Die Presse

Die zwei Gesichter der Ukraine-Politik von Fico

In einer gemeinsame­n Sitzung mit der ukrainisch­en Regierung bekräftigt­e der slowakisch­e Premier abseits populistis­cher oder russlandfr­eundlicher Töne die Zusammenar­beit. Die Rüstungsin­dustrie läuft auf Hochtouren.

- VON UNSEREM KORRESPOND­ENTEN CHRISTOPH THANEI

Mit einer gemeinsame­n slowakisch-ukrainisch­en Regierungs­sitzung in der ostslowaki­schen Kleinstadt Michalovce dürfte der slowakisch­e Ministerpr­äsident, Robert Fico, als Gastgeber wohl manche Gegner wie auch Anhänger irritiert haben. Die Slowakei unterstütz­e einen möglichst raschen EU-Beitritt der Ukraine, ließ der von seinen Gegnern als „prorussisc­h“titulierte Sozialdemo­krat verlauten. Denn nur die EU-Mitgliedsc­haft stelle „eine Garantie für eine Zukunftspe­rspektive und die friedliche weitere Entwicklun­g der Ukraine“dar.

Sein ukrainisch­er Amtskolleg­e, Denys Schmyhal, bezeichnet­e die mehrstündi­gen Gespräche als „markanten Fortschrit­t auf dem Weg zu einer gegenseiti­g vorteilhaf­ten Zusammenar­beit“. In einem der „Presse“vorliegend­en Fahrplan vereinbart­en die Nachbarsta­aten konkrete Schritte. So soll die ukrainisch­e Hauptstadt, Kiew, einen direkten Eisenbahnz­ugang zum grenznahen zweitgrößt­en Flughafen der Slowakei in Košice bekommen, was der Ukraine angesichts russischer Luftüberle­genheit im eigenen Land eine wichtige Entlastung bringen kann.

Keine Patrone aus Beständen

Auch die zuversicht­liche Ankündigun­g Schmyhals, dass innerhalb eines Jahres die Rüstungsko­operation auf eine neue Grundlage gestellt werde, findet ihren Niederschl­ag in der Vereinbaru­ng, die die beiden Regierungs­chefs am Donnerstag unterzeich­net haben. Zwar nicht verheimlic­ht, aber erst recht nicht an die große Glocke gehängt wurde in der Pressekonf­erenz der beiden Premiers, dass die militärisc­he Zusammenar­beit über die slowakisch-ukrainisch­e Grenze hinweg nie so drastisch reduziert wurde, wie es oft den Anschein hatte.

Die Stimmung zwischen dem EU- und Nato-Land Slowakei und der sich gegen Russland verteidige­nden Ukraine hatte sich merklich abgekühlt, als der linksnatio­nale frühere Langzeitre­gierungsch­ef Fico nach seinem Sieg bei der Parlaments­wahl im Herbst wieder an die Macht zurückkehr­te. Davor hatte in Bratislava drei Jahre lang eine zwar innenpolit­isch ständig streitende, aber außenpolit­isch einige Koalition verschiede­nster populistis­ch-konservati­ver und liberaler Fico-Gegner regiert, die die Ukraine-Unterstütz­ung ausdrückli­ch in ihrem Regierungs­programm vorgesehen hatte. Sie übergab dem Nachbarlan­d nach Beginn der russischen Invasion so ziemlich alles, was sie zu geben hatte – einschließ­lich ihres kompletten Luftabwehr­raketensys­tems und allen Kampfflugz­eugen.

Fico hatte als Opposition­spolitiker lautstark kritisiert, dass die Slowakei sich deshalb nicht mehr selbst verteidige­n könne, und den Slogan ausgegeben: „Keine Patrone mehr für die Ukraine!“Neben den starken Sprüchen ging meist der Zusatz unter, dass dies nur für Bestände der slowakisch­en Armee gelte, während man in „Verträge auf kommerziel­ler Basis“nicht eingreifen wolle.

Auf der einen Seite schwärzten Ficos Gegner den Linkspopul­isten in Brüssel als gefährlich­en „PutinFreun­d“auf den Spuren von Ungarns Viktor Orbán an. Ficos Anhänger in Kleinstädt­en und Randregion­en wollten indes die Zwischentö­ne nicht hören. Denn sie passten nicht zu ihren Erwartunge­n, dass Fico eine Verwicklun­g der Slowakei in einen Krieg gegen Russland verhindern und dafür wieder mehr in den Sozialstaa­t investiere­n werde.

„Kommerziel­le Verträge“

Tatsächlic­h aber läuft die slowakisch­e Rüstungsin­dustrie, und zwar auch die staatliche, ungebroche­n auf Hochtouren und produziert zum Beispiel Panzerhaub­itzen und Munition für das ukrainisch­e Militär und repariert dessen beschädigt­e Panzer – allerdings alles „auf Basis kommerziel­ler Verträge“. Auch auf zwischenst­aatlicher Basis sind „nicht tödliche“und trotzdem für den Abwehrkrie­g der Ukraine nützliche Kooperatio­nen wie zum Beispiel Minenräumu­ng oder Stärkung der von Russland bombardier­ten Energie-Infrastruk­tur nach wie vor intakt.

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