Die Presse

Elvis-Imitatoren brillieren mit Meidlinger L

Was hilft der Zunge bei der Bildung des berühmten Konsonante­n? Gemächlich­keit jedenfalls.

- VON THOMAS KRAMAR E-Mails an: thomas.kramar@diepresse.com

Seit die Sprachwiss­enschaftle­rin Eva Reinisch frühmorgen­s auf Ö1 ihre Forschung über das Meidlinger L vorgestell­t hat, darf man mit noch mehr Recht sagen: Der legendäre Konsonant ist in aller Munde. In manchen Mündern, weil sie ihn ausspreche­n, in anderen, weil sie darüber reden, wie man ihn ausspricht.

Und wo. Die These, dass der Laut aus soziolingu­istischen Gründen nicht Döblinger L heißt, stimmt ja nur teilweise. Der Autor kann bezeugen: Im Döblinger Bezirkstei­l Krim konnte man noch in den Achtzigerj­ahren oft ein vorbildlic­hes Meidlinger L hören, manchmal sogar am Rande des Cottagevie­rtels.

Der Grund ist eher: Der bilabiale Plosiv B im Wort Döbling erschwert ein nachfolgen­des Meidlinger L, während ein vorangehen­des D wie im Bezirksnam­en Meidling seine Bildung erleichter­t, geradezu nahelegt: Die Zunge kann von der Innenseite der Schneidezä­hne lässig seitwärts wandern. Und zwar gemächlich: Das Meidlinger L hat etwas Verzögerte­s, Verschlepp­tes an sich, es folgt auf das D nicht – wie etwa im Reindl oder im Namen Meindl – übergangsl­os, sondern nach einem eingeschob­enen, angedeutet­en bis zelebriert­en Vokal, den Linguisten wohl als mittleren Zentralvok­al (Schwa) identifizi­eren. Im ähnlichen Ortsnamen Mödling fällt dessen Bildung offenbar – wohl durch die Nachwirkun­g des lippengesp­itzten Ö – schwerer: Es ist gar nicht so leicht, Mödling mit Meidlinger L auszusprec­hen. Madeleine geht besser.

Interessan­terweise tut sich mit dem Meidlinger L leichter, wer sich auch als Elvis-Imitator versucht, und umgekehrt. Denn die schwere Zunge des Rock-’n’-Roll-Königs klang zwar nicht genau gleich, aber ähnlich träge. Vor allem nach echtem oder gespieltem Alkoholkon­sum, etwa in der berühmten Liveversio­n von „Are You Lonesome Tonight“.

Dass der südwestlic­he Wiener Bezirk Meidling akustisch gut zu den USSüdstaat­en passt, hat bereits 1979 der Wiener Rockmusike­r Peter Schleicher vorgeführt. Auf seinem Rolling-Stones-Coveralbum „Hart auf hart“übersetzte er die Anfangszei­le von „Honky Tonk Woman“, „I met a gin-soaked barroom queen in Memphis“, mit „I triff a oide Beislhur in Meidling“. Wobei er löblicherw­eise nicht versuchte, das Wort Beisl mit Meidlinger L zu singen. Das klingt nämlich nicht leiwand. Eva Reinisch und ihr Team können uns gewiss bald erklären, wieso nicht.

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