Kommt nach dem Sommermonsun die große Dürre?
Im Nordosten Indiens liegen die regenreichsten Regionen der Welt. Wie die Niederschläge hier den Monsun und Trockenperioden in Zentralindien beeinflussen, wird am Ista in Klosterneuburg erforscht.
Der Frühling sei in seiner Heimatregion eine sehr festliche Jahreszeit, sagt der gebürtige Inder Bidyut Bikash Goswami. „Alles erblüht, die neuen Blätter leuchten in wunderschönen Grüntönen.“Doch als Kind habe er sich während der hier schon vor dem Monsun einsetzenden saisonalen Regenfälle oft gelangweilt, weil sie das Spielen einschränkten, fügt der Klimaforscher lachend hinzu. Für Langeweile sorgen die prägenden Wetterphänomene seiner Kindheit heute längst nicht mehr: Versucht er doch mittlerweile am Institute for Science and Technology Austria (Ista) in Klosterneuburg
(NÖ), mehr über Einflussfaktoren in der tropischen Meteorologie herauszufinden.
Goswami ist im Bundesstaat Assam im Nordosten Indiens aufgewachsen, der bekannt ist für seine riesigen Teefelder. „Es regnet hier wirklich sehr viel“, betont er. Die Feststellung ist angesichts der Niederschlagszahlen fast eine Untertreibung: Mit dem benachbarten Meghalaya gehört Assam zu den regenreichsten Regionen der Erde. Das Problem: Der Regen fließt größtenteils oberirdisch ab, was im angrenzenden Bangladesch regelmäßig zu Flutkatastrophen führt. „April und Mai sind in Indien normalerweise sehr heiße Monate, nur im Osten regnet es zu dieser Zeit vor Start des Monsuns bereits“, betont der Ista-Wissenschaftler, der u. a. bereits in Kanada und Südkorea geforscht hat. „Wir haben dunkle Wolken, manchmal hagelt es, sehr häufig hört man Donnerschläge. Der Regen fällt in großen Tropfen vom Himmel, aber er kann auch weniger intensiv sein und lang andauern.“Im Juni oder Juli setzt schließlich der Monsunregen ein, der für alle Menschen im Land eine Art „Lebensader“sei. Goswami: „Achtzig Prozent des jährlichen Niederschlags kommen in dieser Jahreszeit. Jeder ist vom Regen abhängig, weil unsere Wirtschaft landwirtschaftbasiert ist.“
Falsches Alarmsignal für Prognosen
Der indische Monsun ist der weltweit größte Monsun und wirkt bis in die oberen Schichten der Troposphäre. Er erstreckt sich über den ganzen Subkontinent südlich des Himalaya und ist verbunden mit einer Reihe weiterer großräumiger Luftzirkulationen im indischen Ozean. Der Sommermonsun, ein Südwestwind, der bis September oder Oktober dauert, bringt eine hohe Luftfeuchtigkeit mit sich, weshalb er starken Einfluss auf das Klima hat. Dieses ist charakterisiert von ausgeprägten Niederschlägen in kurzen Intervallen, manchmal bis zu dreimal am Tag. Besonders regenreich ist der Monsun dort, wo Gebirge als Hindernisse in die Höhe ragen.
Der Regen ist aber nur eine Seite der Medaille, fällt er im Sommer gering aus, kann eine Dürre folgen. Dazu kommt: In den vergangenen fünfzig, sechzig Jahren haben die Monsun-Niederschlagsmengen im Landesschnitt abgenommen, auch wenn die regionalen Ausprägungen der Regenfälle sehr unterschiedlich sein können. Prognosen über die Intensität der kommenden Niederschläge sind von entsprechend großer Bedeutung. Sie verlässlich zu treffen ist ein komplexes Unterfangen, und nicht immer stellen sie sich als richtig heraus. Goswami hat nun ein Signal für falschen Dürre-Alarm beobachtet
‘‘ In Indien fallen 80 Prozent des Jahresniederschlags während des Monsuns im Sommer. Bidyut Bikash Goswami, Physiker und Meteorologe
(Geophysical Research Letters). Generell gilt: Ein Monsun wird durch die ungleichmäßige Erwärmung der Oberflächen von Kontinenten und Ozeanen hervorgerufen. Über dem Indischen Ozean herrscht im Vergleich zum Hitzetief über Innerasien ein höherer Luftdruck. Die Luftmassen werden am Küstengebirge zum Aufsteigen gezwungen und kühlen ab. Es kommt zu Wolkenbildung und Regen. Der Wind drückt die Luft weiter nach Norden, wo sie am Himalaya neuerlich in die Höhe getrieben wird. Im Gegensatz dazu liefert der Wintermonsun kalte Nordluft, was eine Trockenzeit bringt, weil sich absinkende Luft erwärmt.
„Die Regenfälle während des Monsuns treten nicht gleichmäßig auf, sondern es wechseln sich Perioden ab, die intensiver und weniger intensiv sind“, so Goswami. „Auch wenn die Niederschläge chaotisch wirken, steht ein System dahinter.“Histo
risch gesehen sind Dürren in Zentralindien mit anomalen Schwankungen der Meeresoberflächentemperatur im Pazifik verbunden. Zum einen ist da „El Niño/Südliche Oszillation“ – ein Zirkulationssystem von Atmosphäre und Meeresströmung, das die Wettermuster v. a. auf der Südhalbkugel beeinflusst. Der Monsun-Niederschlag erhöht sich in den alle zwei bis sieben Jahren stattfindenden El-Niño-Jahren bzw. positiven Phasen. Zum anderen ändert sich die Oberflächentemperatur des Ozeans alle zwanzig bis dreißig Jahre abrupt (Pazifische DekadenOszillation). Weisen beide Phänomene eine gemeinsame positive, sprich warme Phase auf, deutet das auf einen Dürre-Monsun hin.
Allerdings nicht zwangsläufig, wie Goswami zeigen konnte: Denn auch die Regenfälle vor dem Monsun über dem Nordosten Indiens seien entscheidend für die Zuverlässigkeit dieses pazifischen Signals. „Wenn in den 118 Jahren der analysierten Daten die Niederschläge vor dem Monsun im Nordosten Indiens über dem Normalwert liegen, besteht eine 80-prozentige Chance, dass der folgende Monsun über Zentralindien keine Dürre sein wird“, erklärt er. Dies sei eine wichtige Erkenntnis für die Politik bei der Vorbereitung auf extreme Trockenheit.
Extreme Regenfälle nehmen zu
„Früher war das alles Physik für mich“, sagt Goswami, der ein Aha-Erlebnis hatte, als er nach Westindien zog, wo er später am Indian Institute of Tropical Meteorology promovierte. „Hier erlebte ich ein ganz anderes Klima als zu Hause in Assam, im Frühling war es tagsüber sehr heiß, abends sehr kalt. Außerdem gab es zwar Regenfälle, aber keine Gewitter.“Gleichzeitigt ließ ihn das Klima in seiner Heimatregion nicht los: „Ich war Teil einer Gruppe, die zu schweren Gewittern und intensiven Regenfällen dort forschte. So kam ich zur Meteorologie.“Auf der Suche nach Erklärungen landete er schließlich bei den Oberflächentemperaturen der Meere. Aktuell interessiert den Klimawissenschaftler, was passiert, wenn sich die Atmosphäre durch eine Zunahme der Regenfälle vor dem Monsun – entsprechend physikalischer Gesetze – mehr aufwärmt (latente Wärme).
Erst kürzlich berechnete die Klima- und Datenwissenschaftlerin Caroline Muller, in deren Gruppe Goswami am Ista forscht, mit ihrem Kollegen Jiawei Bao, dass genau dieses Szenario bevorsteht (Science Advances): „Bei steigenden Temperaturen kommt es zu mehr extremen Regenfällen in den Tropen, weil sich Wolken dann zunehmend zusammenrotten.“Andernorts fehle dieses Wasser hingegen. Simulieren lassen sich diese zufälligen Hitzequellen jedoch schwer, auch das macht die kleinskaligen Prozesse zu einer Herausforderung für Klimamodelle. Dabei sind Wolken der größte Unsicherheitsfaktor darin. „Weil sie Niederschläge bringen, haben sie große gesellschaftliche Auswirkungen“, erklärt Muller, warum es besonders wichtig sei, sie in den Modellen zu integrieren.
In einem gemeinsamen Projekt wollen sie und Goswami sich jetzt jene Wolkencluster anschauen, die sich über dem Indischen Ozean formen: „Wir wollen verstehen, warum sie sich verändern, während sie die Inseln und Halbinseln Südostasiens passieren.“
‘‘ In einer wärmeren Welt verändern sich die Stürme, weil sich die Wolken mehr zusammenrotten.
Caroline Muller, Klimawissenschaftlerin