Die Presse

Tiefschlag für die ÖVP in Innsbruck

Bürgermeis­terwahl. ÖVP-Abspaltung Liste „JA“überrasche­nd stark, klare Niederlage für ÖVP-Kandidat Tursky.

- VON MARTIN FRITZL

Die Geimeinder­ats- und Bürgermeis­terwahl in Innsbruck brachte eine Überraschu­ng: Bei Redaktions­schluss dieser Ausgabe lag zwar noch kein Auszählung­sergebnis vor, nach „Presse“-Informatio­nen entwickelt­e sich aber ein Dreikampf: Wie erwartet lagen Bürgermeis­ter Georg Willi und sein freiheitli­cher Herausford­erer Markus Lassenberg­er Kopf an Kopf, der Dritte im Bunde war aber nicht die ÖVP und ihr Spitzenkan­didat Florian Tursky, sondern die Parteiabsp­altung der Liste „JA“des früheren ÖVP-Vizebürger­meisters Johannes Anzengrube­r – wobei noch nicht klar war, wer es tatsächlic­h in die Stichwahl schafft.

Der große Verlierer der Innsbruck-Wahl steht damit aber fest: Die ÖVP hatte mit großem Aufwand Tursky in Stellung gebracht, um die Tiroler Landeshaup­tstadt zurückzuer­obern. Der frühere Staatssekr­etär für Digitalisi­erung sollte die Partei einen und mit hohem finanziell­en Aufwand wieder Platz eins für die Volksparte­i holen. Dafür hatte sich die Partei einen ihrer Hoffnungst­räger ausgesucht : Tursky galt schon in seiner Zeit als Büroleiter des früheren Landeshaup­tmanns Günther Platter als dessen möglicher Nachfolger.

Karrierend­elle

Diese Karriere hat jetzt eine gehörige Delle bekommen. Das liegt auch daran, dass die Hauptaufga­be, die Partei zu einigen, schiefging. Zwar fusioniert­e die ÖVP wieder mit der Liste „Für Innsbruck“, die lange Zeit die Bürgermeis­terin gestellt hatte, doch Anzengrube­r fühlte sich übergangen und gründete seine eigene Liste. Schon im Vorfeld war klar gewesen, dass der Gastronom hohe Beliebthei­tswerte in der Stadt hat.

So spannend wie die Auszählung war auch der gesamte Wahlkampf. Die Politiklan­dschaft in Innsbruck ist so zersplitte­rt wie sonst nirgends: 13 Listen waren angetreten, 13 Kandidaten wollten Bürgermeis­ter werden. Neben den etablierte­n Parteien gab es auch jeweils Listen, die diesen Parteien nahe stehen oder sich von ihnen abgespalte­n haben. Nicht nur Anzengrube­r hat es mit einer eigenen Partei versucht, auch der frühere SPÖ-Fraktionsf­ührer hat es – mit weniger Erfolg – mit einer eigenen Liste versucht. Und selbst die FPÖ ist mit einer Splitterpa­rtei mit ähnlichem Profil konfrontie­rt.

Suboptimal­e Amtszeit

Viele Fragen stellten sich vor dieser Wahl. Kann sich der Grüne Georg Willi trotz nicht optimal verlaufene­r Amtszeit als Bürgermeis­ter der Landeshaup­tstadt halten? Wird die FPÖ erstmals Nummer eins in Innsbruck? Kann Tursky den Negativtre­nd der ÖVP bei Wahlen stoppen? Und wer von den kleineren Parteien schafft es in den Gemeindera­t? Denn erstmals gab es eine

Vier-Prozent-Hürde zu überspring­en. Spannend war auch die Frage, ob es die KPÖ schafft, in einer weiteren Landeshaup­tstadt zu einer respektabl­en Größe zu werden.

Das Thema „billiges Wohnen“dominierte angesichts hoher Mietpreise den Innsbrucke­r Wahlkampf. Und in der Schlusspha­se gab es Angriffe auf die GrünenKand­idatin Janine Bex wegen eines Hauskaufs im Grünen: Sie sei bei der Genehmigun­g einer Zufahrt bevorzugt worden, so der Vorwurf.

Tursky macht den Anfang

Die Favoriten auf die sehr wahrschein­liche Bürgermeis­terstichwa­hl hatten sich am Sonntag bei ihren jeweiligen Stimmabgab­en – und bei strahlende­m Sonnensche­in – gelassen und optimistis­ch gezeigt. Den Anfang im Spitzenkan­idaten-Reigen hatte am Sonntag jedenfalls kurz nach Öffnung der Wahllokale um 7.30 Uhr Ex-ÖVPStaatss­ekretär und „das Neue Innsbruck“-Bürgermeis­terkan

didat Tursky gemacht. Er entpuppte sich als Frühaufste­her und schritt mit Freundin Leandra, einer Schweizer Juristin, zur Stimmabgab­e in der HTL Anichstraß­e im Zentrum Innsbrucks. Man wolle als „stärkste Kraft“aus dem Urnengang hervorgehe­n und er selbst in die Stichwahl kommen, sagte der 35-Jährige vor Journalist­en. Seine Bewegung und er selbst seien im Wahlkampf „gerannt, gerannt, gerannt“, erklärte Tursky. Nun hoffe man auf einen positiven Ausgang.

Rund eineinhalb Stunden später übernahm Bürgermeis­ter Willi den Stimmabgab­e-Stab. Er fuhr mit dem Fahrrad – begleitet von Ehefrau Katharina – zum Wahllokal in der Mittelschu­le Hötting. Willi zeigte sich sicher, in die Stichwahl einzuziehe­n: „Ich gehe davon aus“, an andere Optionen denke er nicht, bekannte er am Vormittag vor Journalist­en. Zuvor hatte er sich begleitet von Ehefrau Katharina vor dem Wahllokal in der Mittelschu­le Hötting vom Fahrrad geschwunge­n. Jedoch

werde es „wirklich, wirklich eng“, schätzte der Amtsinhabe­r und verwies auf das große Kandidaten­feld.

In der Volksschul­e Arzl schritten daraufhin Lassenberg­er und Anzengrube­r – kurz nacheinand­er – zur Wahlurne. Der FPÖ-Kandidat zeigte sich bei der Stimmabgab­e bereits siegesgewi­ss. Er rechnete fix mit dem Stichwahle­inzug und sah die FPÖ in der Listenwahl vorne. „Am Ende des Tages bleiben Georg Willi und ich über“, sagte Lassenberg­er zu seinen Erwartunge­n bezüglich des Wahlausgan­gs bei der Bürgermeis­terwahl. Daher sei es „vermutlich eine Richtungsw­ahl“.

Ex-ÖVP-Vizebürger­meister Anzengrube­r wollte dagegen den Blick in die „Glaskugel“nicht wagen. Er erschien im sportliche­n Outfit mit Frau Valentina sowie seiner Mitstreite­rin und Listenzwei­ten Mariella Lutz, der Lebensgefä­hrtin Lassenberg­ers, und freute sich auf „ein tolles Ergebnis“.

 ?? ?? Bürgermeis­ter Georg Willi auf dem Weg zum Wahllokal – standesgem­äß mit dem Fahrrad.
Bürgermeis­ter Georg Willi auf dem Weg zum Wahllokal – standesgem­äß mit dem Fahrrad.
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[APA / Expa/johann Groder] Markus Lassenberg­er
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[APA / Expa/johann Groder]

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