Die zwei Gesichter der Ukraine-Politik von Fico
In einer gemeinsamen Sitzung mit der ukrainischen Regierung bekräftigte der slowakische Premier abseits populistischer oder russlandfreundlicher Töne die Zusammenarbeit. Die Rüstungsindustrie läuft auf Hochtouren.
Mit einer gemeinsamen slowakisch-ukrainischen Regierungssitzung in der ostslowakischen Kleinstadt Michalovce dürfte der slowakische Ministerpräsident, Robert Fico, als Gastgeber wohl manche Gegner wie auch Anhänger irritiert haben. Die Slowakei unterstütze einen möglichst raschen EU-Beitritt der Ukraine, ließ der von seinen Gegnern als „prorussisch“titulierte Sozialdemokrat verlauten. Denn nur die EU-Mitgliedschaft stelle „eine Garantie für eine Zukunftsperspektive und die friedliche weitere Entwicklung der Ukraine“dar.
Sein ukrainischer Amtskollege, Denys Schmyhal, bezeichnete die mehrstündigen Gespräche als „markanten Fortschritt auf dem Weg zu einer gegenseitig vorteilhaften Zusammenarbeit“. In einem der „Presse“vorliegenden Fahrplan vereinbarten die Nachbarstaaten konkrete Schritte. So soll die ukrainische Hauptstadt, Kiew, einen direkten Eisenbahnzugang zum grenznahen zweitgrößten Flughafen der Slowakei in Košice bekommen, was der Ukraine angesichts russischer Luftüberlegenheit im eigenen Land eine wichtige Entlastung bringen kann.
Keine Patrone aus Beständen
Auch die zuversichtliche Ankündigung Schmyhals, dass innerhalb eines Jahres die Rüstungskooperation auf eine neue Grundlage gestellt werde, findet ihren Niederschlag in der Vereinbarung, die die beiden Regierungschefs am Donnerstag unterzeichnet haben. Zwar nicht verheimlicht, aber erst recht nicht an die große Glocke gehängt wurde in der Pressekonferenz der beiden Premiers, dass die militärische Zusammenarbeit über die slowakisch-ukrainische Grenze hinweg nie so drastisch reduziert wurde, wie es oft den Anschein hatte.
Die Stimmung zwischen dem EU- und Nato-Land Slowakei und der sich gegen Russland verteidigenden Ukraine hatte sich merklich abgekühlt, als der linksnationale frühere Langzeitregierungschef Fico nach seinem Sieg bei der Parlamentswahl im Herbst wieder an die Macht zurückkehrte. Davor hatte in Bratislava drei Jahre lang eine zwar innenpolitisch ständig streitende, aber außenpolitisch einige Koalition verschiedenster populistisch-konservativer und liberaler Fico-Gegner regiert, die die Ukraine-Unterstützung ausdrücklich in ihrem Regierungsprogramm vorgesehen hatte. Sie übergab dem Nachbarland nach Beginn der russischen Invasion so ziemlich alles, was sie zu geben hatte – einschließlich ihres kompletten Luftabwehrraketensystems und allen Kampfflugzeugen.
Fico hatte als Oppositionspolitiker lautstark kritisiert, dass die Slowakei sich deshalb nicht mehr selbst verteidigen könne, und den Slogan ausgegeben: „Keine Patrone mehr für die Ukraine!“Neben den starken Sprüchen ging meist der Zusatz unter, dass dies nur für Bestände der slowakischen Armee gelte, während man in „Verträge auf kommerzieller Basis“nicht eingreifen wolle.
Auf der einen Seite schwärzten Ficos Gegner den Linkspopulisten in Brüssel als gefährlichen „PutinFreund“auf den Spuren von Ungarns Viktor Orbán an. Ficos Anhänger in Kleinstädten und Randregionen wollten indes die Zwischentöne nicht hören. Denn sie passten nicht zu ihren Erwartungen, dass Fico eine Verwicklung der Slowakei in einen Krieg gegen Russland verhindern und dafür wieder mehr in den Sozialstaat investieren werde.
„Kommerzielle Verträge“
Tatsächlich aber läuft die slowakische Rüstungsindustrie, und zwar auch die staatliche, ungebrochen auf Hochtouren und produziert zum Beispiel Panzerhaubitzen und Munition für das ukrainische Militär und repariert dessen beschädigte Panzer – allerdings alles „auf Basis kommerzieller Verträge“. Auch auf zwischenstaatlicher Basis sind „nicht tödliche“und trotzdem für den Abwehrkrieg der Ukraine nützliche Kooperationen wie zum Beispiel Minenräumung oder Stärkung der von Russland bombardierten Energie-Infrastruktur nach wie vor intakt.