Egisto Ott und Russland werden Kickl nicht den Wahlsieg kosten
Die Folgen der Spionageaffäre für die FPÖ werden überschätzt. Mit Corona und der Migration sind ihre beiden Stimmbringer weiter ungefährdet.
Kein Rezept fand sich bisher gegen Herbert Kickl und die FPÖ. Die ÖVP etwa brandmarkte den blauen Parteichef als „Sicherheitsrisiko“, inszenierte sich als die Partei der Mitte, schoss mit scharfen Ansagen zu Migration um sich: Vergebens, die FPÖ war nicht zu stoppen. Doch nun wollen Türkis-Grün, SPÖ und Neos mit der Spionageaffäre um Egisto Ott das Mittel gegen die Freiheitlichen entdeckt haben. Täglich rücken Politiker aus, um Ott als Spion der FPÖ und die Blauen als fünfte Kolonne des Kreml darzustellen. Offen werden die Freiheitlichen bezichtigt, Österreich „verraten“zu haben.
Die Affäre ist für die FPÖ nicht ungefährlich, wie auch die kommunikative Kehrtwende der Partei nahelegt. Zuletzt hat sie auf die ständigen Vorwürfe der ÖVP, dass Kickl mit seinen Vertrauten als Innenminister die BVT-Razzia akkordiert haben und den Verfassungsschutz zerschlagen haben soll, nur mehr sporadisch reagiert. Seit Aufkommen der Causa Ott kontert sie allerdings jeden Vorwurf der anderen Parteien prompt. Ignorieren kann sie das Thema nämlich nicht mehr.
Doch werden die Hoffnungen, nun die entscheidende Trendwende für die Wahlen eingeleitet zu haben, wohl enttäuscht werden. Vereinzelt machen Stimmen die Spionageaffäre ja bereits für das überraschend schwache Abschneiden der Blauen bei der Innsbruck-Wahl am Sonntag verantwortlich. Eine gewagte These für eine Kommunalwahl. Wahrscheinlicher ist, dass die Folgen der Causa Ott für die FPÖ derzeit überbewertet werden.
Denn mit dem Migrationsbereich und Corona sind die zwei wichtigsten Stimmbringer der selbst ernannten „Anti-System-Partei“bisher ungefährdet. Die Mobilisierungskraft des Corona-Themas, das die Blauen aus dem Ibiza-Tief gezogen hat, wird politisch wie medial noch immer unterschätzt. Am Freitag und Samstag hielt die FPÖ in Wien eine Vortragsreihe samt Kickl-Rede ab. Die politische, mediale Spitze der Corona-Maßnahmengegner trat dort auf, der Andrang war enorm. Der Auftritt wurde gefilmt, das Video verzeichnete am Montag auf YouTube bereits mehr als 200.000 Aufrufe. Zum Vergleich: Erklärvideos zur Causa Ott kommen im Normalfall auf ein paar Tausend Klicks.
Konnte sich die FPÖ durch den Corona-Protest stabilisieren und neue Wählerschichten erschließen, so zündeten die Asylzahlen 2022 den Turbo. Mit dem starken Anstieg der Asylanträge kam das Migrationsthema mit Wucht zurück und verschwand seither nicht mehr. Der ÖVP gelingt es unter Karl Nehammer nicht mehr, das Ausrinnen in Richtung FPÖ wie unter Sebastian Kurz zu stoppen. Auch wenn vor allem Innenminister Gerhard Karner versucht, Initiativen zu setzen, die Blauen haben wieder die Nase vorn.
Die meisten Wähler, die die FPÖ wegen ihrer Ausländer- und Corona-Politik, ihres Kampfs gegen politische Korrektheit und für ihre Anti-Establishment-Haltung wählen, werden davon aufgrund einer komplexen Spionageaffäre nicht abweichen. Die Russland-Freundlichkeit und höchst fragwürdigen Verbindungen der FPÖ zum Kreml sind schon lang bekannt: Wen das bisher nicht gestört hat, wird es jetzt kaum stören.
Daran könnte nur etwas ändern, wenn eine bahnbrechende Enthüllung über eine Involvierung Kickls in die Spionageaffäre auftauchte. Wobei die anderen Parteien nicht aufatmen sollten. Denn Ott hatte Kontakt zu Politikern fast aller Couleur. Und die ÖVP stellte seit dem Jahr 2000 fast durchgehend die Innenminister: Der Aufbau einer starken Spionageabwehr etwa gegen russische Agenten hatte für sie im Gegensatz zu parteipolitischen Besetzungen im BVT aber keine Priorität.
Worauf also könnten die Parteien sonst setzen? Beim Corona-Thema ist von der FPÖ nach dem halbherzigen „Versöhnungsprozess“nichts mehr zu holen. Bleibt der Migrationsbereich, der von der SPÖ aber ignoriert wird. Und solang die ÖVP hier nicht glaubwürdige und tatsächlich durchsetzbare Gegenrezepte (was in der Koalition mit den Grünen sehr schwierig ist) entwickelt, wird sie zur FPÖ langfristig nicht aufschließen können. So wird die FPÖ das, was sie möglicherweise durch die Spionagecausa in den Umfragen verliert, durch die nächsten brisanten Kriminalfälle im Migrantenmilieu schon bald wiedergutmachen.