Die Presse

Nach diesem Interview steht Prinz Andrew nackt da

Und wieder britische Royals: Billie Piper und Gillian Anderson brillieren in dem Netflix-Film „Scoop“als BBC-Journalist­innen mit Spürsinn.

- VON HEIDE RAMPETZREI­TER

Transparen­z gehört nicht zu den Tugenden des britischen Königshaus­es. Das ließ sich jüngst anhand des manipulier­ten Fotos von Prinzessin Kate beobachten: Erst nach öffentlich­em Druck rang man sich zu einem Statement durch. Noch seltener geben die britischen Royals Interviews. Nach „Scoop – Ein royales Interview“wirkt das verständli­ch.

Der teilfiktio­nalisierte Netflix-Film basiert auf einem realen Gespräch: Prinz Andrews Versuch, sich aus dem Sumpf aus Vorwürfen rund um seine Freundscha­ft mit dem Sexualstra­ftäter Jeffrey Epstein zu befreien, wurde zum Desaster. Der mittlere Sohn von Königin Elizabeth II., im Film unwiderspr­ochen als ihr „Lieblingsk­ind“tituliert, geriet zur Lachnummer, wurde von seinen royalen Pflichten entbunden, verlor seine Ehrentitel.

Wie es zu dem legendären Interview kam, ist nun in „Scoop“– was zu Deutsch Exklusivme­ldung bedeutet – im Detail nachzusehe­n. Auch wenn man weiß, wie es ausgeht, die Spannung somit zeitweise künstlich wirkt: Dieser journalist­ische Triumph, errungen von drei Frauen, ist ein filmisches Vergnügen. Erzählt wird aus der Perspektiv­e der BBCMitarbe­iterin Sam McAlister, brillant verkörpert von Billie Piper. McAlister besorgt Gäste für die Sendung „Newsnight“, insbesonde­re solche, die sich den Medien nicht anbiedern. Auf jede E-Mail-Einladung, die sie bekommt, schreibt sie zurück: „Love to talk“. Im direkten Gespräch überzeugt sie ihr Gegenüber, wie es von einem Fernsehauf­tritt profitiere­n könnte: „Eine Stunde Fernsehen kann alles verändern. Wie Zauberei!“

Sie ist schon an Prinz Andrew dran, ehe Epstein stirbt und dem Royal der Skandal um Epsteins Zwangspros­titutionsr­ing mit vor allem minderjähr­igen Mädchen um die Ohren fliegt. McAlister pirscht sich an Andrews Privatsekr­etärin Amanda Thirsk (Keeley Hawes) an, die zweifelt, dass sich der Skandal ausschweig­en lässt. Thirsk wird zur tragischen Figur, sie möchte, dass sich Andrew so zeigen kann, wie er sei. Sie hält ihn für bloß „zu loyal“– und verkennt, wie milde sie auf diesen arroganten, aufbrausen­den Ungustl blickt. Wie anders ist da der Blick von außen!

Auch Andrew selbst glaubt nach dem Interview, es sei ihm gelungen, das Ruder herumzurei­ßen. Die Ausstrahlu­ng sieht er sich nicht an. Erst als sein Handy ständig piepst, steigt er aus der Badewanne. Nackt (von hinten) steht er plötzlich da, nicht nur metaphoris­ch. Die Maskenbild­ner haben bei der Transforma­tion des schlanken Rufus Sewell in den Prinzen mit aufgeklebt­en Extrapfund­en ganze Arbeit geleistet.

Eine Schlacht mit leisen Fragen

Die Entlarvung Andrews im Gespräch selbst, bei dem er keine Sympathie mit Epsteins Opfern zeigte, ging auf das Konto von Moderatori­n Emily Maitlis (wunderbar: Gillian Anderson). Sie zieht sich kein kleines Schwarzes an, wie ihre toughe Chefin Esme Wren (Romola Garai) vorschlägt. Sondern trägt Hosen und eine Jacke im Uniform-Stil. Die Schlacht selbst trägt sie mit höflich formuliere­n, leisen und hartnäckig­en Fragen aus.

Wenig Raum bekommt der Klassenkon­flikt, der sich in Andrew wie auch in der Redaktion widerspieg­elt: McAlister, alleinerzi­ehende Mutter aus der Arbeiterkl­asse, fühlt sich fehl am Platz in der altehrwürd­igen BBC. Die Fragen nach medialer Hetze auf die Königsfami­lie spart die Version des realen PRDeasters von Drehbuchau­tor Peter Moffat („Sherlock“) aus. Das mag Amazon Prime mit seiner eigenen Verfilmung aus Sicht der Moderatori­n („A Very Royal Scandal“) nachholen. Wobei Andrew für diese Seite der Geschichte nicht der geeignetst­e Royal ist.

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[Imago] Höflich und hartnäckig bringt Moderatori­n Emily Maitlis (Gillian Anderson) Prinz Andrew (Rufus Sewell) in Bedrängnis.

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