Die Presse

Magie für Neues, Brüche für Anton Bruckner

Die Münchner Philharmon­iker unter Daniel Harding mit Geiger Renaud Capuçon im Wiener Musikverei­n.

- VON WALTER DOBNER

Erst kürzlich war das Symphonieo­rchester des Bayerische­n Rundfunks unter der Leitung seines neuen künstleris­chen Leiters, Sir Simon Rattle, zu Gast im Musikverei­n. Am Wochenende präsentier­ten sich hier die Münchner Philharmon­iker unter Daniel Harding. Der designiert­e Chefdirige­nt des zweiten prominente­n Klangkörpe­rs der Stadt an der Isar, Lahav Shani, wird sein Amt erst im September 2026 antreten.

Für den ersten ihrer beiden Auftritte brachten die Gäste eine Novität mit, Thierry Escaichs erst vor wenigen Tagen in München uraufgefüh­rtes Zweites Violinkonz­ert, dem Widmungstr­äger Renaud Capuçon quasi „auf den Leib“geschriebe­n: „Au-delà du reve“(„Jenseits des Traumes“) ist ein halbstündi­ges dreisätzig­es Opus mit einem balladenar­tigen Stirnsatz, den die Geige unmissvers­tändlich dominiert. Die Orchesterk­länge inspiriere­n sie, immer wieder in neue Harmonien einzutauch­en. Diese wirken ebenso überrasche­nd wie unvermutet auftauchen­de Scherzo-Anklänge. Dann setzen sich lyrische Töne wieder durch. Sie werden im mittleren Andantino verdichtet und steigern sich zu einer Art „Beschwörun­g“(Escaich).

Traut er Bruckner nicht?

Im Finalsatz, einem brillant wirbelnden Vivace, wird der Tanz zum wesentlich­en Element, ohne dies ganz durchzuhal­ten, denn am Ende kehrt die ruhige, unaufgereg­te Stimmung des Beginns dieses vielfach mit aparten Klangmisch­ungen, selbst Choral-Anklängen aufwartend­en Konzerts wieder. Den herausford­ernden Solopart meisterte Renaud Capuçon, dabei exzellent vom Orchester assistiert, mit aller erdenklich­en Bravour.

Beschlosse­n haben die Münchner ihren ersten Gastspiela­bend (der zweite galt Sibelius’ „Tapiola“und Mahlers Fünfter), wie könnte es bei diesem Bruckner-erfahrenen Orchester im Bruckner-Jahr anders sein, mit dessen Vierter, der „Romantisch­en“. Eine orchestral unterschie­dlich überzeugen­de Darstellun­g, bei der sich Harding zu sehr auf Details konzentrie­rte, für die man sich eine plastische­re Ausformung gewünscht hätte. Überhaupt gewann man den Eindruck, dass Harding der spezifisch­en Magie dieser Es-DurSymphon­ie misstraut, dass ihm ihre Brüche wichtiger sind als die bewegende Leuchtkraf­t der weitgespan­nten Bögen.

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