Kickl, Nehammer und das BVT
Die ÖVP beteiligt sich am Basteln einer politischen Bombe, deren Wirkung zu einem guten Teil gegen sie selbst gerichtet ist.
Die Hausdurchsuchung im ehemaligen Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) vom Februar 2018 entwickelt sich zur Tragödie für die ÖVP, deren überraschtes Opfer sie zunächst war.
Zur Erinnerung: Dem SPÖ-nahen Anwalt Gabriel Lansky war es seinerzeit ein Dorn im Auge, dass das BVT rechtswidrig Daten über ein eingestelltes Verfahren gespeichert gehabt haben soll. Hintergrund war ein mutmaßliches Verhältnis zum kasachischen Geheimdienst. So stellte er Anfang 2018 einen Kontakt zwischen einer Staatsanwältin der WKStA und dem Generalsekretär des nunmehr blau geführten Innenministeriums her. In der Folge bewilligte ein Journalrichter telefonisch und spät in der Nacht die Anordnung einer Hausdurchsuchung im BVT. Diese Hausdurchsuchung fand am nächsten Tag statt und beschädigte das Image des BVT national und international. Das Oberlandesgericht beurteilte einige Wochen später die Anordnung großteils als rechtswidrig. Sämtliche im Zusammenhang mit der Hausdurchsuchung stehenden Strafverfahren endeten mit Einstellungen oder Freisprüchen.
Politisch nutzte Minister Kickl die Angelegenheit, um den Direktor des BVT, Peter Gridling, loszuwerden. In der ÖVP glänzte man durch Naivität und verstand zunächst gar nicht, dass auch sie selbst das Ziel der Aktion war. Justizminister Moser erklärte öffentlich, dass er froh sei, von den Hausdurchsuchungen nicht vorab informiert gewesen zu sein. Die einzige Ausnahme in der ÖVP war der damalige ÖVP-Sicherheitssprecher, Werner Amon. Er störte den ÖVP-FPÖ-Koalitionsfrieden und musste das Parlament bald darauf verlassen. Nach einer Zwischenstation in der Volksanwaltschaft wurde er Landesrat in der Steiermark.
Je deutlicher sich die sogenannte BVT-Razzia als nationales Verhängnis herausstellte, desto mehr verschwanden die Verantwortlichen von der Bildfläche. Von der viel gepriesenen Unabhängigkeit der Justiz brauchte man gar nicht mehr sprechen, da die WKStA und der zustimmende Journalrichter öffentlich nicht mehr erwähnt wurden. Öffentlich verantwortlich gemacht wird im Wesentlichen Herbert Kickl. Er wird als Sicherheitsrisiko dargestellt. Auf diesen Zug ist nun auch die ÖVP aufgesprungen. Seit Neuestem sollen auch noch die Russen hinter der BVT-Razzia stehen.
Die Sache hat für die ÖVP einen großen Haken. Sie ist eine Falle, in die der eigene Bundeskanzler gelockt werden soll.
Offensichtlich gab es in der Regierung von ÖVP und FPÖ im Mai 2018 Zoff wegen des Aufmuckens des Abgeordneten Werner Amon. Also beschloss die Message-Control-Partie, mittels einer OTS-Aussendung vom 29. Mai 2018 Harmonie zu signalisieren. Das las sich so: VP-Generalsekretär Karl Nehammer stellt nach den Aussagen von Werner Amon in Zusammenhang mit dem BVT klar: „Das Vorgehen von Innenminister Herbert Kickl war selbstverständlich mit der neuen Volkspartei abgestimmt und akkordiert. Die Volkspartei übt daher hier keine Kritik am Innenminister.“
Dass die FPÖ im Verein mit ihr fernstehenden Medien diese OTS-Meldung knapp vor den Nationalratswahlen aus dem Hut zaubern wird, darf als sicher gelten. Bis dahin beteiligt sich die ÖVP am Basteln einer politischen Bombe, deren Wirkung zu einem guten Teil gegen sie selbst gerichtet ist.
Dr. Georg Vetter (*1962) ist Anwalt und Präsident des Clubs Unabhängiger Liberaler. Er war Mitglied des Team Stronach, wechselte 2015 in den Parlamentsklub der ÖVP und schied 2017 endgültig aus dem Nationalrat aus.