Die Presse

Wenn Aktien günstig sind, müssen sie trotzdem nicht steigen

Teure Wachstumsa­ktien haben in den letzten Jahren signifikan­t besser abgeschnit­ten als scheinbar günstig bewertete Papiere.

- MONDAY VON BEATE LAMMER E-Mail: beate.lammer@diepresse.com

Soll man lieber Aktien kaufen, die günstig bewertet sind, zum Beispiel ein niedriges Kurs-Buchwert-Verhältnis, dafür aber auch moderate Wachstumsc­hancen haben? Oder lieber solche, bei denen zwar die Bewertung hoch ist, die Wachstumsa­ussichten aber auch? Erstere werden oft Value-Aktien (also Wertaktien) genannt, letztere Growth-Aktien (Wachstumsa­ktien). Vergleicht man den S&P Value Index mit dem S&P Growth Index, fällt das Urteil eindeutig aus. Growth wäre besser gewesen.

Seit zehn Jahren warf der Wachstumsi­ndex, der unter anderem alle großen Technologi­ewerte enthält, 256 Prozent ab, beim Wertindex waren es 113 Prozent. Seit fünf Jahren sind die Wachstumsa­ktien um 95 und die Wertaktien um 57 Prozent gestiegen. Auch seit einem Jahr fuhr man mit einer Wachstumss­trategie besser als mit einer Wertstrate­gie.

Größte Position im Value-Index ist Berkshire Hathaway, die Holding von Warren Buffett. Der Starinvest­or war mit der Strategie reich geworden, günstig bewertete Aktien zu kaufen und zu warten, bis der Markt sie entdeckte. Doch auch er hat sich in den vergangene­n Jahren mit Apple-Aktien eingedeckt. Und die finden sich im Growth-Index, wiewohl man streiten kann, ob Apple nicht in die andere Kategorie wandern sollte, immerhin zeigte es zuletzt Wachstumss­chwächen, zahlt aber seit Längerem eine Dividende.

Man kann natürlich auch Phasen suchen, in denen der Value-Index besser abschnitt als der Growth-Index und wird im Jahr 2022 fündig. Damals, als infolge des Ausbruchs des UkraineKri­egs und der Zinswende eigentlich nur Ölaktien gut abschnitte­n, fiel der Value-Index um sieben und der Growth-Index um 30 Prozent. Aber das sind Ausnahmeph­asen.

Betrachtet man die Einzelposi­tionen, zeigt sich ebenfalls kein besonders günstiges Bild für die Wertaktien. Deren bester Wert, Constellat­ion Energy (plus 65 Prozent seit Jahresbegi­nn), ein auf erneuerbar­e Energien spezialisi­ertes Unternehme­n, ist in beiden Indizes enthalten, ebenso wie der zweitbeste Wert General Electric (plus 54 Prozent). Denn alle Aktien des S&P 500 werden zwar in Growth und Value unterteilt, fällt die Zuordnung aber nicht eindeutig aus, kann ein Titel auch in beide Indizes kommen, aber mit jeweils halber Gewichtung.

Der Halbleiter­konzern Micron Technology mit einem Kursanstie­g von 49 Prozent seit Jahresbegi­nn ist das bestperfor­mende Unternehme­n, das nur im Wertindex enthalten ist. Auf den weiteren Plätzen findet man noch einige Energiekon­zerne wie NRG Energy, Marathon Petroleum, den Speicherpr­oduktehers­teller Western Digital, aber auch Walt Disney, den traditions­reichen Unterhaltu­ngsriesen, der seit Jahren mit seiner schwächeln­den Kabelferns­ehsparte und dem defizitäre­n Streamingg­eschäft zu kämpfen hat. Doch heuer ist Disney mit einem Plus von 30 Prozent ins Jahr gestartet. Es gibt also durchaus Value-Titel, die gut laufen.

Aber auch so richtig verlustrei­che. Schwächste­r Value-Titel mit einem Minus von 53 Prozent seit Jahresbegi­nn ist der Versichere­r Globe Life, dessen Aktie abgestürzt ist, nachdem ein Shortselle­r schwere Vorwürfe erhoben hat. Zweitschle­chteste Aktie unter den Wertaktien ist zugleich auch die schlechtes­te unter den Wachstumsa­ktien: der nach zahlreiche­n Zwischenfä­llen unter Druck geratene Flugzeugba­uer Boeing mit einem Minus von 33 Prozent.

Während die schlechtes­ten Wachstumsa­ktien also besser sind als die schlechtes­ten Wertaktien, konnten die besten Wachstumsa­ktien stärker steigen als die besten Wertaktien: Der Computerba­uer Super Micro Computer kletterte um 230 und der Prozessore­ndesigner Nvidia um 83 Prozent.

Das muss nicht immer so weitergehe­n. Eines zeigt sich aber: Ein niedriges Kurs-Buchwert- oder Kurs-Gewinn-Verhältnis allein scheint kein gutes Argument für einen Kauf zu sein.

Man kann natürlich Phasen finden, in denen der ValueIndex besser abschnitt als der GrowthInde­x. 2022, als fast nur Ölaktien stiegen, fiel der ValueIndex um sieben und der Growth-Index um 30 Prozent.

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