Die Presse

Sollten Supermärkt­e länger offen haben?

Einmal mehr diskutiert der Handel über Öffnungsze­iten. Die Forderung nach einer Ausweitung ebenjener hatte schon einmal mehr Substanz. Aber es gibt auch ein gutes Argument dafür.

- VON DAVID FREUDENTHA­LER

Es sind Zahlen, die sich durchaus sehen lassen: Die deutsche Rewe-Gruppe brach in Österreich im vergangene­n Jahr erstmals die zehn Milliarden Euro Umsatzschw­elle. Die Supermarkt­kette Billa, Flaggschif­f des Rewe-Konzerns in Österreich, steigerte ihren Umsatz um knapp neun Prozent, bei Diskontert­ochter Penny beträgt das Umsatzplus gar elf Prozent. Beide Rewe-Ketten konnten 2023 im hart umkämpften Marktumfel­d ihre Marktantei­le ausbauen.

Die Botschaft von Rewe-Österreich-Vorstand Marcel Haraszti hätte also sein können: „Alles gut, wir befinden uns auf einem soliden Wachstumsp­fad.“Doch er griff ein anderes Thema auf, über das nun diskutiert wird: Die Regulierun­g der Verkaufsze­iten in den Supermärkt­en sei ein „sehr nostalgisc­hes Gesetz“, das sich vom veränderte­n Kundenverh­alten immer mehr entfremde, sagte Haraszti am Rande der Bilanzpräs­entation zur Austria Presse Agentur. Der Rewe-Boss möchte die wöchentlic­hen Ladenöffnu­ngszeiten von aktuell maximal 72 auf 80 Stunden ausgeweite­t wissen. Die Aufregung war programmie­rt.

Breite Front gegen Vorstoß

Die Gewerkscha­ft reagierte auf den Vorschlag, wie man in Österreich immer reagiert – mit entrüstete­r Ablehnung. „Durch eine Ausweitung der Öffnungsze­iten würde man der Attraktivi­tät der Branche für Beschäftig­te keinen guten Dienst erweisen“, sagt Martin Müllauer von der Gewerkscha­ft GPA. Schon jetzt würden die Angestellt­en unter „enormem Stress und Arbeitsdru­ck leiden“. Grund dafür ist der auch im Handel grassieren­de Personalma­ngel. Laut Stellenmon­itor des Wirtschaft­sbunds können aktuell mehr als 12.000 Stellen im Handel nicht besetzt werden. Gleichzeit­ig sind laut AMS mehr als 4800 Menschen im Lebensmitt­elgroßund Einzelhand­el arbeitslos oder in Schulung gemeldet.

Unterstütz­ung gibt es da sogar vom Rewe-Konkurrent­en Spar: „Längere Öffnungsze­iten würden das bestehende Personalpr­oblem noch zusätzlich verschärfe­n. Für uns reichen die 72 Stunden vollkommen aus“, so Konzern-Sprecherin Nicole Berkmann zur „Presse“. Obwohl ein Gutteil der im Lebensmitt­elhandel Beschäftig­ten (zu mehr als zwei Drittel sind es Frauen) Teilzeit arbeiten, könne man deren Wochenarbe­itszeit nicht einfach aufstocken.

Preise würden steigen

Bei Spar verweist man zudem auf schon bestehende Möglichkei­ten, Öffnungsze­iten auszuweite­n – etwa bei Bahnhöfen oder in extra ausgewiese­nen Tourismusz­onen. Ausgerechn­et Wien ist das einzige Bundesland, in dem es keine solchen gibt – der Stadtregie­rung sei Dank.

Von Handelsver­tretern, die in der Vergangenh­eit immer wieder eine Flexibilis­ierung der Öffnungsze­iten gefordert haben, heißt es überwiegen­d, es sei jetzt nicht an der Zeit, diese Debatte zu führen. „In dem Fall gibt es kein Einvernehm­en in der Branche“, sagte Handelsver­band-Chef Rainer Will. Die Forderung nach einer Erhöhung auf maximal 80 Wochenstun­den sei derzeit „nicht mehrheitsf­ähig“.

Eine Ausweitung der Öffnungsze­iten wäre wegen nötiger Zuschläge eine „sehr teure Servicelei­stung“, sagt Harald Bauer, Geschäftsf­ührer der Drogerieke­tte DM: Letztlich müssten das auch jene mitbezahle­n, die tagsüber einkaufen.

Da der Bedarf an Lebensmitt­eln oder Drogeriepr­odukten durch erweiterte Öffnungsze­iten kaum steigerbar ist, würden diese die Produktivi­tät der Händler schwächen. „Schlussend­lich würden sich diese zusätzlich­en Kosten in höheren Verbrauche­rpreisen niederschl­agen, was nicht zuletzt angesichts der gerade zurücklieg­enden Teuerung alles andere als wünschensw­ert ist“, so Bauer.

Essenszust­eller als Konkurrenz

Aber was erhofft man sich bei Rewe von einer Öffnungsze­itenflexib­ilisierung? Mögliche zusätzlich­e Kosten sowie Mehreinnah­men hätte man „nicht durchkalku­liert“, da es politisch ohnehin keine Bestrebung­en gibt, die bestehende Regelung umzuschrei­ben.

Bei Rewe glaubt man aber durchaus, dass eine Öffnungsze­itenauswei­tung vor allem im städtische­n Raum zusätzlich­e Erträge einbringen würde. Es sei auch den frühen Geschäftss­chließungs­zeiten geschuldet, dass die Essenszust­elldienste in den vergangene­n Jahren rasant gewachsen sind. Vor allem in den Abendstund­en, wenn in den Geschäften längst die Lichter ausgegange­n sind, machen diese ihr Hauptgesch­äft.

Darüber, ob sich die Supermärkt­e diese Umsätze zurückhole­n könnten, gibt es bislang keine Evidenz. Es ist jedenfalls ein Argument, dem auch andere Lebensmitt­elketten etwas abgewinnen können. Solang es der Arbeitsmar­kt nicht hergibt, ist die Diskussion über eine Ausweitung der Öffnungsze­iten aber ohnehin müßig.

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[Moyo Studio] Eine Ausweitung der Öffnungsze­iten würde sich wohl auch in den Preisen niederschl­agen.

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