Die Presse

In Westafrika vermittelt neue Generation Aufbruchss­timmung

Interview mit Opposition­sführer Baciro Djá über die Krise im Land und die Hoffnung, die der Machtwechs­el in Senegal signalisie­rt.

- VON THOMAS VIEREGGE

Ende November weilte Präsident Umaro Sissoco Embaló bei der Klimakonfe­renz in Dubai, als in Guinea-Bissau Putschalar­m herrschte. Sicherheit­skräfte nahmen den Finanzmini­ster und seinen Stellvertr­eter in einer Polizeista­tion in der Hauptstadt Bissau fest. Doch der Staatsstre­ich richtete sich ausnahmswe­ise nicht gegen den Staatschef, sondern gegen die Regierung, in der die Opposition seit dem Wahlsieg bei den Parlaments­wahlen wenige Monate zuvor das Sagen hatte.

Embaló eilte vom Persischen Golf in die westafrika­nische Heimat zurück und löste das Parlament auf. Er verstieß somit gegen die Verfassung, die das Parlament zumindest für ein Jahr unter Schutz stellt. Der Präsident tauschte den

Premier aus, beließ die Minister indes großteils im Amt.

Präsidialr­epublik nach französisc­hem Vorbild oder das portugiesi­sche Modell mit einer starken Regierung: Baciro Djá sieht in dem Konflikt ein grundsätzl­iches Problem, wie er im „Presse“-Gespräch feststellt. Der 51-jährige Opposition­sführer, Ex-Verteidigu­ngsministe­r und für zehn Monate auch Premier, befindet sich gerade auf Promotions­tour durch Europa: In Wien, Lissabon, wo eine große Diaspora lebt, und Brüssel präsentier­t er sich als Galionsfig­ur einer neuen Generation – wie jene, die gerade im Nachbarlan­d Senegal die Macht übernommen hat.

Sieg der Demokratie in Senegal

Inmitten politische­r Turbulenze­n waren Bassirou Diomaye Faye (44) und Ousmane Sonko (49) erst zehn Tage vor der Wahl am 24. März aus dem Gefängnis entlassen worden. Im Tandem zogen sie in den Wahlkampf und erzielten schon in der ersten Runde einen fulminante­n Wahlsieg, der auch einen Sieg der Demokratie markiert.

Faye als Präsident und Sonko als Premier setzen einen Kontrapunk­t zur Entwicklun­g, die zuletzt die Länder der Sahelzone prägte. In Burkina Faso, Mali und Niger regieren Militärreg­ime, die weitgehend auf die Unterstütz­ung der russischen Wagner-Miliz bauen.

Auch durch die Geschichte Guinea-Bissaus seit der Unabhängig­keit von der Kolonialma­cht Portugal vor 50 Jahren zieht sich eine Serie von Militärcou­ps. Embaló, ein Ex-General, überstand vor zwei Jahren einen Putsch. Seither versucht er, mehr Kompetenze­n an sich zu ziehen. Bei der nächsten Präsidente­nwahl, die vermutlich 2025 stattfinde­t, will sich ihm Baciro Djá entgegenst­ellen. „Embaló ist geschwächt.“

Als größtes Problem in GuineaBiss­au bezeichnet der Opposition­sführer die grassieren­de Korruption, die nicht zuletzt vom florierend­en Drogenhand­el aus Lateinamer­ika rührt. Die Drogenhänd­ler nutzen die Inseln des westafrika­nischen Staats als Zwischenst­opp auf dem Weg nach Europa. Die UNO hat Guinea-Bissau deshalb schon als „Narco-Staat“eingestuft.

„Ich habe Wurzeln in vier Ethnien“, sagt Djá, weshalb er prädestini­ert sei, das zuweilen von ethnischen Konflikten zerrissene Land zu einen und der Jugend eine Perspektiv­e zu geben, die sie im Land hält, statt dass sie emigriert.

 ?? ??
 ?? [Caio Kauffmann] ?? Baciro Djá
[Caio Kauffmann] Baciro Djá

Newspapers in German

Newspapers from Austria