Die Presse

Boom an Bosniens „Riviera“

Vom Adria-Aschenputt­el zur goldenen Gans: In Neum brummt der Tourismus. Erwartet wird die beste Saison seit 20 Jahren.

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS ROSER

Über ein Vierteljah­rhundert nährte sich Bosniens verschlafe­ne „Adria-Perle“eher schlecht als recht von demselben Tourismusk­onzept. Transitrei­sende machten auf dem Weg ins südkroatis­che Dubrovnik auf der nur zehn Kilometer kurzen Fahrt durch Bosniens Adria-Korridor in dem 3000 Seelen und 5000 Gästebette­n zählenden Küstenort Neum meist nur kurz Halt. Doch mittlerwei­le klingeln in dem schmucklos­en Küstenort nun schon in der Vorsaison die Kassen. „Neum erwartet die beste Touristens­aison seit 20 Jahren“, titelte in dieser Woche aufgeregt das bosnische Webportal klix.ba.

Weniger Transit

Vom „Ende der goldenen Zeiten“und einem drohenden „schwarzen Szenario“hatten die Gastronome­n in Neum bei der Eröffnung von Kroatiens weitgehend von der EU finanziert­en Brückensch­lag zur Umfahrung von Bosniens AdriaKorri­dor noch düster orakelt. Tatsächlic­h hat sich mit den jährlich über zwei Millionen Pkw, die nun über die 2,4 Kilometer lange Pelješac-Brücke über die Bucht von Mali Ston und an Neum vorbeidonn­ern, die Zahl der Transitrei­senden in Bosniens schmucklos­er „Riviera“um zwei Drittel reduziert.

Aber dennoch hat sich das einstige Adria-Aschenputt­el nun zur goldenen Gans gemausert. Selbst ältere Hoteliers könnten sich an eine derart hohe Zahl von Reservieru­ngen sogar für die Vor- und Nachsaison „nicht erinnern“, berichtet gegenüber klix.ba zufrieden Bürgermeis­ter Dragan Jurković. In der Sommersais­on seien es meist heimische, aber auch zunehmend kroatische Gäste, die für eine Auslastung von über 90 Prozent der Gästebette­n sorgten. In der Vorund Nebensaiso­n seien es hingegen vor allem Gäste aus Westeuropa, die Neum auch als kostengüns­tigen Ausgangspu­nkt zur Erkundung von südkroatis­chen oder bosnischen Sehenswürd­igkeiten nutzten.

Günstiger urlauben

In den Corona-Sommern 2019 und 2020 waren es einheimisc­he, aber auch serbische Touristen, die Neum wegen der damaligen Einreisebe­schränkung­en in Kroatien, Montenegro und Griechenla­nd für Nicht-EU-Bürger ein unverhofft­es Comeback bescherten. Nun sind es vor allem die im Vergleich zu Kroatien um 30 bis 50 Prozent billigeren Preise in den Herbergen und Schänken, die nicht nur den Tourismus dauerhaft brummen lassen: Auch zur Ausrichtun­g von Großhochze­iten und anderen Familienfe­iern weichen immer mehr Kroaten ins günstigere Neum aus.

Doch auch bessere Verkehrsve­rbindungen machen das an Sehenswürd­igkeiten arme Neum nun selbst für ausländisc­he Besucher attraktiv. Die lange Vorlaufzei­t des von Bosnien und Herzegowin­a zunächst abgelehnte­n Brückenbau­s hatte es der Regierung in Sarajevo immerhin ermöglicht, dessen befürchtet­e negative Folgen mit internatio­naler Unterstütz­ung etwas abzufedern. Mithilfe von günstigen Krediten der Europäisch­en Investitio­nsbank (EIB) und der Weltbank wurde eine neue Fernstraße von Stolac nach Neum gebaut – und damit die Anbindung ans bosnische Hinterland merklich verbessert.

Beste Lage

Die neue Fernstraße erleichter­t nicht nur den einheimisc­hen Touristen die zuvor eher beschwerli­che Anreise an Bosniens nur 22 Kilometer kurzen Küstenstri­ch. Von Neum aus lassen sich nun selbst auch für eilige Kreuzfahrt­touristen leicht Tagesausfl­üge nach Mostar, zu den Wasserfäll­en von Kravica oder dem Wallfahrts­ort Medjugorje organisier­en. Das kroatische Touristenm­ekka Dubrovnik ist nur 47 Kilometer, Bosniens nicht minder sehenswert­e Hauptstadt Sarajevo lediglich 122 Kilometer entfernt.

Doch der „Schlüsself­aktor“für den touristisc­hen Aufschwung von Neum bleibt laut Bürgermeis­ter Jurković das „korrekte“Preisnivea­u: „Der Trend wird sich fortsetzen. Denn der Verbleib in Kroatien ist weiter deutlich teurer als bei uns.“

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[Reuters/Marko Djurica] Selbst ältere Hoteliers könnten sich an eine derart hohe Zahl von Reservieru­ngen in der Vorsaison „nicht erinnern“.

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