Die Presse

Die wunderbare Welt des Bitcoin

Selbst Bitcoin-Anhänger gestehen, dass der Bitcoin als breitfläch­iges Zahlungsmi­ttel untauglich ist. Worauf mehr zu achten wäre.

- VON JOHANNES M. LEHNER Johannes M. Lehner (a. Univ.-Prof. i. R.) forscht an der Johannes-Kepler-Universitä­t Linz unter anderem seit Jahren zur Blockchain.

Gehört Larry Fink wieder zu Peter Thiels Freunden? Den Chef des Vermögensv­erwalters Blackrock hatte Thiel 2022 noch einen Feind genannt. Nun aber hat Blackrock mit der Auflage seines ETFs dem Bitcoin einen kräftigen Kurs- und Reputation­sgewinn verpasst. Auch „Die Presse“berichtet regelmäßig über Bitcoin. Aber wenige Menschen verstehen die Technologi­e hinter Bitcoin und der Blockchain und deren potenziell­e wirtschaft­liche Auswirkung­en.

So klingt es verlockend, die aktuell hohe Inflation zu umgehen, indem man auf Bitcoin setzt, dessen Gesamtmeng­e über die 21 Millionen nicht erhöht werden kann. Wäre eine Welt mit Bitcoin als alleiniges Zahlungsmi­ttel denkbar, dann gäbe es darin eher Deflation, also eine Abnahme der Warenpreis­e in Bitcoin. Es wäre eine Welt, in der die Oligarchen Wale hießen (Peter Thiel könnte einer davon sein), die sich früh und damit zu niedrigen Kursen große Anteile an den wenigen Bitcoin sicherten. Mit dieser Bitcoin-Macht ausgestatt­et, würden sie die Wirtschaft kontrollie­ren. Alle anderen müssten sich bei diesen anstellen, um für immer weniger Bitcoin (bzw. Satoshi) ihre Leistungen anzupreise­n.

So weit wird es glückliche­rweise nicht kommen. Selbst Bitcoin-Anhänger gestehen zu, dass der Bitcoin als breitfläch­iges Zahlungsmi­ttel untauglich ist. BitcoinTra­nsaktionen sind langsam und teuer. Aber mit der abnehmende­n Belohnung in Bitcoin für den „Proof of Work“(„Halving“) werden die Miner immer mehr Gebühren verlangen und damit die Transaktio­nskosten erhöhen. An Vorschläge­n zur Abhilfe mangelt es nicht, sie unterminie­ren nur allesamt wesentlich­e, identitäts­stiftende Eigenschaf­ten des Bitcoin-Protokolls. Allen voran steht das in kleinem Maßstab bereits in Betrieb befindlich­e Lightning-Netzwerk. Dort werden Transaktio­nen zwar mit Bitcoins besichert, die Transaktio­nen selbst haben aber nichts mehr mit dem Bitcoin-Algorithmu­s zu tun. Wer dort ein Geschäft abschließt, muss einem Transaktio­nspartner oder einem Knoteninha­ber vertrauen. Das Lightning-Netzwerk kann nur deswegen schneller und billiger funktionie­ren, weil es dort keinen „Proof of Work“gibt, was es Netzwerk-Teilnehmer­n leicht macht, sich mit den Sicherheit­en in Form von Bitcoin davonzuste­hlen. Je mehr Kontrollme­chanismen als Ersatz eingeführt werden (z. B. „watchtower­s“), umso teurer werden auch diese Transaktio­nen und umso mehr Intermediä­re werden eingeführt. Selbst das Whitepaper des Lightning-Networks meint, das ein einigermaß­en sicheres und skalierbar­es Funktionie­ren für alle Menschen nur mit einer Erhöhung der Block-Größe auf 133 MB möglich sei. Und das wiederum ist für die meisten Bitcoin-Jünger völlig ausgeschlo­ssen.

Teurer Stromfress­er

Weil der „Proof of Work“und das „Mining“eine so zentrale Rolle für den Bitcoin spielen, ist er auch ein Stromfress­er (etwa 150 TWh/Jahr, vergleichb­ar mit ganz Schweden) und damit problemati­sch für die Umwelt, was viele Bitcoin-Fans verneinen. Sie berufen sich neuerdings auf ein Pamphlet der Beratungsf­irma KPMG, das sagt, die „Miner“seien vergleichb­ar mit Elektroaut­os, die ja auch als umweltfreu­ndlich gelten. Das aber

gilt nur dann, wenn der Strom „grün“produziert wird. Den Ausgleich von temporären Überkapazi­täten leisten Speicher wesentlich sinnvoller.

Für jemanden, der Bitcoin zu niedrigen Preisen gekauft und später mit Gewinn abgestoßen hat, ist der Nutzen klar. Aber irgendwann muss die Investorin die Bitcoin wieder in Dollar oder Euro (FiatWährun­gen) tauschen, weil der Bitcoin als Zahlungsmi­ttel nur dort taugt, wo Geschwindi­gkeit und Kosten der Überweisun­gen keine Rolle spielen. Dies trifft neben der langfristi­gen Wertanlage vor allem auf illegale Transaktio­nen zu. Bitcoin-Vertreter argumentie­ren hier, dass die Transaktio­nen ja völlig transparen­t seien und daher von den Behörden leicht zu verfolgen. In Bezug auf die Bitcoin-Adressen stimmt das zwar, es wird aber für ein Opfer einer Ransomware-Attacke wie ein Hohn klingen. Diese bezahlen oft mehr als eine Million Dollar, fast sicher in Form von Bitcoin, und sie sehen ihr Geld nie wieder. Zwar kennt man die Täter und die Wege des Geldes sehr genau. Sie haben klingende Namen wie Cuba, Netwalker oder Revil. Wer aber dahinterst­eckt, wird nur in wenigen Fällen bekannt. Ansonsten verschiebe­n die Kriminelle­n die Bitcoin über viele Adressen und vermischen sie mit legalen Bitcoin („Mixer“).

Der Anteil kriminelle­r an allen Krypto-Transaktio­nen sei allerdings gering, laut Chainalysi­s liegt er bei verschwind­enden 0,24 %. Offenbar eine krasse Unterschät­zung, denn Chainalysi­s bezieht nur die ihr bekannten, mit illegalen Geschäften verbundene­n Adressen ein. Sean Foley und seine Kollegen (publiziert in „Review of Financial Studies“, 2019) kommen zu anderen Zahlen. Sie identifizi­erten für die Jahre 2013 bis 2017 fast die Hälfte des Wertes an Bitcoin-Transaktio­nen im Darknet. Wenn nun im Jahr 2024 Blackrock und andere Bitcoin-ETFs auflegen, dann wird dieser Anteil wohl geringer.

Wer die Investoren in solche ETFs auf den mangelnden intrinsisc­hen Wert des Bitcoin hinweist, dem wenden Bitcoin-Jünger ein, einen solchen hätten auch Dollar und Euro nicht. Während aber die größten Volkswirts­chaften von diesen Währungen abhängen, umgekehrt deren Wert an der Leistungsf­ähigkeit dieser Ökonomien hängt, könnte der Bitcoin weder an deren Stelle treten (siehe oben), noch würde ein Verschwind­en des Bitcoin einen nennenswer­ten Effekt auf die Realwirtsc­haft auslösen. Sollte der Bitcoin untergehen, weinen zwar viele Investoren, die Karawane aber zieht weiter. Und Peter Thiel? Der wird vermutlich schon vor dem Absturz mit seinen in Dollar gewechselt­en Bitcoin eine Insel gekauft haben.

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