Sollten Supermärkte länger offen haben?
Einmal mehr diskutiert der Handel über Öffnungszeiten. Die Forderung nach einer Ausweitung ebenjener hatte schon einmal mehr Substanz. Aber es gibt auch ein gutes Argument dafür.
Es sind Zahlen, die sich durchaus sehen lassen: Die deutsche Rewe-Gruppe brach in Österreich im vergangenen Jahr erstmals die zehn Milliarden Euro Umsatzschwelle. Die Supermarktkette Billa, Flaggschiff des Rewe-Konzerns in Österreich, steigerte ihren Umsatz um knapp neun Prozent, bei Diskontertochter Penny beträgt das Umsatzplus gar elf Prozent. Beide Rewe-Ketten konnten 2023 im hart umkämpften Marktumfeld ihre Marktanteile ausbauen.
Die Botschaft von Rewe-Österreich-Vorstand Marcel Haraszti hätte also sein können: „Alles gut, wir befinden uns auf einem soliden Wachstumspfad.“Doch er griff ein anderes Thema auf, über das nun diskutiert wird: Die Regulierung der Verkaufszeiten in den Supermärkten sei ein „sehr nostalgisches Gesetz“, das sich vom veränderten Kundenverhalten immer mehr entfremde, sagte Haraszti am Rande der Bilanzpräsentation zur Austria Presse Agentur. Der Rewe-Boss möchte die wöchentlichen Ladenöffnungszeiten von aktuell maximal 72 auf 80 Stunden ausgeweitet wissen. Die Aufregung war programmiert.
Breite Front gegen Vorstoß
Die Gewerkschaft reagierte auf den Vorschlag, wie man in Österreich immer reagiert – mit entrüsteter Ablehnung. „Durch eine Ausweitung der Öffnungszeiten würde man der Attraktivität der Branche für Beschäftigte keinen guten Dienst erweisen“, sagt Martin Müllauer von der Gewerkschaft GPA. Schon jetzt würden die Angestellten unter „enormem Stress und Arbeitsdruck leiden“. Grund dafür ist der auch im Handel grassierende Personalmangel. Laut Stellenmonitor des Wirtschaftsbunds können aktuell mehr als 12.000 Stellen im Handel nicht besetzt werden. Gleichzeitig sind laut AMS mehr als 4800 Menschen im Lebensmittelgroßund Einzelhandel arbeitslos oder in Schulung gemeldet.
Unterstützung gibt es da sogar vom Rewe-Konkurrenten Spar: „Längere Öffnungszeiten würden das bestehende Personalproblem noch zusätzlich verschärfen. Für uns reichen die 72 Stunden vollkommen aus“, so Konzern-Sprecherin Nicole Berkmann zur „Presse“. Obwohl ein Gutteil der im Lebensmittelhandel Beschäftigten (zu mehr als zwei Drittel sind es Frauen) Teilzeit arbeiten, könne man deren Wochenarbeitszeit nicht einfach aufstocken.
Preise würden steigen
Bei Spar verweist man zudem auf schon bestehende Möglichkeiten, Öffnungszeiten auszuweiten – etwa bei Bahnhöfen oder in extra ausgewiesenen Tourismuszonen. Ausgerechnet Wien ist das einzige Bundesland, in dem es keine solchen gibt – der Stadtregierung sei Dank.
Von Handelsvertretern, die in der Vergangenheit immer wieder eine Flexibilisierung der Öffnungszeiten gefordert haben, heißt es überwiegend, es sei jetzt nicht an der Zeit, diese Debatte zu führen. „In dem Fall gibt es kein Einvernehmen in der Branche“, sagte Handelsverband-Chef Rainer Will. Die Forderung nach einer Erhöhung auf maximal 80 Wochenstunden sei derzeit „nicht mehrheitsfähig“.
Eine Ausweitung der Öffnungszeiten wäre wegen nötiger Zuschläge eine „sehr teure Serviceleistung“, sagt Harald Bauer, Geschäftsführer der Drogeriekette DM: Letztlich müssten das auch jene mitbezahlen, die tagsüber einkaufen.
Da der Bedarf an Lebensmitteln oder Drogerieprodukten durch erweiterte Öffnungszeiten kaum steigerbar ist, würden diese die Produktivität der Händler schwächen. „Schlussendlich würden sich diese zusätzlichen Kosten in höheren Verbraucherpreisen niederschlagen, was nicht zuletzt angesichts der gerade zurückliegenden Teuerung alles andere als wünschenswert ist“, so Bauer.
Essenszusteller als Konkurrenz
Aber was erhofft man sich bei Rewe von einer Öffnungszeitenflexibilisierung? Mögliche zusätzliche Kosten sowie Mehreinnahmen hätte man „nicht durchkalkuliert“, da es politisch ohnehin keine Bestrebungen gibt, die bestehende Regelung umzuschreiben.
Bei Rewe glaubt man aber durchaus, dass eine Öffnungszeitenausweitung vor allem im städtischen Raum zusätzliche Erträge einbringen würde. Es sei auch den frühen Geschäftsschließungszeiten geschuldet, dass die Essenszustelldienste in den vergangenen Jahren rasant gewachsen sind. Vor allem in den Abendstunden, wenn in den Geschäften längst die Lichter ausgegangen sind, machen diese ihr Hauptgeschäft.
Darüber, ob sich die Supermärkte diese Umsätze zurückholen könnten, gibt es bislang keine Evidenz. Es ist jedenfalls ein Argument, dem auch andere Lebensmittelketten etwas abgewinnen können. Solang es der Arbeitsmarkt nicht hergibt, ist die Diskussion über eine Ausweitung der Öffnungszeiten aber ohnehin müßig.