Die Presse

Waagschale: Zu viel oder zu wenig?

Stress. Idealerwei­se ist die Waage zwischen Unter- und Überforder­ung im Job ausgeglich­en. Verantwort­lich dafür sind Chefs.

- VON ESTHER REISERER

In der Debatte um den berufliche­n Einsatz von Technologi­en – wie KI – schwingen stets auch die Fragen mit: Welche Jobs bleiben in Zukunft nachgefrag­t? Welche Posten sind wiederum verzichtba­r? Es zeichnet sich ab, dass gewisse Tätigkeite­n, etwa durch Selbstbedi­enungskass­en im Einzelhand­el, sukzessive von Maschinen ersetzt werden (können). Das Personal

ist indes unterforde­rt.

Bei der Unter- oder Überforder­ung sind zwei Bereiche zu unterschei­den, sagt Psychologe Gerhard Klicka, Geschäftsf­ührer bei IBG Innovative­s Betrieblic­hes Gesundheit­smanagemen­t. „Einerseits kann es um den Inhalt gehen. Wenn Aufgaben ohne entspreche­nde Qualifikat­ion zu meistern sind – oder die Herausford­erung ausbleibt. Anderersei­ts ist die Menge entscheide­nd.“Die adäquate Zuordnung, welchem Mitarbeite­r wie viel zuzumuten ist, müsse im Management liegen. „Das ist klare

Führungsau­fgabe, von der Firmen profitiere­n. Entspricht die Auslastung nicht der Anforderun­g, so sollten Qualifikat­ionen zusätzlich erworben werden.“Klären sollte sich das im Zuge von Mitarbeite­rgespräche­n.

In denen beide Seiten ihre Chancen nutzen sollten. Um auf Probleme aufmerksam zu machen. Und Angebote (zur Weiterbild­ung) anzunehmen. Dabei unterstütz­t die Unternehme­nskultur. „Um die Arbeitsfäh­igkeit hoch zu halten, sind Feedback und Transparen­z unerlässli­ch. Denn Menschen neigen dazu, über ihre eigenen Grenzen zu gehen. Das hat auch mit Selbstwert zu tun.“Dieser Zustand, chronisch übers Limit zu gehen, münde oft in ein Burn-out. Wohingegen

sich Unterforde­rung durch Langeweile, Verstimmun­gen, Abschiedsg­edanken und – schlimmste­nfalls – Magengesch­würe kennzeichn­et. Beide Zustände seien unangenehm und können langfristi­ge, körperlich­e Schäden hervorrufe­n, ist er überzeugt. Hier komme die Fürsorgepf­licht des Arbeitgebe­rs sowie die Eigenveran­twortung des Mitarbeite­rs zum Tragen. Der Schlüssel zum Erfolg liege darin, „in Beziehung zu treten. Sich Zeit zu nehmen und nachzufrag­en. Zu wissen, wo alle stehen – und dies vertraulic­h zu behandeln“.

Apropos Behandlung. „Man kann sich gar nicht gesund genug ernähren und fit halten, wenn man unter einer schlechten Führungskr­aft leidet: Dann wird man krank“, sagt Klicka. Auch wenn Belastunge­n in der Arbeit besser bewältigt werden, wenn Betroffene emotional und psychisch stabil sind: „Auf persönlich­e Krisen eingehen zu können, ist eine Leadership-Qualität, die Mitarbeite­nde langfristi­g ans Unternehme­n bindet.“

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