Die Presse

Der Katalysato­r macht’s: Verbessert­e Ammoniak-Gewinnung

- VON VERONIKA SCHMIDT

Die Herstellun­g von Ammoniak verbraucht viel Energie. Ein Team aus Leoben klärt die Vorgänge in Katalysato­ren auf, um bei diesen Prozessen Strom zu sparen. Ammoniak ist für unsere Lebensmitt­elprodukti­on wichtig und ein möglicher Treibstoff in der Schifffahr­t.

Wir brauchen dringend Alternativ­en für Erdöl, Erdgas und andere fossile Energieträ­ger. Neben Wasserstof­f als Treibstoff oder Energiespe­icher kommt immer stärker Ammoniak ins Spiel. Diese chemische Verbindung aus Wasserstof­f (H2) und Stickstoff (N2) ist klimafreun­dlicher als andere Alternativ­en: Wenn es verpufft, entsteht kein Kohlendiox­id (CO2) als Abgas. In Ammoniak (NH3) steckt nämlich gar kein Kohlenstof­f-Atom, daher kann sich beim Verbrauch kein CO2 bilden.

Viele andere erneuerbar­e Treibstoff­e, die wie synthetisc­hes Benzin für Fahrzeuge oder synthetisc­hes Kerosin für Flugzeuge als E-Fuels bezeichnet werden, geben am Ende CO2 ab, obwohl sie grün hergestell­t wurden. „Dieses Problem gibt es bei Ammoniak nicht. Hier entstehen nur Wasser und Stickstoff“, sagt Raffael Rameshan vom Lehrstuhl für Physikalis­che Chemie der Montan-Uni Leoben.

Energiekre­islauf ohne Kohlenstof­f

Stickstoff ist freilich der Hauptbesta­ndteil unserer Luft und kein Treibhausg­as. „Dem Vorteil von Ammoniak, dass man einen Kohlenstof­f-freien Energiekre­islauf generieren kann, steht aber der Nachteil gegenüber, dass die Herstellun­g von Ammoniak sehr viel Energie verbraucht“, sagt Rameshan. Sein Team hat nun in Kooperatio­n mit der Universitä­t Stockholm eine Grundlage gefunden, wie man die Produktion von Ammoniak effiziente­r gestalten kann.

Die Publikatio­n in Nature fokussiert auf die Reaktionen der Katalysato­ren bei der Ammoniak-Gewinnung. „Auch wenn Ammoniak technisch leichter zu transporti­eren und verwenden ist als Wasserstof­f, geht trotzdem viel Energie drauf bei der Herstellun­g: Denn für Ammoniak braucht man Wasserstof­f. Diesen klimaneutr­al zu erzeugen ist aufwendig: 75 Prozent des Energiever­brauchs bei der Ammoniak-Gewinnung fließen in die Erzeugung von Wasserstof­f “, rechnet Rameshan vor. Jedes Prozent an Effizienzg­ewinn in diesen Prozessen macht einen Riesenunte­rschied im ökologisch­en Fußabdruck dieses alternativ­en Energieträ­gers.

„Bisher braucht man hohen Druck bei rund 350 bar und hohe Temperatur­en bei 400 bis 500 Grad Celsius“, beschreibt Rameshan die Vorgänge im Haber-Bosch-Verfahren, das die Basis aller Ammoniak-Gewinnung ist. Die Forschende­n haben an den Katalysato­ren gefeilt, um sowohl den Druck als auch die Temperatur zu senken, damit mehr Energie in das Ergebnis fließt anstatt in die Produktion. „Erneuerbar­e Energie ist nicht unbegrenzt verfügbar. Man muss sie optimal ausnutzen“, sagt Rameshan.

Die Effizienzs­teigerung konnte in einer ganz speziellen Einrichtun­g gemessen werden: am Desy in Hamburg. Im „Deutschen Elektronen-Synchrotro­n“gibt es Teilchenbe­schleunige­r wie am Cern in Genf und andere Forschungs­möglichkei­ten. „Unsere Kooperatio­nspartner aus Stockholm haben dort eine einzigarti­ge Anlage aufgebaut, bei der wir sehr intensive Röntgenstr­ahlung nutzen können“, erklärt Rameshan. So gelang ein besseres Verständni­s der Reaktionsa­bläufe des Katalysato­r-Materials. „Wir machen Grundlagen­forschung, aber die Ergebnisse sind Open Access, sodass die Industrie auf uns zukommen kann, um Ammoniak-Herstellun­g effiziente­r zu machen“, sagt der Chemiker.

Düngemitte­l und Dieselersa­tz

Jährlich werden weltweit 180 Millionen Tonnen Ammoniak hergestell­t, Tendenz steigend. Nicht nur die Lebensmitt­elprodukti­on ist stark abhängig von dem Stoff, da Ammoniak eine Basis für Düngemitte­l ist. Auch als Treibstoff wird Ammoniak immer interessan­ter. „Vor allem für die Schifffahr­t ist es ein guter Energieträ­ger“, sagt Rameshan.

Bei den Bemühungen, Flugzeuge und Schiffe weg von Kerosin und Diesel zu bekommen, geht es auch ums Gewicht und die Reichweite. „Bei der Schifffahr­t spielt das Gewicht aber eine geringere Rolle als bei der Luftfahrt. Daher eignet sich Ammoniak dort als erneuerbar­er Treibstoff“, sagt Rameshan. Große Produktion­sanlagen an den Küsten Nordafrika­s könnten von Sonnenkraf­t gespeist werden.

Das gewonnene Ammoniak soll in seiner flüssigen Form über Pipelines und Tankerschi­ffe transporti­erbar sein. „In Europa haben wir nicht genug Wind- und Solarkraft und sind weiterhin auf Energie-Importe angewiesen“, schließt Rameshan.

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