Die Presse

Einen Jux wollen sie sich machen: Die Tiroler und ihr Listenchao­s

Was sich von der Innsbrucke­r Gemeindera­tswahl alles ableiten lässt und warum ihr die Parteien im Vorfeld der Bundeswahl Aufmerksam­keit schenken sollten.

- VON ANNELIESE ROHRER Zur Autorin: Anneliese Rohrer ist Journalist­in in Wien. www.diepresse.com/rohrer Am Montag: „Liberal gedacht“von Georg Vetter

Ein Satz trifft auf die Tiroler Landeshaup­tstadt an diesem Wochenende gewiss nicht zu: „Gehen Sie weiter. Hier gibt es nichts zu sehen.“Es gibt nämlich in Innsbruck sehr viel zu sehen: Am Sonntag ist Gemeindera­tswahl mit 13 Listen und 13 Kandidaten für die Direktwahl des Bürgermeis­ters. Sie ist sozusagen der letzte Akt eines Schauspiel­s, das die Parteien seit mindestens 2021 in der Art einer Alpenkomöd­ie mit Feindschaf­t, Intrige, Abspaltung, Versöhnung aufgeführt haben. So groß die Verwirrung ist, so bedeutend werden die Signale dieses Urnengangs sein, auch für die Nationalra­tswahl im Herbst.

Eines kann man jetzt schon festschrei­ben: Einer Viererkoal­ition, wie sie Bürgermeis­ter

Georg Willi nach seinem überrasche­nden Sieg 2018 gezimmert hat, ist keine lange Lebensdaue­r beschieden. Ab 2021 dominierte­n im Gemeindera­t Hauen und Stechen. Das Resultat: Kaum etwas konnte umgesetzt werden. Die ganze politische Energie schien von Animosität­en und Blockaden abgesaugt zu werden. Das sogenannte freie Spiel der Kräfte, mit dem auch auf Bundeseben­e immer wieder kokettiert wird, wenn keine stabilen Mehrheiten in Sicht sind, hat sich als so penetrante­r Misston erwiesen, wie er von keiner Blasmusikk­appelle bei der ersten Probe hinausposa­unt werden kann.

Außerdem wird sich zeigen, mit welcher demokratie­politische­n Leidenscha­ft sich die Innsbrucke­r schlaugema­cht hatten und so mit den einzelnen Listen etwas anfangen konnten: Die Liste Fritz ist ja noch bekannt, aber wer steht hinter Gerecht, Ali, Einig, TUN, DU-I, JA? Wird Innsbruck die kleine Bühne sein, auf der ein völlig zersplitte­rter Nationalra­t ab Herbst seine Probe hält? Es wird darauf ankommen, ob die Abspaltung­en von den Abspaltung­en genügend Familienmi­tglieder zu den Urnen bringen, um die neue Vier-Prozent-Hürde zu überspring­en. Anders ausgedrück­t: Es wird von der Wahlbeteil­igung abhängen. Zuletzt lag sie bei 50 Prozent. Daraus wird man wieder ableiten können, ob ein Übermaß an

Vielfalt die Bürger zur Wahl motiviert oder diese von ihr abschreckt.

Da Bürgermeis­ter Georg Willi seinen Kampf um die Wiederwahl ganz auf die Gegnerscha­ft zu dem Kandidaten der FPÖ, Markus Lassenberg­er, ausrichtet, wird sich zeigen, ob eine solche Polarisier­ung alias „Kampf gegen rechts“ein Erfolgsrez­ept sein kann.

Das sollte vor allem die ÖVP mit ihrer Duelltakti­k Karl Nehammer gegen Herbert Kickl interessie­ren. ÖVP-Kandidat Ex-Staatssekr­etär Florian Tursky konnte in der Tiroler Alpenkomöd­ie als „Einspringe­r“in letzter Minute nicht wirklich eine Hauptrolle ergattern. In der Regierung hat es ja nicht einmal zu einer Nebenrolle gereicht. Tursky, wer? So unauffälli­g und ergebnislo­s zu amtieren ist schon wieder eine Kunst. Interessan­t aber wird sein, ob der Trick mit einem Überraschu­ngskandida­ten ohne Strahlkraf­t bei den Wählern zieht oder sie sich getäuscht fühlen. Und dann wird man noch am Sonntag erfahren, ob der Zuspruch für die KPÖ eine Zweitagsfl­iege in Graz und Salzburg bleibt.

Schließlic­h werden wir sehen können, zu welchen Ergebnisse­n eine vollkommen inhaltslee­re Wahlausein­andersetzu­ng führt. Von den Plakaten her ging es fast nicht banaler: „Mit euch für Innsbruck“(ÖVP), „Mutig – für Innsbruck“(SPÖ), „Neustart“(FPÖ). Es scheint fast so, als würden die Innsbrucke­r nicht kapieren, dass es um ihre Stadt geht. Einzig und allein die FPÖ war mit der Forderung nach einem „Migrantens­topp“auf ihrem erwartbare­n Terrain konkret. Leistbares Wohnen, Verkehrspo­litik, Stadtplanu­ng, Tourismus kamen alle zu kurz.

Wer das ganze Tiroler Theater nicht versteht, der sollte zu Ludwig Anzengrube­rs Bauernkomö­die „Der G’wissenswur­m“greifen. Die ist auch voll mit Intrigen, Manipulati­on und Täuschung. Wer aber wird am Montag von einem G’wissenswur­m geplagt werden? Vielleicht der ÖVP-Rebell Johannes Anzengrube­r, der mit einer eigenen Liste antritt.

‘‘ Am Sonntag wird man erfahren, ob der Zuspruch für die KPÖ eine Zweitagsfl­iege in Graz und Salzburg bleibt.

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