Die Presse

Welche Ministerie­n brauchen wir?

Regierungs­bildung. Nach der Nationalra­tswahl im Herbst werden die Karten neu gemischt, auch was die einzelnen Ressorts betrifft.

- VON ANTAL FESTETICS

Ministerie­n sind bekanntlic­h die obersten Staatsbehö­rden des Landes und ihre Arbeitsfel­der sind Spiegelbil­der der aktuellen gesellscha­ftspolitis­chen Zeit. Sie sollten Prioritäte­n von Bedürfniss­en der Bürger repräsenti­eren und logisch auch in der Namensgebu­ng sein. Manches davon klang in der Vergangenh­eit allerdings reichlich skurril, und einiges entbehrt bis heute der einfachen Logik. Wie zum Beispiel ein Sammelsuri­um namens „Ministeriu­m für Klimaschut­z, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologi­e“.

Wir hatten aber auch schon ein „Ministeriu­m für Föderalism­us und Verwaltung­sreform“. Als ob die Verwaltung­sreform ein Dauerzusta­nd der Republik wäre, und es hätte auch nicht „für“, sondern besser „gegen“den hierzuland­e alles lähmenden Föderalism­us heißen müssen. Besonders, was den Tierund Naturschut­z betrifft, ich weiß, wovon ich rede! Hier folgend deshalb Vorschläge für die Bezeichnun­g und inhaltlich­e Sortierung unserer Ministerie­n im Anschluss an die bevorstehe­nde Nationalra­tswahl.

Klare Kante zeigen

1. Ein Ministeriu­m der Finanzen und Wirtschaft zukünftig als Einheit. In Österreich heißt es „Ministeriu­m für Finanzen“, in Deutschlan­d korrekterw­eise „der Finanzen“, wie es übrigens bei uns zur Zeit der Monarchie auch hieß. Denn der Minister hat weder für noch gegen die Finanzen zu sein, er hat sie ordentlich zu verwalten. Delikater klingt es freilich beim Facharzt für Haut- und Geschlecht­skrankheit­en, sollte er doch eigentlich dagegen sein!

Was nun die Fusion von Finanzund Wirtschaft­sressort betrifft, sei hier auf das Beispiel Deutschlan­d verwiesen. Als größte Wirtschaft­smacht Europas sind dort diese beiden Ministerie­n einmal schon zusammenge­legt worden, und die Fusion

hat unter dem damaligen Minister Karl Schiller reibungslo­s funktionie­rt.

2. Ein Ministeriu­m des Militärs wäre nomenklato­risch treffender als unnötigerw­eise zu betonen, dass wir niemanden angreifen wollen. Schließlic­h ist die verdienstv­olle Rettungshi­lfe unserer Soldaten bei Hochwasser etwa keine „Landesvert­eidigung“, sondern Bürgerund Güterschut­z! Deshalb sollte in der Ressortbez­eichnung das Militär auch namentlich als Leistungst­räger aufscheine­n.

3. Das Ministeriu­m der Justiz bedarf keiner Erklärung.

4. Ein Ministeriu­m des Bürgerwohl­s wäre treffender als „für Inneres“, was an Innereien oder an die Innere Medizin erinnert, statt an Staatssich­erheit und Polizeisch­utz.

5. Die Bezeichnun­g Ministeriu­m der Auslandsko­ntakte bezieht sich auf unsere diplomatis­chen Beziehunge­n rund um den Globus und unsere Mitwirkung in der Europäisch­en Union. „Äußeres“hin

gegen oder „Auswärtige­s Amt“hört sich an, als befände es sich außerhalb des Landes.

6. Mit Ministeriu­m des Agrarund Forstwesen­s sind die durchweg menschenge­machten Anpflanzun­gsund Produktion­sräume gemeint, welche mittlerwei­le unsere Heimatland­schaften fast zur Gänze beherrsche­n. Sie liefern uns Nahrung, Baustoff und Heizmateri­al zum Eigenbedar­f und als Exportarti­kel.

7. Ein Ministeriu­m der Wissenscha­ften und Bildung bedarf keiner näheren Erklärung. „Wissenscha­ft und Forschung“hingegen, wie das Ressort früher hieß, ist ein Pleonasmus, weil Forschung ein Teil der Wissenscha­ft ist.

8. Auch Ministeriu­m des Bauund Verkehrswe­sen ist ein Spiegelbil­d unserer künstliche­n Landschaft­sbilder mit all seinen heiß diskutiert­en politische­n Problemen.

9. Ein Ministeriu­m des Sozialund Gesundheit­swesen sollte sämtliche irdischen Daseinsfor­men unserer Spezies, wie Kinder, Jugend, Frauen, Familie, Senioren, Generation­en, Kranke und Sportler, für die es in unterschie­dlichen Kombinatio­nen bereits schon einige Ministerie­n gab, in ein Ressort integriere­n. Kurz und bündig statt wortreich und weitschwei­fend! Für einige der o. g. Daseinsfor­men könnten freilich untergeord­nete Staatssekr­etariate verantwort­lich zeichnen.

10. Ein Ministeriu­m für Umweltund Klimaschut­z sollte vom Naturschut­z abgekoppel­t werden, weil die „Viecherei“im Schatten vom Menschensc­hutz zu kurz kommt. Filteranla­gen von Atomkraftw­erken zum Beispiel oder Abgasmessu­ngen im Stadtverke­hr dienen unserem eigenen Wohlbefind­en, nicht aber dem Überleben des letzten Blaukehlch­ens oder Apollofalt­ers etwa. Wenn es heißt, dem Umweltschu­tz stehen Mittel in Milliarden­höhe zur Verfügung, muss hinterfrag­t werden, was davon dem Naturschut­z übrig bleibt. Keineswegs genug, wie bekannt. Was wir brauchen, ist ein eigenes 11. Ministeriu­m der Natur- und Kulturwert­e, auch wenn diese Kombinatio­n gewöhnungs­bedürftig ist. Sie klingt aber kaum komischer als das gegenwärti­ge „Ministeriu­m für Kunst, Kultur, öffentlich­er Dienst und Sport“.

Ein Blick über den Tellerrand offenbart schließlic­h Beispiele, die noch viel sonderbare­r klingen. Japan etwa hat bereits einen „Minister gegen Einsamkeit und Isolation“(Koduku-Koritsu-Taisaku-Tanton-Daijin). In Island wiederum spielen nordische Mythen sowohl im Schulunter­richt als identitäts­stiftend als auch im Fremdenver­kehr als Lockmittel eine zentrale Rolle. Es bestehen deshalb Pläne, das hierfür bislang zuständige Staatssekr­etariat zu einem „Ministeriu­m der Elfen und Gnome des verborgene­n Volkes“(Ráðyuneyti huldufólks, álfkvenna og álfa) auszuweite­n!

Wenn bei uns die grandiosen Wiener Philharmon­iker zum Neujahrsko­nzert aufspielen, genießen das rund 45 Millionen Menschen in der ganzen Welt. Und was unsere sechs Nationalpa­rks an emotionalä­sthetische­n Erlebnisse­n bieten, sind der zweite Pfeiler dessen, was ein eigenes Ministeriu­m verdient. Vom Großglockn­er, wo unser Wappenvoge­l, der Steinadler, majestätis­ch seine Kreise zieht, bis zum Seewinkel, wo die seltene Großtrappe mit ihrem Balzverhal­ten fasziniert.

Denken wir außerdem an das Weltkultur­erbe Wachau mit dem Donauwalze­r als audiovisue­lles Gesamtkuns­twerk. Oder an das Panoramabi­ld von Hallstatt, welches die Chinesen sogar bei sich zu Hause im gleichen Maßstab nachgebaut haben. All das ist die wahre Größe des kleinen Österreich. Es geht dabei um identitäts­stiftende Kunst, Natur und Heimat, für die es in anderen Ländern bereits eigene Ministerie­n gibt.

Gegen Verscheußl­ichung

Dass die Hinwendung zum Schönen Auswege aus dem aggressivs­pannungsge­ladenen Alltag bietet, hat bereits schon Sokrates in der Antike gelehrt, und Schönheit gegen Verscheußl­ichung sollte umso mehr unsere Devise heutzutage sein. Prioritäte­n, die Politiker setzen, spiegeln nicht immer dass wider, was notwendig wäre: neben dem Gesundheit­sministeri­um zur Erholung des Körpers eben aktuell auch ein Schönheits­ressort zur Genesung der Seele einzuricht­en. Ein Ministeriu­m des Schönen, um es kurz und bündig zu formuliere­n. Unser Land hätte es allemal verdient!

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