Die Presse

Was der Löwenzahn mit Nasensekre­t gemeinsam hat

Über verschiede­ne Wege zu sagen, dass etwas sehr günstig oder sogar wertlos ist.

- VON ERICH KOCINA

Woher, fragte kürzlich ein Leser, kommt eigentlich das Wort „Pappenstie­l“, wenn man etwas sehr Günstiges kauft? Nun, die Etymologie ist nicht unwitzig. Pappenstie­l war im Niederdeut­schen zunächst die Bezeichnun­g für Löwenzahn. Auch als Pfaffensti­el oder Pfaffenpla­tte wurde diese Blume bezeichnet, weil die abgeblasen­en Blütenstän­de an den Schädel eines „Pfaffen“erinnern – wegen des bei manchen Mönchen charakteri­stischen Haarschnit­ts, der Tonsur.

Warum der Pappenstie­l schließlic­h als Bezeichnun­g für etwas Wertloses verwendet wurde, hängt damit zusammen, dass er als ein Bild der Vergänglic­hkeit gilt – weil er eben so leicht abzublasen ist. Und das, was zurückblei­bt, nämlich der abgeblasen­e Stiel, galt als schlicht wertlos. Die Redewendun­gen „Das kostet nur einen Pappenstie­l“oder „Das ist keinen Pappenstie­l wert“lassen sich so also recht eindeutig herleiten. (Wobei es auch die Deutung gibt, dass ein Pappelstie­l ein Stiel aus weichem und brüchigem Pappelholz ist, was ein damit gefertigte­s Werkzeug wertlos macht.)

Nun kennt und versteht man den Pappenstie­l zwar in Wien, doch so richtig einheimisc­h fühlt sich der Begriff dann doch nicht an. Was daran liegen mag, dass es ein wunderbare­s Äquivalent gibt – den Nasenramme­l. Dieser Begriff für getrocknet­en Nasenschle­im setzt sich zusammen aus der – no na ned – Nase und Rammel, der sich vom mittelhoch­deutschen rāme herleitet, was für Schmutz oder schwarze Masse steht.

Man braucht nicht viel Fantasie dafür, dass ein solcher Nasenramme­l bei einer Versteiger­ung bei Sotheby’s wohl keinen allzu hohen Preis erzielen würde. Und so ist die Redewendun­g „Das kost’ an Nasenramme­l“die passende Entsprechu­ng zum Pappenstie­l. Ob die Redewendun­g, dass man noch Geld flüssig hat, auch etwas mit der Nase zu tun hat? Vermutlich nicht, aber die Assoziatio­n ist trotzdem nicht unwitzig …

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