Einen Jux wollen sie sich machen: Die Tiroler und ihr Listenchaos
Was sich von der Innsbrucker Gemeinderatswahl alles ableiten lässt und warum ihr die Parteien im Vorfeld der Bundeswahl Aufmerksamkeit schenken sollten.
Ein Satz trifft auf die Tiroler Landeshauptstadt an diesem Wochenende gewiss nicht zu: „Gehen Sie weiter. Hier gibt es nichts zu sehen.“Es gibt nämlich in Innsbruck sehr viel zu sehen: Am Sonntag ist Gemeinderatswahl mit 13 Listen und 13 Kandidaten für die Direktwahl des Bürgermeisters. Sie ist sozusagen der letzte Akt eines Schauspiels, das die Parteien seit mindestens 2021 in der Art einer Alpenkomödie mit Feindschaft, Intrige, Abspaltung, Versöhnung aufgeführt haben. So groß die Verwirrung ist, so bedeutend werden die Signale dieses Urnengangs sein, auch für die Nationalratswahl im Herbst.
Eines kann man jetzt schon festschreiben: Einer Viererkoalition, wie sie Bürgermeister
Georg Willi nach seinem überraschenden Sieg 2018 gezimmert hat, ist keine lange Lebensdauer beschieden. Ab 2021 dominierten im Gemeinderat Hauen und Stechen. Das Resultat: Kaum etwas konnte umgesetzt werden. Die ganze politische Energie schien von Animositäten und Blockaden abgesaugt zu werden. Das sogenannte freie Spiel der Kräfte, mit dem auch auf Bundesebene immer wieder kokettiert wird, wenn keine stabilen Mehrheiten in Sicht sind, hat sich als so penetranter Misston erwiesen, wie er von keiner Blasmusikkappelle bei der ersten Probe hinausposaunt werden kann.
Außerdem wird sich zeigen, mit welcher demokratiepolitischen Leidenschaft sich die Innsbrucker schlaugemacht hatten und so mit den einzelnen Listen etwas anfangen konnten: Die Liste Fritz ist ja noch bekannt, aber wer steht hinter Gerecht, Ali, Einig, TUN, DU-I, JA? Wird Innsbruck die kleine Bühne sein, auf der ein völlig zersplitterter Nationalrat ab Herbst seine Probe hält? Es wird darauf ankommen, ob die Abspaltungen von den Abspaltungen genügend Familienmitglieder zu den Urnen bringen, um die neue Vier-Prozent-Hürde zu überspringen. Anders ausgedrückt: Es wird von der Wahlbeteiligung abhängen. Zuletzt lag sie bei 50 Prozent. Daraus wird man wieder ableiten können, ob ein Übermaß an
Vielfalt die Bürger zur Wahl motiviert oder diese von ihr abschreckt.
Da Bürgermeister Georg Willi seinen Kampf um die Wiederwahl ganz auf die Gegnerschaft zu dem Kandidaten der FPÖ, Markus Lassenberger, ausrichtet, wird sich zeigen, ob eine solche Polarisierung alias „Kampf gegen rechts“ein Erfolgsrezept sein kann.
Das sollte vor allem die ÖVP mit ihrer Duelltaktik Karl Nehammer gegen Herbert Kickl interessieren. ÖVP-Kandidat Ex-Staatssekretär Florian Tursky konnte in der Tiroler Alpenkomödie als „Einspringer“in letzter Minute nicht wirklich eine Hauptrolle ergattern. In der Regierung hat es ja nicht einmal zu einer Nebenrolle gereicht. Tursky, wer? So unauffällig und ergebnislos zu amtieren ist schon wieder eine Kunst. Interessant aber wird sein, ob der Trick mit einem Überraschungskandidaten ohne Strahlkraft bei den Wählern zieht oder sie sich getäuscht fühlen. Und dann wird man noch am Sonntag erfahren, ob der Zuspruch für die KPÖ eine Zweitagsfliege in Graz und Salzburg bleibt.
Schließlich werden wir sehen können, zu welchen Ergebnissen eine vollkommen inhaltsleere Wahlauseinandersetzung führt. Von den Plakaten her ging es fast nicht banaler: „Mit euch für Innsbruck“(ÖVP), „Mutig – für Innsbruck“(SPÖ), „Neustart“(FPÖ). Es scheint fast so, als würden die Innsbrucker nicht kapieren, dass es um ihre Stadt geht. Einzig und allein die FPÖ war mit der Forderung nach einem „Migrantenstopp“auf ihrem erwartbaren Terrain konkret. Leistbares Wohnen, Verkehrspolitik, Stadtplanung, Tourismus kamen alle zu kurz.
Wer das ganze Tiroler Theater nicht versteht, der sollte zu Ludwig Anzengrubers Bauernkomödie „Der G’wissenswurm“greifen. Die ist auch voll mit Intrigen, Manipulation und Täuschung. Wer aber wird am Montag von einem G’wissenswurm geplagt werden? Vielleicht der ÖVP-Rebell Johannes Anzengruber, der mit einer eigenen Liste antritt.
‘‘ Am Sonntag wird man erfahren, ob der Zuspruch für die KPÖ eine Zweitagsfliege in Graz und Salzburg bleibt.