Kickl: „Ich kenne diesen Herrn Ott bis heute nicht“
Die ÖVP nahm den FPÖ-Chef und seine engsten Vertrauten ins Visier, von Geheimdienst-Affären bis zu Zahlungen an Rechtsaußen-Medien – und stieß auf erhebliche Gegenwehr von Herbert Kickl und dessen Vertrauten.
Am Donnerstag, kurz nach neun Uhr Vormittag, schien der von der ÖVP verlangte Untersuchungsausschuss zum „rot-blauen Machtmissbrauch“dort angekommen, wo man ihn aus türkiser Sicht haben will: im innersten Machtzentrum der in allen Umfragen führenden FPÖ. Neben Herbert Kickl wurden für den Befragungstag auch dessen engste Vertraute geladen: Alexander Höferl und Reinhard Teufel. Größere Bekanntheit genießen die beiden Herren nicht, wiewohl Teufel mittlerweile blauer Klubchef im niederösterreichischen Landtag ist. Bis heute ist Teufel Berater des FPÖ-Chefs; genauso wie Höferl, zu Kickls Ministerzeit einst blauer Kommunikationschef im Ministerium und zuvor zentrale Figur im Aufbau der blauen Medienwelt rund um Rechtsaußen-Seiten wie unzensuriert.at.
Und die Vorwürfe der anderen Parteien gen Freiheitliche wiegen schwer. In die Regierungszeit Kickls, die ja im U-Ausschuss an diesem Tag durchleuchtet werden soll, fallen allerhand Aufreger, auch die BVT-Affäre mitsamt Razzia und Spionagevorwürfen. Sohin wäre auch die Brücke zu den aktuellen Vorwürfen im Fall um den mutmaßlichen Russen-Spion Egisto Ott geschlagen – den die ÖVP jüngst als „Spion der FPÖ“bezeichnete. Die FPÖ, so die türkise Diktion, könnte „Einfallstor zur Beeinflussung unserer Demokratie durch Russland“gewesen sein.
Doch das türkise Unterfangen stieß jäh auf erhebliche Gegenwehr, und zwar schon vor Beginn der ersten Befragung. Abgesehen davon, dass die Geschäftsordnung eine detaillierte Befassung mit der Causa Ott – sie ist nicht konkret vom Untersuchungsgegenstand umfasst – nicht zulässt, setzte die FPÖ gleich an mehreren Fronten zum Konter an. So versuchte etwa der FPÖ-Fraktionschef einmal mehr, in der BVT-Affäre Verbindungen zur Volkspartei herzustellen – und relativierte die prorussischen Aktivitäten der Blauen damit, dass selbst der Bundespräsident nach der Annexion der Krim noch ein gutes Verhältnis zu Russland pflegte.
Den Anfang bei den Befragungen machte Höferl, er ist heute Mitarbeiter im FPÖ-Klub. Der KicklIntimus wurde etwa mit dem Vorwurf konfrontiert, die Freiheitli
chen hätten bewusst und unverhältnismäßig RechtsaußenMedien mit Inseratengeld gefüttert. Stimmt nicht, erklärte er– die Plattform Wochenblick etwa hätte nur deshalb Geld aus dem Ressort bekommen, weil sie viele Leser erreicht habe, und nicht aufgrund einer etwaigen politischen Nähe zur FPÖ und deren Ansichten. Überhaupt halte er den Untersuchungsgegenstand für „verfassungswidrig“, auch sei ihm die Rolle als ExChefredakteur der Plattform unzensuriert.at fälschlicherweise zugeschrieben. Höferl versuchte in seinem mehrstündigen Auftritt – vor allem bei den Fragen durch seinen Kollegen Hafenecker – die Vorwürfe an die ÖVP zurückzuspielen. So sprach er etwa von einer „besonderen Dreistigkeit“der ÖVP, die sich drei Tage vor Kickls Einzug ins Innenministerium im Herbst 2017 zugetragen habe. Damals habe das gerade noch von der ÖVP geführte Ressort einen 800.000 Euro schweren Beratervertrag auf den Weg gebracht; als Höferl dies später infrage gestellt habe, habe man ihm gesagt, die Blauen können ja im Rahmen dessen auch „befreundete Werbeagenturen bedienen“. Den Vertrag habe es schließlich nicht gegeben.
Türkis-blaue Scharmützel
Es folgte das erste von vielen heftigen Scharmützeln zwischen ÖVP und FPÖ, die übrigens in mehreren Bundesländern miteinander koalieren: „Das sind krude Behauptungen der Auskunftsperson“, rief ÖVP-Fraktionschef Andreas Hanger. FPÖ-Mandatarin Susanne Fürst warf Hanger „Respektlosigkeit“vor, Hafenecker rief ihm mehrfach zu, er sei nicht am Wort. „Ich versteh schon, dass du nervös bist, Herr Hafenecker“, antwortete wiederum Hanger. Die Befragung Höferls durch Hafenecker nannte der ÖVP-Mann ein „skurriles Spiel“. Hanger: „Dieses Theater haben die zwei im Vorfeld wahrscheinlich geprobt.“Höferl verneinte schließlich, man habe sich nicht abgesprochen.
Mehrere Stunden und eine zähe Befragung eines früheren KicklMitarbeiters später war schließlich Kickl dran – und er ließ keinen Zweifel daran, dass er die blaue Strategie des Tages fortzuführen gedachte. Vor Betreten des Ausschusslokals attackierte er die ÖVP. Als Innenminister habe er „Einblick bekommen in das System der ÖVP“, so Kickl. „Das ÖVP-System hat gegen mich gearbeitet“, behauptete er, und wegen seiner Einblicke habe die Volkspartei dann auch die Koalition beendet.
„Habe keinen Russland-Bezug“
Die Verantwortung in puncto Russen-Spionagevorwürfe schob Kickl der ÖVP zu: „In jede Position, in die der Herr Ott gekommen ist, kam er in der Verantwortung der ÖVP.“Ott kenne Kickl „bis heute nicht“– das gelte auch für die anderen Beteiligten der Affäre wie den flüchtigen Ex-Wirecard-Vorstand: „Ich kenne weder den Herrn Ott noch den Herrn Marsalek noch den Herrn Weiss.“Zudem habe Kickl „überhaupt keinen Russland-Bezug“.
Auf die Frage der Verfahrensrichterin, wer dafür verantwortlich sei, dass Ott nach schwerwiegenden Vorwürfen auch in Kickls Amtszeit immer noch aktiv war, schob Kickl die Schuld dem früheren Geheimdienst-Chef Peter Gridling zu: „Ich hätte mir vom Chef des BVT erwartet, dass er bei einem Antrittsbesuch sagt, es gibt ein Problem, und das heißt Egisto Ott.“Das sei aber nicht passiert. Mit der Dienstzuteilung Otts nach dessen Suspendierung habe er nichts zu tun gehabt, so Kickl – auch in einer möglichen Organisationsreform hätte Ott „keine Rolle gespielt“. Kickl verteidigte auch, dass man einen Wirecard-Mann als Berater für Geheimdienstfragen engagiert habe – man habe einen ausländischen Experten gesucht, der in Österreich nicht parteipolitisch beeinflusst sei.
Danach gefragt, wie genau sein Verhältnis zu Ex-FPÖ-Mandatar Hans-Jörg Jenewein, der mit Ott in Kontakt stand, ausgesehen habe, gab sich Kickl wortkarg: Jenewein sei kein Mitarbeiter von ihm als Minister gewesen, daher sei das vom Untersuchungsgegenstand seiner Ansicht nach nicht umfasst. Am frühen Abend war die Befragung Kickls noch nicht abgeschlossen – womit der Auftritt Teufels an diesem Tag aus Zeitgründen ins Wasser fiel.
Wir sehen hier ein Vollversagen der ÖVP.
FPÖ-Chef Herbert Kickl zur Causa Ott