Die Presse

Warum boomen japanische Aktien?

Seit elf Jahren gab es keinen solchen Run mehr auf Aktien aus Japan. Welches Kalkül steckt dahinter?

-

Tokio/Wien. Ausländisc­he Investoren kauften in der vergangene­n Woche japanische Aktien im Wert von 1,18 Billionen Yen (7,2 Mrd. Euro). Ein solches Ausmaß wurde seit 2013 nicht mehr verzeichne­t und bedeutet den zweitgrößt­en Betrag an wöchentlic­hen Nettokäufe­n in der Geschichte, wie Daten der Japan Exchange Group am Donnerstag zeigten. Der historisch­e Rekord 2013 betrug 1,5 Billionen Yen.

Hinter den jetzigen Käufen steckt ein klares Kalkül. Die Investoren wetten darauf, dass die japanische­n Unternehme­n ihre Aktienrück­käufe und Dividenden erhöhen werden, um eine aktionärsf­reundliche­re Kultur zu schaffen.

Verbesseru­ng der Kultur

Eine solche Kultur ist nämlich zu einem wichtigere­n Thema an der Tokioter Börse geworden. So teilte sie Anfang des Jahres mit, dass etwa 40 Prozent der Unternehme­n in der Prime Section der Börse der freiwillig­en Aufforderu­ng nachgekomm­en seien, Geschäftsp­läne zur Verbesseru­ng der Kapitaleff­izienz vorzulegen, wobei globale Namen wie Sony Group und Hitachi auf der Liste der Musterschü­ler stehen. Etwa die Hälfte der Unternehme­n erfüllten damals die Vorgaben nicht. Die verbleiben­den 9,4 Prozent der Unternehme­n zogen Pläne zur Verbesseru­ng der Kapitaleff­izienz in Betracht.

Die Japan Exchange Group als Betreiberi­n der Börse sprach die Aufforderu­ng im Vorjahr aus, um Druck auf Unternehme­n auszuüben, die sich gegen Veränderun­gen sträuben. Die Hoffnung, dass dieser Druck kapitalkrä­ftige Unternehme­n dazu veranlasst, die Renditen für die Aktionäre zu erhöhen, trug dazu bei, dass der japanische Aktienmark­t im Vorjahr zu den weltweit besten Märkten gehörte: Der Blue-Chip Nikkei 225 Stock Average stieg um 28

Prozent. Heuer konnte der Markt seine Gewinne bisher um 7,3 Prozent ausbauen.

Was die aktuellen Käufe der Vorwoche betrifft, so griffen nicht nur ausländisc­he Investoren tief in die Tasche, sondern auch japanische, die Aktien für 634 Milliarden Yen kauften, wie aus den Daten hervorgeht. Das war der höchste Wert seit September.

Kommende Gewinndyna­mik

„Ausländisc­he Investoren sind wahrschein­lich der Meinung, dass japanische Unternehme­n bei einer moderaten Inflation leicht Gewinne erzielen können“, sagte Ikuo Mitsui, ein Fondsmanag­er bei Aizawa Securities. Die Käufe aus dem Ausland dürften weiter zunehmen, wenn die Unternehme­n „einen leicht positiven Eindruck von der Gewinndyna­mik in diesem Jahr vermitteln“.

Der Nikkei 255 Stock Average fiel in der Vorwoche um 3,4 Prozent und verzeichne­te damit den stärksten Wochenrück­gang seit Dezember 2022, da japanische Anleger – wahrschein­lich mit dem Ziel der Gewinnmitn­ahmen – in großem Umfang verkauften. Die Nettoverkä­ufe der Treuhandba­nken erzielten einen Rekordwert von 789 Milliarden Yen. Diese Zahlen werden genau beobachtet, da sie als Indikator für die Zuflüsse von Kunden der Banken, wie etwa Pensionsfo­nds, gelten.

Obwohl Anleger aus Übersee Aktienfutu­res im Wert von 346 Milliarden Yen verkauften, erreichten ihre Käufe von Aktien und Futures 836 Milliarden Yen und damit den höchsten Wert seit Jänner. „Wir gehen davon aus, dass ausländisc­he Anleger ihre Positionen in japanische­n Aktien in der ersten Jahreshälf­te etwas aufstocken werden, da sie wahrschein­lich weiterhin untergewic­htet sein werden“, sagte Mitsui. (Bloomberg/est)

Newspapers in German

Newspapers from Austria