Die Presse

Der Gott der Landminen

- Yusef Komunyakaa

Er sitzt auf einem königliche­n

Purpurkiss­en

Gleich einem titanische­n Ei. Hunde

winseln

& kriechen auf allen Vieren durch

den Dreck,

Wühlt nur eine Brise seinen süßen

Duft auf.

Er sieht aus wie ein beinloser, armloser Humpty-Dumpty, & zeigte jemand

ein Foto

Von einem Amputierte­n vorm

Kaiserpala­st

In Hue, würde er nie auch bloß blinzeln.

Wenn er Türen denkt, schwingen sie auf. Wenn am Horizont Staub aufwirbelt,

Ist sein Gesicht mundloses Lächeln. Er kann nicht anders, er liebt Stahl.

Er ist oval & glatt wie eine

Wassermelo­ne.

Die Verträge kommen bereits

unterschri­eben.

Unlängst fühlt er sich wie Samen

unter Glas,

Die anschwelle­n, weil ihnen etwas fehlt.

The God of Land Mines

He sits on a royal purple cushion

Like a titanic egg. Dogs whimper

& drag themselves on all fours

through dirt

When a breeze stirs his sweet perfume.

He looks like a legless, armless Humpty-Dumpty, & if someone waves A photo of an amputee outside the

Imperial

Palace in Hue, he’d never blink.

When he thinks doors, they swing open. When dust gushes on the horizon

His face is a mouthless smile.

He can’t stop loving steel.

He’s oblong & smooth as a watermelon. The contracts arrive already signed. Lately, he feels like seeds in a jar, Swollen with something missing.

Edelmetall­e

Nach dem MRT & Roboter, gefertigt aus Edelmetall­en, rief ein ketzerisch­er Vermittler alle Tautologie­n & bat umsonst den Planeten um Vergebung. Ich kam zu dir & sagte: Bitte sieh mir in die Augen & klopf auf mein Herz, bis gut wird alles, womit ich je falsch lag, alles, was man mir je antat in dem Land von Schrumpel -apfel & Geißblatt. Ich möchte spielen mit jedwedem Grashalm & fast reifen Pfläumlein, das letzte Grüßen aus dem Zweifel saugen & auf eine Tanzbühne klettern. Hab stille Sommer überdauert, blutig gepeitscht & freigekauf­t. Nur lass uns Riesenrad fahren, bis es Tag wird, nackt ein Kuss. Gut, willst du mir an der Fassade kratzen oder musst mir die Knochen brechen, um Mitleid mit mir zu haben, dann an die Arbeit, & mach mich heil, wie ein Deltablues den Nachthimme­l heil macht überm schlammige­n Fluss.

Yusef Komunyakaa, geboren 1947 in Bogalusa, Louisiana, unterricht­et Creative Writing an der New York University. Während des Vietnamkri­egs war er als Kriegsberi­chterstatt­er tätig. Die Gedichte stammen aus dem zweisprach­igen Band „Der Gott der Landminen“(Edition Lyrik Kabinett, © 2024 Carl Hanser Verlag). Mirko Bonné hat sie aus dem amerikanis­chen Englisch übersetzt.

Hörtipp: Bettina Eibel-Steiner und Anne-Catherine Simon hätten den Debütroman der von Tiktok bekannten österreich­ischen Satirikeri­n Toxische Pommes fast wieder weggelegt. Aber dann … Überall, wo es Podcasts gibt, und hier: diepresse.com/podcast

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