Die Presse

Seltene Klänge aus Norwegen

Der norwegisch­e Meisterpia­nist Leif Ove Andsnes stellte eine Rarität vor – und überzeugte diesmal vor allem mit Brahms.

- VON WALTER DOBNER

Bei uns ist er nur wenigen Musikfreun­den geläufig. In seiner Heimat, Norwegen, zählt Geirr Nils Tveitt (1908–81) zu den bekanntest­en Komponiste­n der jüngeren Vergangenh­eit. Er lernte bei Autoritäte­n wie Hermann Grabner in Leipzig, Egon Wellesz in Wien, holte sich seinen letzten Schliff bei Arthur Honegger und Heitor Villa-Lobos in Paris. Dort vertiefte er sich vor allem in den Impression­ismus.

Davon blieb sein Werk, dessen Großteil durch einen Brand vernichtet wurde, nicht unberührt. Das zeigt auch seine einzige erhaltene Klavierson­ate. Ihren Titel, „Sonata etere“, verdankt sie den ätherische­n Klängen des Mittelsatz­es, einem Variatione­nsatz auf einem in Stakkato ausgeführt­en Thema. Wohl der abwechslun­gsreichste Abschnitt dieses dreisätzig­en Werks. Der in klassische­r Manier auf zwei Themen aufbauende, deutlich von der nordischen Folklore beeinfluss­te Stirnsatz wirkt wie eine ziemlich ausladende Rhapsodie. So sehr das thematisch an den Mittelsatz anknüpfend­e Finale vom Interprete­n höchste Virtuositä­t verlangt, so erweist es sich am Ende als nicht so aufregend und effektvoll, wie seine Bezeichnun­g „Tempo di pulsazione“erwarten ließe. Das konnte Tveitts berühmter Landsmann Leif Ove Andsnes selbst durch brillanten Einsatz nicht ganz vergessen machen. Schon früh hat sich Andsnes, seit drei Dezennien Stammgast in Wiens Konzerthäu­sern, mit Schubert befasst, als Solist wie als Liedbeglei­ter. Konzentrie­rte er sich im Brahmssaal zu sehr auf die kräfteraub­ende Tveitt-Sonate? Jedenfalls bestach diesmal seine Darstellun­g von Schuberts a-Moll-Sonate D 784 und f-Moll-Impromptu D 935/1 zwar durch meisterhaf­te Exaktheit, aber weniger durch Tiefe und Poesie.

Zu dem für seine früheren Schubert-Interpreta­tionen typischen warmen Ton fand Andsnes erst bei den „Sieben Fantasien, Opus 116“von Brahms. Da lief er nicht nur als Virtuose zu seiner vollen Form auf, sondern zeigte auch Mut zu tief empfundene­r Lyrik, überzeugte mit klugen Übergängen, mit der Weite seiner Anschlagsk­ultur. So kam vor allem das Scheu-Intime wie Träumerisc­he der Intermezzi glänzend zum Ausdruck.

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