im Namen Meindl – übergangslos, sondern nach einem eingeschobenen, angedeuteten bis zelebrierten Vokal, den Linguisten wohl als mittleren Zentralvokal (Schwa) identifizieren. Im ähnlichen Ortsnamen Mödling fällt dessen Bildung offenbar – wohl durch die Nachwirkung des lippengespitzten Ö – schwerer: Es ist gar nicht so leicht, Mödling mit Meidlinger L auszusprechen. Madeleine geht besser.
Interessanterweise tut sich mit dem Meidlinger L leichter, wer sich auch als Elvis-Imitator versucht, und umgekehrt. Denn die schwere Zunge des Rock-’n’-Roll-Königs klang zwar nicht genau gleich, aber ähnlich träge. Vor allem nach echtem oder gespieltem Alkoholkonsum, etwa in der berühmten Liveversion von „Are You Lonesome Tonight“.
Dass der südwestliche Wiener Bezirk Meidling akustisch gut zu den USSüdstaaten passt, hat bereits 1979 der Wiener Rockmusiker Peter Schleicher vorgeführt. Auf seinem Rolling-Stones-Coveralbum „Hart auf hart“übersetzte er die Anfangszeile von „Honky Tonk Woman“, „I met a gin-soaked barroom queen in Memphis“, mit „I triff a oide Beislhur in Meidling“. Wobei er löblicherweise nicht versuchte, das Wort Beisl mit Meidlinger L zu singen. Das klingt nämlich nicht leiwand. Eva Reinisch und ihr Team können uns gewiss bald erklären, wieso nicht.