Schlägt der Iran zurück? USA geben Israel Rückendeckung
Premier Benjamin Netanjahu droht dem Regime in Teheran: „Wer uns angreift, den greifen wir an.“
Istanbul/Jerusalem. Angesichts der Kriegsgefahr zwischen Israel und dem Iran greift Nervosität um sich. Die Lufthansa hat zumindest bis Samstag den Flugverkehr nach Teheran eingestellt, vorerst aber nicht die AUA. Sie verweist auf eine kürzere Flugzeit und auf einen umgehenden Rückflug. Das russische Außenministerium warnte indessen seine Bürger vor Reisen nach Israel und in den Libanon.
Am Donnerstag gab sich Benjamin Netanjahu bei einer Stippvisite eines israelischen Luftwaffenstützpunkts martialisch. Israel sei auf jedes Szenario vorbereitet, offensiv wie defensiv. Vor Kampfpiloten sprach der Premier von „herausfordernden Zeiten“und drohte dem Regime in Teheran: „Wer uns angreift, den greifen wir an.“Es war ein demonstrativer Auftritt des Kriegspremiers. Nach dem Angriff auf das iranische Konsulat in Damaskus vorige Woche hatte bereits Verteidigungsminister Joav Gallant die Armee in Alarmbereitschaft versetzt und eine Urlaubssperre verhängt.
Für Spekulationen sorgte auch der Besuch des US-Generals Michael Erik Kurilla in Israel. Der Centcom-Chef, im US-Militär zuständig für den Nahen Osten, sucht die Kooperation mit der israelischen Armeeführung für den Bau eines provisorischen Piers an der Küste des Gazastreifens, das die Hilfslieferungen für die Zivilbevölkerung erleichtern soll. Doch die Gespräche des hochrangigen US-Militärs fügen sich ein in eine Reihe von Konsultationen und Treueschwüren.
„Eiserne“Unterstützung
US-Präsident Joe Biden hat Israel die „eiserne“Unterstützung gegen den Iran und die pro-iranischen Milizen zugesichert. „Wir werden alles tun, was wir können, um die Sicherheit Israels zu schützen“, bekräftigte er nach den wochenlangen Irritationen zwischen Washington und Jerusalem um die Militärstrategie im Gazastreifen. Außenminister Antony Blinken bestärkte dies noch in einem Anruf bei Gallant. Schließlich forderte Sonderbotschafter Brett McGurk Saudiarabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Katar und den Irak zu einem mäßigenden Einfluss auf den Iran auf.
Ayatollah Ali Khamenei, der oberste Führer des Mullah-Regimes, hatte zum Ende des Ramadan seine Drohungen gegen Israel erneuert. Die Bombardierung des iranischen Konsulats sei wie ein Angriff auf iranischen Boden. Zum al-Quds-Tag am vorigen Freitag hatten mehr als zwei Dutzend israelische Botschaften aus Sicherheitsgründen geschlossen.
Israels Angriff auf die Söhne des Ismael Hanijeh, des Exil-Führers der Hamas, erhöht die Spannungen. Die Terrororganisation wirft Israel vor, drei Söhne und vier Enkel Hanijehs getötet zu haben, um die Verhandlungen über eine Feuerpause zu sabotieren. Sie werde die Verhandlungen aber nicht abbrechen, erklärte die Hamas.
Der Hanijeh-Clan
Israels Armee hatte am Mittwoch mit einer Drohne im Gazastreifen das Auto der Hanijeh-Söhne Amir, Hazem und Mohammad beschossen; sie wurden nach israelischen Angaben angegriffen, weil sie Kämpfer der Hamas waren. Hanijeh sagte dem Sender Al Jazeera, seine Söhne seien zu einer Familienfeier zum Ende des islamischen Fastenmonats unterwegs gewesen. Laut Al Jazeera kamen dabei auch vier Enkelkinder des 62Jährigen ums Leben. Innerhalb der Hamas stärkt das die Position des Exil-Führers, der in Katar lebt.
Als Reaktion auf den Tod von Hanijehs Familienmitgliedern warf der Iran der israelischen Regierung vor, sich an „keine menschlichen oder moralischen Prinzipien“zu halten. Laut israelischen Medien waren weder Netanjahu noch Gallant von dem Angriff informiert. Der Angriff auf Hanijehs Söhne sei möglicherweise ein Versuch Israels, die Hamas zu Zugeständnissen in den Verhandlungen über eine Feuerpause in Gaza zu bewegen, sagt Pinar Akpinar, Expertin für die Golf-Region an der Universität von Katar. Der jüdische Staat habe demonstriert, dass er in der Lage sei, Anführer der Hamas ins Visier zu nehmen, sagte Akpinar der „Presse“.
Hanijeh ist als Chef des Politbüros neben dem Hamas-Anführer in Gaza, Yahya Sinwar, der wichtigste Entscheidungsträger der Terrorgruppe in den Verhandlungen über eine Waffenruhe. In den Gesprächen, bei denen Katar, Ägypten und die USA zwischen der Hamas und Israel vermitteln, hatte es in den vergangenen Tagen Fortschritte gegeben. Derzeit warten die Vermittler auf eine Antwort der Hamas auf Vorschläge der USA für eine 40-tägige Kampfpause, eine Freilassung von israelischen Geiseln der Hamas und eine Entlassung palästinensischer Häftlinge in Israel.
Israel hat bestätigt, dass von den 129 Geiseln 34 nicht mehr am Leben seien. Gegenüber dem „Wall Street Journal“gaben US-Beamte an, dass noch viel mehr Geiseln tot sein könnten. Das könnte die Schwierigkeiten der Hamas erklären, 40 Geiseln für einen Austausch bereitzustellen.