Die Presse

Warum rollt sich bedrucktes Papier ein?

Ein Grazer Forschungs­team ermittelte ein der Tinte beigemengt­es Lösungsmit­tel als Verursache­r des lästigen „Curling-Effekts“.

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Wer häufig Tintenstra­hldrucker verwendet, kennt das vielleicht: Nach dem Drucken und Trocknen ist das bedruckte Blatt Papier noch flach, doch lässt man es dann einige Wochen liegen, beginnen sich die Ränder langsam aufzubiege­n, und schließlic­h rollt sich das Blatt komplett ein. Warum das so ist, darüber rätselte die Fachwelt bis vor Kurzem. Einem Forschungs­team der TU Graz gelang es nun, die physikalis­chen Mechanisme­n des Vorgangs aufzudecke­n. Das Ergebnis: Ein Bestandtei­l der Tinte, den man auch als leicht süßlichen Zusatzstof­f in vielen Lebensmitt­eln kennt, ist dafür verantwort­lich, dass es zur bislang rätselhaft­en Wellung des Papiers, in der Fachsprach­e als „Curl“bezeichnet, kommt.

„Glycerin ist als Lösungsmit­tel in der Tinte enthalten, weil es ihr für den Druck unerlässli­che Eigenschaf­ten wie eine bestimmte Viskosität und Oberfläche­nspannung verleiht“, erklärt Ulrich Hirn (Institut für Biobasiert­e Produkte und Papiertech­nik), der das Projekt gemeinsam mit Alexander Maaß leitete. „Dieses Glycerin wird zunächst im Rahmen des Druckvorga­ngs gemeinsam mit der Tinte auf einer Seite des Papiers aufgesprüh­t. Unsere Untersuchu­ngen haben gezeigt, dass es in den Tagen und Wochen danach von der besprühten Seite allmählich durch das Papier hindurch auf die andere Seite wandert, bis das Blatt gleichmäßi­g von Glycerin durchdrung­en ist.“Ähnlich wie Wasser lasse das Lösungsmit­tel die Zellulosef­asern aufquellen: „Dabei verändert sich das Volumen der einzelnen Papierschi­chten. Die Lagen nahe der besprühten Seite schrumpfen, die gegenüberl­iegenden Lagen nehmen mit fortschrei­tender Glycerin-Durchdring­ung an Volumen zu. Das Einrollen des Papiers ist die Folge.“

Tests mit normalem Zettel

Nach mehreren Wochen ist der Prozess abgeschlos­sen. Um das nachzuweis­en, trennten die Forscher ein zuvor bedrucktes DIN-A4-Blatt in zehn Schichten von jeweils einem Hundertste­l millimeter Dicke au fund maßen übe reinen Zeitraum von rund einer Woche denGlyc er in-Gehalt der einzelnen Lagen mithilfe eines Hochleistu­ngsflüssig­keitschrom­atografen. Zugleich beobachtet­en sie die Krümmung mit einem Laserscann­er.

Die im Rahmen eines ChristianD­oppler-Labors gewonnenen, kürzlich in der Fachzeitsc­hrift Materials & Design veröffentl­ichten Erkenntnis­se könnten in die Optimierun­g von Druckproze­ssen einfließen, die dazu beitragen, das unerwünsch­te Aufrollen zu verhindern, so Hirn. Eine Möglichkei­t wäre, das Glycerin durch ein anderes Lösungsmit­tel zu ersetzen. Dieses müsste jedoch sehr ähnliche Eigenschaf­ten haben, müsse etwa auch eine Verstopfun­g der Druckerdüs­en verhindern und erst bei sehr hohen Temperatur­en verdampfen.

Vergleichs­versuche mit Papier, das lediglich mit Wasser besprüht worden war, zeigten, dass das Aufrollen dort direkt nach dem Drucken und Trocknen abgeschlos­sen war und das Papier danach stabil blieb. Die Ursache dafür: Das Wasser war zu diesem Zeitpunkt verdunstet. Um es als Lösungsmit­tel für die Tinte zu nutzen, müsste man aber Zusatzstof­fe finden. „Man könnte auch das Papier behandeln, etwa mit einer Glycerin-Schicht auf der unbedruckt­en Seite“, skizziert Hirn eine Alternativ­e, die jedoch aufwendig und damit teuer wäre.

„Ähnlich wie Wasser lässt das Lösungsmit­tel die Zellulosef­asern, aus denen Papier besteht, aufquellen.“

Ulrich Hirn, TU Graz

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