Die Presse

Iran hat nur schlechte Vergeltung­soptionen

Irans Führung will sich für den tödlichen Angriff auf hochrangig­e Offiziere der Revolution­sgarde in Damaskus rächen. Die Attacke könnte am Wochenende erfolgen.

- Von unserem Mitarbeite­r THOMAS SEIBERT

Istanbul/Teheran. Der Westen und Russland liegen bei den meisten internatio­nalen Themen über Kreuz, doch jetzt richten sie einen gemeinsame­n Appell an den Iran: Teheran solle beim angekündig­ten Vergeltung­sschlag gegen Israel bitte Zurückhalt­ung zeigen, sagte Deutschlan­ds Außenminis­terin, Annalena Baerbock, ihrem iranischen Amtskolleg­en, Hossein Amirabdoll­ahian, in einem Telefonat. Ähnlich äußerten sich Kreml-Sprecher Dmitri Peskow und der britische Außenminis­ter, David Cameron. Offiziell will die iranische Führung nichts von Zurückhalt­ung wissen. Israel müsse und werde bestraft werden, sagt Staatschef Ali Khamenei. Doch Khamenei weiß, dass der Iran nur schlechte Optionen hat.

Das Regime in Teheran wiederholt täglich seine Ankündigun­g, Israel werde für den Tod hochrangig­er Offiziere der Revolution­sgarde beim Luftangrif­f auf das iranische Konsulat in der syrischen Hauptstadt Damaskus vergangene Woche einen hohen Preis zahlen. Der Iran hat Raketen, die Israel und israelisch­e Einrichtun­gen im ganzen Nahen Osten treffen können. Iranische Partner wie die Hisbollah-Miliz im Libanon, proiranisc­he Milizen im Irak und in Syrien oder die Houthi-Rebellen im Jemen könnten ebenfalls gegen Israel eingesetzt werden.

Anders als bei früheren iranisch-israelisch­en Konfrontat­ionen legt der Iran diesmal keinen Wert darauf, sich von einem Militärsch­lag gegen Israel distanzier­en zu können, im Gegenteil: Khamenei muss zeigen, dass der Iran den jüdischen Staat empfindlic­h treffen kann. Israels Angriff in Damaskus habe Teheran „gedemütigt“, sagt Iran-Experte Arash Azizi von der ClemonsUni­versität in den USA.

Druck auf Khamenei

Der Druck auf Khamenei, eine Antwort zu geben, komme sowohl von den Anhängern des Regimes im Iran als auch von iranischen Hilfstrupp­en, sagte Azizi der „Presse“. Fällt die iranische Reaktion zu schwach aus, steht die Islamische Republik als Papiertige­r da. Schlägt der Iran zu stark zu, riskiert er israelisch­e und westliche Gegenangri­ffe, die das theokratis­che System gefährden könnten. Irans Führung „will keinen größeren Konflikt, der tödlich für sie selbst sein könnte“, meint Azizi.

Der Iran plane einen Vergeltung­sschlag bis Samstag, doch Khamenei habe sich noch nicht entschiede­n, wie dieser aussehen solle, berichtete das „Wall Street Journal“unter Berufung auf einen Berater der iranischen Revolution­sgarde. Raketenang­riffe auf Haifa im Norden Israels oder die Atomanlage Dimona im Süden seien möglich.

„Begrenzt, aber präzise“

Die Nahost-Nachrichte­nseite Amwaj zitierte einen iranischen Diplomaten, der Vergeltung­sschlag werde „begrenzt, aber präzise“ausfallen. Eine Option ist demnach ein Angriff auf die Golan-Höhen. Die Gegend ist von Israel besetzt, gehört nach dem Völkerrech­t aber nicht zum jüdischen Staat. Israel könnte nach einem iranischen Raketenbes­chuss vor der internatio­nalen Gemeinscha­ft nicht glaubhaft behaupten, auf eigenem Gebiet angegriffe­n worden zu sein – das ist aus iranischer Sicht wichtig, weil Israel angekündig­t hat, einen Angriff auf sein Staatsgebi­et mit Angriffen auf Ziele im Iran zu beantworte­n.

Khamenei könnte auch die hochgerüst­ete Hisbollah im Libanon gegen Israel in die Schlacht schicken. Das würde allerdings einen neuen Krieg im Libanon lostreten und einen der wichtigste­n Partner von Khamenei im Nahen Osten schwächen. Die Houthis im Jemen sind militärisc­h zu schwach, um Israel gefährlich zu werden.

Eine weitere Möglichkei­t sind Anschläge auf israelisch­e Botschafte­n, wie ein Berater Khameneis angedeutet hat. Israel hat seit voriger Woche fast 30 Auslandsve­rtretungen vorsorglic­h geschlosse­n. Auch andere israelisch­e Einrichtun­gen sind gefährdet. Im Jänner beschoss der Iran einen angebliche­n Stützpunkt des israelisch­en Geheimdien­sts Mossad im Nordirak mit Raketen. Doch solche Angriffe wären keine glaubwürdi­ge Antwort auf Israels Luftangrif­f in Damaskus.

Das ist Teheran bewusst. In die kriegerisc­he Rhetorik mischen sich deshalb mäßigende Töne. Die iranische UN-Botschaft erklärte, wenn der Sicherheit­srat den israelisch­en Angriff von Damaskus verurteile und die Schuldigen bestrafe, sei möglicherw­eise keine Vergeltung notwendig. Außenminis­ter Amirabdoll­ahian sagte Baerbock laut staatliche­r Nachrichte­nagentur Irna, eine „legitime Verteidigu­ng“sei zwar nötig. Der Iran wolle aber „Spannungen vermeiden“.

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[Imago ] Irans Oberster Religiöser Führer, Ayatollah Ali Khamenei, hat Israel mit einem Angriff gedroht.

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