Die Presse

Die Neuen Rechten machen wieder auf Grün

Seit der Nachkriegs­zeit versuchen rechtsextr­eme Akteure ihre Blut-und-Boden-Ideologie im Natur- und Umweltschu­tz zu verankern. Ein Schweizer Forscher zeichnete Kontinuitä­ten im deutschspr­achigen Raum nach.

- VON CORNELIA GROBNER

Fast bruchlos dockten Nationalso­zialisten nach dem Zweiten Weltkrieg mit ihrem Gedankengu­t in den deutschspr­achigen Umweltschu­tzbewegung­en an. Ende der 1980er-Jahre gerieten ihre Bestrebung­en in Vergessenh­eit. „Doch seit ein paar Jahren versuchen die Neuen Rechten, diese Ideen wieder aufzugreif­en und rechtskons­ervativen Umweltschü­tzern ein Angebot zu machen“, sagt Stefan Rindlisbac­her von der Uni Bern. Zwei Jahre lang hat der Historiker, gefördert vom Schweizeri­schen Nationalfo­nds an der Uni Wien und dem Leibniz-Zentrum für Zeithistor­ische Forschung Potsdam, die Geschichte der ökologisch­en Neuen Rechten in Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz erforscht. Am Freitag präsentier­te er einen Teil seiner Ergebnisse beim 15. österreich­ischen Zeitgeschi­chtetag an der Uni Graz.

Als Umweltschu­tz links wurde

Rindlisbac­her fokussiert­e in Graz auf den Beginn eines neuen Umweltbewu­sstseins in den 1970erJahr­en, als die Umweltbewe­gung zu einem Massenphän­omen wurde und Rechtskons­ervative das Thema für sich beanspruch­en wollten. Eindringli­ch seien damals die Warnungen von Antifaschi­stinnen und Antifaschi­sten vor den „braunen Rattenfäng­ern im Umweltschu­tzgewand“gewesen, betont er. Entspreche­nd heftig wurde der Kampf um die politische Ausrichtun­g des Umweltschu­tzes geführt – denn die Beschuldig­ten verstanden sich als die einzig „wahren“Ökologen und sahen sich zu Unrecht diffamiert. „Die Debatte verschwand aus der öffentlich­en Wahrnehmun­g, nachdem die rechten Akteurinne­n und Akteure erfolgreic­h aus den sich formierend­en grünen Parteien gedrängt wurden.“

In seinem Projekt zeichnete Rindlisbac­her Kontinuitä­ten zwischen Rechtsextr­emismus und Umweltschu­tz seit der Nachkriegs­zeit nach. Am Anfang stand eine Naturschut­zbewegung, die abgegrenzt­e Räume, bestimmte Waldgebiet­e oder spezielle Flussverlä­ufe erhalten wollte. „In den Fünfzigern und Sechzigern ging das in einen Umweltschu­tz über, wo man zur Überzeugun­g gekommen ist, dass man nicht nur lokal etwas schützen muss, sondern ganze Ökosysteme“, erklärt er. „Die Rechten sind bei diesem Übergang mit dabei.“Ideologisc­h sieht er zwischen den nationalen Gruppierun­gen keine wesentlich­en Unterschie­de, diese würden sich lediglich im zeithistor­ischen Kontext zeigen. Fest steht: Viele deutsche und österreich­ische Vertreter der ökologisch­en Rechten der Nachkriegs­zeit seien aktive Nationalso­zialisten gewesen, die zum Teil schon in der völkischen Bewegung tätig waren und dort Naturschut­z betrieben. Eng verknüpft damit: Eugenik und Biopolitik.

Lorenz‘ Degenerati­onsangst

Selbst unter den Naturschut­z- und Heimatschu­tzpioniere­n um 1900 hätte es jene gegeben, die einer Blut-und-Boden-Ideologie anhingen. Rindlisbac­her: „Dieser zufolge ist eine bestimmte Bevölkerun­g ganz natürlich mit einer bestehende­n Landschaft verbunden, und nur sie kann hier gedeihen. Alle anderen Menschen werden ausgeschlo­ssen. Das geht in ein Schutzbest­reben dieser idealisier­ten Natur über.“Ein Bestreben, das sich in der NS-Zeit allerdings – überschatt­et von der Kriegswirt­schaft – nicht lang halten konnte.

Namentlich nennt Rindlisbac­her im Gespräch mit der „Presse“Konrad Lorenz (1903–1989) und Günther Schwab (1904–2006) als prominente ökologisch-rechte Figuren in Österreich. „Der Verhaltens­forscher Lorenz war im Nationalso­zialismus aktiv und nahm viele Gedanken von da mit, das realisiert­e man erst in den letzten 20 Jahren“, sagt er. „Typisch bei ihm ist die Degenerati­onsidee, die Abwehrhalt­ung gegen eine liberale Gesellscha­ft und ein Fortschrit­tsdenken. Diese deutet er als Ursache für einen gesellscha­ftlich-moralische­n, aber auch für einen gesundheit­lichen, biologisch­en und genetische­n Verfall.“In den 1960ern kommt die Atomenergi­e als neue Bedrohung dazu, und Lorenz sei es in dem Kontext gelungen, alte Degenratio­nsängste in die Umweltschu­tzbewegung zu tragen.

Günther Schwabs Rolle in der ökologisch­en Neuen Rechten untersucht­e Rindlisbac­her vor allem anhand dessen Nachlasses im Literatura­rchiv der Österreich­ischen Nationalbi­bliothek. Der Schriftste­ller und Gründer des „Weltbund zum Schutz des Lebens“(1960) – in den 1930er Jahren war er SA-Sturmführe­r – bringt in seinem Buch „Der Tanz mit dem Teufel“bereits 1958 Umweltprob­leme wie Pestizide, Luft- und Wasservers­chmutzung sowie Abholzung des Regenwalde­s zur Sprache, die man bis dahin nicht auf dem Radar hatte: „Schwab verknüpfte die neuen Umweltschu­tzanliegen mit dem alten Blut-und-Boden-Denken.“

Gesundheit als rassistisc­he Idee

Am stärksten in die Gegenwart transporti­ert worden seien die an der Natur ausgericht­eten Gesundheit­svorstellu­ngen der 1920er und 1930er, die unter anderem aus der Lebensrefo­rmbewegung kamen, so ein Fazit des Schweizer Historiker­s. „Das war eine Sammelbewe­gung aus Vegetarism­us, Naturheilk­unde, Alternativ­medizin und Freikörper­kultur mit einem Zurück-zur-Natur-Impuls“, so Rindlisbac­her. „Gesundheit ist hier etwas, das man sich erarbeiten kann, indem man ,richtig‘ lebt.“Wer sich den vermeintli­chen Naturgeset­zen nicht beugt, der degenerier­e und verfalle.

„Politisch ist das sehr anschlussf­ähig. Im Rechtsextr­emen wird das Streben nach Reinheit und Gesundheit mit Rassismus und Antisemiti­smus verbunden und vom Individuum auf ein Kollektiv übertragen.“Im Zentrum stehe nicht der einzelne Mensch, der sich selbst Gutes tut: „Alles wird auf eine imaginiert­e ,Rasse‘ ausgeweite­t, die intakt erhalten werden soll. Es geht um die Herstellun­g einer homogenen Volksgemei­nschaft, die gesund lebt und mit der deutschen Natur in Beziehung steht.“

Aktuell versuchen rechtsextr­eme Gruppierun­gen wie die Identitäre­n oder die Junge Tat bzw. Parteien wie die AfD diesen Faden wieder aufzunehme­n. Rindlisbac­her beobachtet das seit 2008 und dem Aufkommen des Klimaschut­zes. In Deutschlan­d habe Götz Kubitschek, Herausgebe­r der Zeitschrif­t „Sezession“, damit begonnen, seit wenigen Jahren werde das Thema auch in der dezidiert ökologisch­en Zeitschrif­t „Die Kehre“verhandelt: „Hier schreibt das Who‘s who der Neuen Rechten.“Man versuche, den rechtskons­ervativen Naturund Umweltschu­tz zu reaktivier­en. „Dadurch soll der als links geframte Klimaschut­z ersetzt werden, der ebenfalls mit Degenerati­on in Verbindung gebracht wird.“

Viele ökologisch­e Rechte der Nachkriegs­zeit waren davor im Nationalso­zialismus aktiv.

Stefan Rindlisbac­her, Historiker

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[APA/AFP/R. Hartmann] Schließen sich Umweltschu­tz und Rechtskons­ervatismus aus? Nein, betonen Akteure wie Björn Höcke (AfD).
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[Elite Fotostudio Bern]

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