Was zieht mehr an? Der Duft, das Licht, die Kunst?
Kleiner Aroma-Trip durch die Provence. Der Frühling riecht nach Orangenblüten und Jasmin.
An die 250.000 verschiedene Duftmoleküle existieren auf unserem Planeten, erzählt Diane, unser Guide, auf dem Weg durch Grasse. Ein kleiner Teil davon wird in der Parfumherstellung genutzt. Zur Orientierung: Ein Parfumhaus wie das von Fragonard arbeite laut Diane mit 850 Düften für seine Kreationen. Zentrum der feinen Aromen ist und bleibt Grasse, das in den Hügeln nördlich von Cannes an der französischen Riviera liegt. Die 53.000 Einwohner große, entzückende provenzalische Stadt im Hinterland der Côte d’Azur bestreitet immerhin zehn Prozent des weltweiten Umsatzes der Parfumindustrie.
Steht man neben der Kathedrale am höchsten Punkt von Grasse (350 m) hat man die beste Aussicht auf die terrassenförmig angelegten Jasminfelder rundherum. Hunderttausende weiße Blüten leuchten einem entgegen und erfüllen die Luft mit betörendem Duft. Auch Narzissen, Orangenblüten und Rosen, Lavendel, Myrte und Mimosen werden hier angebaut und geerntet. Der gesamte Produktionsvorgang, vom Anbau der Pflanzen bis hin zur Destillation der Duftstoffe, geschieht in Grasse.
Tag und Nacht pflücken
Pierre Chiarla zeigt Besuchern gern seine Felder und erklärt die mühsame Arbeit. Für ein Kilogramm müssen rund 10.000 Jasminblüten handgezupft werden, dafür gibt es aber nur rund hundert Euro. Er liefert den Großteil seiner Blüten an private Parfümeure. Für den Duft, die diese aus den Blüten extrahieren oder gewinnen, ist die Tageszeit des Zupfens nicht unerheblich. Während Jasmin zwischen fünf und 17 Uhr gepflückt wird, ist das Aroma der Tuberose um acht Uhr abends am stärksten, daher sollte sie in der Nacht geerntet werden.
Wie sehr die Landwirte vom Wetter abhängig sind, zeigte sich in den vergangenen Jahren verstärkt. Während 2021 noch elf Kilo Jasminblüten pro Tag gesammelt werden konnten, waren es im Jahr darauf nur fünf bis neun Kilo. Nach der Hitzewelle konnten die Pflanzen kein Wasser aufnehmen und blieben zu trocken, was sich sehr negativ auf das Gewicht auswirkte.
Napoleon und sein Duft
Urlaub in Grasse kann man eigentlich nie zur falschen Zeit machen. Es blüht immer etwas. Veilchenblätter werden im März, Orangenblüten im Mai und im Winter, Jasmin im Oktober und Rosen im Juni geerntet. Es herrscht die volle Blütenpracht.
In der Stadt befinden sich auch zwei der drei Parfumschulen, die in Frankreich für die Ausbildung zum Parfümeur verantwortlich zeichnen. Wer sich wundert, was man da denn lehrt und lernt: In einem
Workshop in der Maison Fragonard Parfum erfährt man es. Hier erlebt man beim eigenen Mischen mit nur neun Duftwässerchen, wie schwer es ist, ein Parfum zu kreieren, das nicht nach Orangensaft oder gar Toilettenspray riecht.
Als Abschluss darf man das Musée International de la Parfumerie im Stadtzentrum nicht versäumen. Hier erfährt man alles über die Extraktion von Blüten, die Geschichte und Entwicklung der Flacons und Anekdoten aus der Historie. Beispiel gefällig? Napoleon verbrauchte pro Monat bis zu 60 Liter Kölnisch Wasser – er leerte es sogar in seine Stiefel.
Die Côte d’Azur und ihr direktes Hinterland sind ein Ort der Kunst, Pablo Picasso, Marc Chagall oder Fernand Léger suchten hier das Licht, die Luft. Im Schloss von Vallauris zeigt das Pablo-Picasso-Museum an den Wänden der romanischen Kapelle die beiden Fresken „La Guerre et la Paix“und „Les Quatre Parties du Monde“. Im Gebäude befindet sich auch ein umfangreiches Keramikmuseum mit Picassos Werken. Er hatte Vallauris 1946 entdeckt, lernte den Eigentümer der Keramikwerkstätte kennen und arbeitete von da an mit ihm zusammen. Noch heute versammeln sich etliche Keramikateliers rund um den Marktplatz.
Und Vallauris ist ebenfalls umgeben von Blütenfeldern. Mittendrin befindet sich das „Nérolium“, eine Coopérative Agricole, wo vieles aus Öl der Bitterorangenblüten hergestellt wird. Seit 2018 ist die Orangenblüte Weltkulturerbe. Eine Tonne davon braucht es für die Herstellung von nur einem Liter Öl.
Zu Léger nach Biot
Kommt man in die Gemeinde Biot, hat das unter anderem einen Grund: Hier befindet sich das eindrucksvolle Museum des berühmten Malers, Bildhauers und Grafikers Fernand Léger. Drinnen warten mehr als 450 Gemälde – die größte Sammlung seiner Arbeiten weltweit. Draußen im großen mediterranen Garten stehen weitere Werke des Kubisten. Schon die Fassade beeindruckt mit einem monumentalen Mosaik einer halb gegenständlichen Landschaft, Figuren und den typischen Farben.
Die kleine Stadt Biot soll man freilich nicht links liegen lassen. Etwa vier Kilometer vom Meer entfernt, tut sich zwischen zwei Toren aus dem 16. Jahrhundert ein Labyrinth aus Gassen, Wehrgängen und gepflasterten Eselssteigen auf, in dem es eine Herausforderung ist, wieder zum Ausgangspunkt zurückzufinden. Biot ist vor allem durch seine kunstvollen Keramikund mundgeblasenen Glaskreationen bekannt.
Vasen leuchten im Dunkeln
Einen besonderen Anziehungspunkt stellt daher die Glasmanufaktur dar. Hier kann man den Künstlern live zuschauen und mit den Glasbläserpfeifen unter Anleitung und Hilfe der Profis selbst ein
Kunstwerk aus Sand und Feuer zaubern. In der berühmten Manufaktur bauen die Glasbläser seit mehr als 50 Jahren kunstvolle Luftbläschen in Vasen, Gläser oder Lampenschirme ein. Und manche der Ausstellungsstücke können sogar noch mehr – sie leuchten im Dunkeln.