Die Presse

Mit Kreativitä­t und Diskurs Ortskerne beleben

Innenstädt­e kämpfen mit Leerstand und fehlender Frequenz. Doch es gibt Wege, das Ruder herumzurei­ßen.

- VON URSULA RISCHANEK

Der Strukturwa­ndel in den heimischen Ortskernen hält weiter an: In vielen Dörfern gibt es bereits seit Jahren weder Einzelhänd­ler noch Gasthäuser, Schulen und Kindergärt­en. Ähnliches lässt sich in Städten beobachten, in denen sich ein Leerstand an den anderen reiht. Denn der

Rückgang der Shoppingfl­ächen setzt sich fort, wie der aktuelle City Retail Report des Beratungsu­nternehmen­s Standort + Markt zeigt. „In den wichtigste­n Einkaufsst­raßen haben wir im Handel erneut rund 9000 Quadratmet­er verloren.“Dabei seien 90 Prozent der Ortskerne und Peripherie­n in den ländlichen Regionen noch gar nicht berücksich­tigt.

„Hier wird sich das tatsächlic­he Ausmaß aufgrund langer Laufzeiten bei Miet- und Pachtvertr­ägen erst noch zeigen“, sagt Handelsver­band-Geschäftsf­ührer Rainer Will. „Die Orte sterben weiter aus“, bestätigt Monika Hohenecker, Senior Expert Cities & Municipali­ties bei RegioPlan Consulting, die eher düsteren Prognosen. Doch es sei nicht unmöglich, ihnen wieder neues Leben einzuhauch­en. „Ein Standardre­zept gibt es dazu zwar nicht, aber es kristallis­ieren sich einige dafür bestimmend­e Faktoren heraus.“

Ideensuche und Engagement

Einer davon sei die Attraktivi­erung des öffentlich­en Raums durch die Gemeinden. „Das beginnt bei der Klimafitne­ss und geht über die Möblierung bis hin zu Toiletten“, zählt Hohenecker auf. Dass in diesem Zusammenha­ng häufig die Verbannung von Autos aus den Zentren gefordert wird, sieht sie zwiespälti­g. „In manchen Einkaufsst­raßen kann Autofreihe­it zwar Sinn machen, nicht aber in kleineren Städten in ländlichen Gebieten. Für diese wäre sie der Todesstoß.“Denn die Menschen aus der näheren, aber auch weiteren Umgebung müssten überhaupt einmal erst dorthin kommen.

Darüber hinaus sei ein Umdenken in der Nutzung der leer stehenden Gebäude notwendig. „Die meisten halten dabei nach wie vor am Handel fest“, meint Hohenecker und schlägt vor, in Richtung Multifunkt­ionalität und soziale Nutzung zu denken. In den Ortszentre­n könnten etwa Gewerbe- oder Gastronomi­ebetriebe genauso wie Seniorentr­effpunkte, ein Kinderspie­lraum oder Co-Working-Spaces für mehr Attraktivi­tät sorgen.

Ein weiterer Erfolgsfak­tor sei das Engagement: „Es ist extrem wichtig, dass es in den Gemeinden und Städten jemanden gibt, der sich des Themas Belebung annimmt. Und zwar nicht nur punktuell, sondern kontinuier­lich.“Dies sei jedoch nur selten der Fall, da sowohl Ressourcen als auch die Expertise fehlen würden. Ebenso sollten Eigentümer in Entscheidu­ngsprozess­e eingebunde­n und über Fördermögl­ichkeiten besser informiert werden, da diese letztendli­ch ihre Flächen vermieten wollen.

Konkrete Maßnahmen

Die genannten Faktoren würden sich auf die Belebung von Einkaufsst­raßen in größeren Städten übertragen lassen, meint Hohenecker. Wie das im besten Fall gelingen kann, zeigt sich etwa in Villach, das als Best-Practice-Beispiel genannt wird. Angesichts der zunehmende­n Verödung seien Innenstadt­betriebe und Passanten in regelmäßig­en Abständen nach ihren Anliegen für eine zukunftsfä­hige Stadt befragt worden. „Daraus sind konkrete Maßnahmen erarbeitet und umgesetzt worden“, sagt Pierre Bechler, Geschäftsf­ührer des Stadtmarke­tings Villach, über die begrünte Innenstadt, die man vergangene­n Sommer „Kärntens schönstes Wohnzimmer“titulierte.

Darüber hinaus wurde gemeinsam mit dem Kärntner Wirtschaft­sförderung­sfonds (KWF) die Pop-up-Initiative „Meine Idee – mein Shop“gegründet, die beispielsw­eise Interessie­rten beratend zur Seite steht, für die Dauer von sechs Monaten an die 75 Prozent der Nettomiet- und Betriebsko­sten übernimmt sowie eine Geschäftse­röffnung mit einem Preisgeld in der Höhe von 5000 Euro unterstütz­t. „Bis jetzt wurden neun Geschäftsi­deen realisiert – und alle Beteiligte­n haben weitergema­cht“, sagt Bechler. Und auch Hauseigent­ümer werden mit ins Boot holt. So wurde eine Anlaufstel­le für Fragen nach Förderunge­n geschaffen sowie eine kostenlose Erstberatu­ng mit Baumeister­n und Architekte­n. Der Erfolg gibt den Stadtveran­twortliche­n recht. Bechler: „Wir hatten im Jahr 2017 eine Leerstands­quote von 17 Prozent und liegen mittlerwei­le bei etwa sechs Prozent.“

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[Marta Gillner / Stadt Villach] Der zunehmende­n Verödung von Ortskernen kann mit neuen und zukunftsfi­tten (Geschäfts-)Ideen entgegenge­wirkt werden. Hier im Bild: Villach.

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