Krankenhausserien: Wo sind all die Ärzte hin?
„Grey‘s Anatomy“bekommt eine 21. Staffel. Aber was können die Nachfolger? Über asoziale Genies, Teams am Rande des Burn-outs und einen Gynäkologen, der Tattoos absichtlich falsch zusammennäht.
The Good Doctor Autisten diagnostizieren besser
Im Wesentlichen gibt es zwei Typen von Krankenhausserien: Die einen zeigen Teams, die tagtäglich mit Herzinfarkten, zu früh geborenen Babys, schlecht behandeltem Diabetes und Schusswunden zu tun haben und nicht nur gegen Krankheiten, sondern auch gegen die Strukturen kämpfen. Die anderen drehen sich um außergewöhnliche Fälle lösende Genies. „Grey‘s Anatomy“gegen „Dr. House“sozusagen.
„The Good Doktor“gehört zu Letzterem, hier steht der autistische Chirurg Shaun Murphy im Mittelpunkt, der zunächst an der
adäquaten Kommunikation mit Patienten und Angehörigen zu scheitern droht, aber durch sein fotografisches Gedächtnis und diagnostischen Einfallsreichtum besticht. Schon in der ersten Folge rammt er auf dem Weg zur Arbeit einem ohnmächtigen Buben zum Bestürzen der Umstehenden ein Messer zwischen die Rippen (irgendetwas mit Venenstauung durch erhöhten intrathorakalen Druck), wobei er den Brustkorb mit Whiskey desinfiziert und aus der Flasche und einem Schlauch ein Einwegventil bastelt, damit die Luft entweichen kann. Natürlich gibt es auch hier wohlwollende und weniger wohlwollende Kollegen und Chefs und den einen oder anderen Love Interest. Hoher Binge-Faktor, demzufolge gibt es sieben Staffeln. (best) Netflix, Sky
New Amsterdam Das verflixte Gesundheitssystem
Diese Serie beruht auf den Erfahrungen eines ärztlichen Direktors, der 13 Jahre lang einem öffentlichen Krankenhaus in New York vorstand. Entsprechend sind die Themen: Es geht um Versorgungsengpässe, zu teure Diabetesmedikamente, bürokratische Hürden und Dr. Max Goodwin, der mit seinem Team alles Mögliche unternimmt, um seinen schlecht versicherten Patienten trotzdem zu helfen. Meistens gelingt es, irgendwann ist auch die hochnäsige Onkologin mit an Bord. Für alle, die sich mit gutem Gewissen unterhalten wollen. (best) Netflix
This Is Going To Hurt Ziemlich zynischer Gynäkologe
Ist es okay, einen Kaiserschnitt mitten durch’s Delfin-Tattoo anzusetzen – und es absichtlich falsch wieder zusammenzunähen, wenn die Gebärende ein rassistisches Ekel ist? Darf man einem besonders nervigen Paar „aus Versehen“das Geschlecht seines Ungeborenen verraten? Natürlich nicht. Dass Dr. Adam Kay alles andere als moralisch einwandfrei ist und trotzdem ein Sympathieträger, liegt zum einen an der Vorlage dieser Miniserie: In „This Is Going To Hurt“gab der britische Komiker Adam Kay zum Schreien komische (und ebenso berührende und erschütternde) Einblicke in seine frühere Karriere auf der Gynäkologie eines skandalös unterdotierten Spitals. Zum anderen liegt es an Ben Whishaw (Q in „James Bond“), der als so kompetenter wie knuffiger, aber auch in absurdem Ausmaß übermüdeter Arzt zwischen Kreißsaal und Ambulanz umherschlurft. (kanu) Canal+
Five Days at Memorial Fünf Tage ohne Strom
Als der Hurrikan Katrina im August 2005 in New Orleans zu toben beginnt, kommen viele ins Memorial Hospital, weil sie Zuflucht suchen. Das Krankenhaus gilt als sicherer Ort. „Five Days at Memorial“zeichnet nach, wie das Wasser steigt, der Strom ausfällt, die Kommunikation abbricht. Ärzte irren in der schwülen Hitze zombiehaft durch die Gänge, können Patienten kaum mehr versorgen. Und treffen Entscheidungen. Regisseur John Ridley erzählt die wahre Geschichte mit verschiedenen Akteuren im Fokus. Journalistin Sheri Fink, die für ihre Recherche über die Vorkommnisse im Krankenhaus den PulitzerPreis bekam, arbeitete mit. Das Ergebnis ist erschreckend realistisch. (rovi) Apple TV+
Charité Von Robert Koch bis in die Zukunft
Das waren noch Zeiten, als der deutsche Kaiser sich mit dem Geschick der Charité beschäftigte. Über 300 Jahre alt ist das Berliner Krankenhaus, und diese aufwendige ARD-Serie gleichen Namens beleuchtet in drei Staffeln seine Vergangenheit. Von den Wegbereitern der modernen Medizin wie Robert Koch in der ersten Staffel über die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg in der zweiten bis zum Beginn des Mauerbaus in der dritten. Das war detailtreu, oft charmant, teils bemüht, vor allem bei den fiktiven Frauenrollen, die den historischen Männerfiguren zur Seite gestellt wurden. In der eben gestarteten vierten Staffel springt die Serie in die Zukunft – ins Jahr 2049. (rovi) Arte-Mediathek
Push Der Alltag dreier Hebammen
Noch eine Serie, die die täglichen Belastungsproben auf einer Geburtenstation schildert, diesmal aus Deutschland und aus Sicht der Hebammen: Auch der Serie „Push“gelingt ein unüblich realistischer Blick auf Geburten – das Ergebnis ist so didaktisch wie feinfühlig. (kanu) ZDF-Mediathek