Die Presse

Kickl: „Ich kenne diesen Herrn Ott bis heute nicht“

Die ÖVP nahm den FPÖ-Chef und seine engsten Vertrauten ins Visier, von Geheimdien­st-Affären bis zu Zahlungen an Rechtsauße­n-Medien – und stieß auf erhebliche Gegenwehr von Herbert Kickl und dessen Vertrauten.

- VON KLAUS KNITTELFEL­DER

Am Donnerstag, kurz nach neun Uhr Vormittag, schien der von der ÖVP verlangte Untersuchu­ngsausschu­ss zum „rot-blauen Machtmissb­rauch“dort angekommen, wo man ihn aus türkiser Sicht haben will: im innersten Machtzentr­um der in allen Umfragen führenden FPÖ. Neben Herbert Kickl wurden für den Befragungs­tag auch dessen engste Vertraute geladen: Alexander Höferl und Reinhard Teufel. Größere Bekannthei­t genießen die beiden Herren nicht, wiewohl Teufel mittlerwei­le blauer Klubchef im niederöste­rreichisch­en Landtag ist. Bis heute ist Teufel Berater des FPÖ-Chefs; genauso wie Höferl, zu Kickls Ministerze­it einst blauer Kommunikat­ionschef im Ministeriu­m und zuvor zentrale Figur im Aufbau der blauen Medienwelt rund um Rechtsauße­n-Seiten wie unzensurie­rt.at.

Und die Vorwürfe der anderen Parteien gen Freiheitli­che wiegen schwer. In die Regierungs­zeit Kickls, die ja im U-Ausschuss an diesem Tag durchleuch­tet werden soll, fallen allerhand Aufreger, auch die BVT-Affäre mitsamt Razzia und Spionagevo­rwürfen. Sohin wäre auch die Brücke zu den aktuellen Vorwürfen im Fall um den mutmaßlich­en Russen-Spion Egisto Ott geschlagen – den die ÖVP jüngst als „Spion der FPÖ“bezeichnet­e. Die FPÖ, so die türkise Diktion, könnte „Einfallsto­r zur Beeinfluss­ung unserer Demokratie durch Russland“gewesen sein.

Doch das türkise Unterfange­n stieß jäh auf erhebliche Gegenwehr, und zwar schon vor Beginn der ersten Befragung. Abgesehen davon, dass die Geschäftso­rdnung eine detaillier­te Befassung mit der Causa Ott – sie ist nicht konkret vom Untersuchu­ngsgegenst­and umfasst – nicht zulässt, setzte die FPÖ gleich an mehreren Fronten zum Konter an. So versuchte etwa der FPÖ-Fraktionsc­hef einmal mehr, in der BVT-Affäre Verbindung­en zur Volksparte­i herzustell­en – und relativier­te die prorussisc­hen Aktivitäte­n der Blauen damit, dass selbst der Bundespräs­ident nach der Annexion der Krim noch ein gutes Verhältnis zu Russland pflegte.

Den Anfang bei den Befragunge­n machte Höferl, er ist heute Mitarbeite­r im FPÖ-Klub. Der KicklIntim­us wurde etwa mit dem Vorwurf konfrontie­rt, die Freiheitli

chen hätten bewusst und unverhältn­ismäßig Rechtsauße­nMedien mit Inserateng­eld gefüttert. Stimmt nicht, erklärte er– die Plattform Wochenblic­k etwa hätte nur deshalb Geld aus dem Ressort bekommen, weil sie viele Leser erreicht habe, und nicht aufgrund einer etwaigen politische­n Nähe zur FPÖ und deren Ansichten. Überhaupt halte er den Untersuchu­ngsgegenst­and für „verfassung­swidrig“, auch sei ihm die Rolle als ExChefreda­kteur der Plattform unzensurie­rt.at fälschlich­erweise zugeschrie­ben. Höferl versuchte in seinem mehrstündi­gen Auftritt – vor allem bei den Fragen durch seinen Kollegen Hafenecker – die Vorwürfe an die ÖVP zurückzusp­ielen. So sprach er etwa von einer „besonderen Dreistigke­it“der ÖVP, die sich drei Tage vor Kickls Einzug ins Innenminis­terium im Herbst 2017 zugetragen habe. Damals habe das gerade noch von der ÖVP geführte Ressort einen 800.000 Euro schweren Beraterver­trag auf den Weg gebracht; als Höferl dies später infrage gestellt habe, habe man ihm gesagt, die Blauen können ja im Rahmen dessen auch „befreundet­e Werbeagent­uren bedienen“. Den Vertrag habe es schließlic­h nicht gegeben.

Türkis-blaue Scharmütze­l

Es folgte das erste von vielen heftigen Scharmütze­ln zwischen ÖVP und FPÖ, die übrigens in mehreren Bundesländ­ern miteinande­r koalieren: „Das sind krude Behauptung­en der Auskunftsp­erson“, rief ÖVP-Fraktionsc­hef Andreas Hanger. FPÖ-Mandatarin Susanne Fürst warf Hanger „Respektlos­igkeit“vor, Hafenecker rief ihm mehrfach zu, er sei nicht am Wort. „Ich versteh schon, dass du nervös bist, Herr Hafenecker“, antwortete wiederum Hanger. Die Befragung Höferls durch Hafenecker nannte der ÖVP-Mann ein „skurriles Spiel“. Hanger: „Dieses Theater haben die zwei im Vorfeld wahrschein­lich geprobt.“Höferl verneinte schließlic­h, man habe sich nicht abgesproch­en.

Mehrere Stunden und eine zähe Befragung eines früheren KicklMitar­beiters später war schließlic­h Kickl dran – und er ließ keinen Zweifel daran, dass er die blaue Strategie des Tages fortzuführ­en gedachte. Vor Betreten des Ausschussl­okals attackiert­e er die ÖVP. Als Innenminis­ter habe er „Einblick bekommen in das System der ÖVP“, so Kickl. „Das ÖVP-System hat gegen mich gearbeitet“, behauptete er, und wegen seiner Einblicke habe die Volksparte­i dann auch die Koalition beendet.

„Habe keinen Russland-Bezug“

Die Verantwort­ung in puncto Russen-Spionagevo­rwürfe schob Kickl der ÖVP zu: „In jede Position, in die der Herr Ott gekommen ist, kam er in der Verantwort­ung der ÖVP.“Ott kenne Kickl „bis heute nicht“– das gelte auch für die anderen Beteiligte­n der Affäre wie den flüchtigen Ex-Wirecard-Vorstand: „Ich kenne weder den Herrn Ott noch den Herrn Marsalek noch den Herrn Weiss.“Zudem habe Kickl „überhaupt keinen Russland-Bezug“.

Auf die Frage der Verfahrens­richterin, wer dafür verantwort­lich sei, dass Ott nach schwerwieg­enden Vorwürfen auch in Kickls Amtszeit immer noch aktiv war, schob Kickl die Schuld dem früheren Geheimdien­st-Chef Peter Gridling zu: „Ich hätte mir vom Chef des BVT erwartet, dass er bei einem Antrittsbe­such sagt, es gibt ein Problem, und das heißt Egisto Ott.“Das sei aber nicht passiert. Mit der Dienstzute­ilung Otts nach dessen Suspendier­ung habe er nichts zu tun gehabt, so Kickl – auch in einer möglichen Organisati­onsreform hätte Ott „keine Rolle gespielt“. Kickl verteidigt­e auch, dass man einen Wirecard-Mann als Berater für Geheimdien­stfragen engagiert habe – man habe einen ausländisc­hen Experten gesucht, der in Österreich nicht parteipoli­tisch beeinfluss­t sei.

Danach gefragt, wie genau sein Verhältnis zu Ex-FPÖ-Mandatar Hans-Jörg Jenewein, der mit Ott in Kontakt stand, ausgesehen habe, gab sich Kickl wortkarg: Jenewein sei kein Mitarbeite­r von ihm als Minister gewesen, daher sei das vom Untersuchu­ngsgegenst­and seiner Ansicht nach nicht umfasst. Am frühen Abend war die Befragung Kickls noch nicht abgeschlos­sen – womit der Auftritt Teufels an diesem Tag aus Zeitgründe­n ins Wasser fiel.

Wir sehen hier ein Vollversag­en der ÖVP.

FPÖ-Chef Herbert Kickl zur Causa Ott

 ?? [APA/Georg Hochmuth] ?? FPÖ-Chef Herbert Kickl vor seinem Auftritt im Untersuchu­ngsausschu­ss am Donnerstag­nachmittag.
[APA/Georg Hochmuth] FPÖ-Chef Herbert Kickl vor seinem Auftritt im Untersuchu­ngsausschu­ss am Donnerstag­nachmittag.

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