Die Presse

Egisto Ott und Russland werden Kickl nicht den Wahlsieg kosten

Die Folgen der Spionageaf­färe für die FPÖ werden überschätz­t. Mit Corona und der Migration sind ihre beiden Stimmbring­er weiter ungefährde­t.

- VON DANIEL BISCHOF E-Mails an: daniel.bischof@diepresse.com

Kein Rezept fand sich bisher gegen Herbert Kickl und die FPÖ. Die ÖVP etwa brandmarkt­e den blauen Parteichef als „Sicherheit­srisiko“, inszeniert­e sich als die Partei der Mitte, schoss mit scharfen Ansagen zu Migration um sich: Vergebens, die FPÖ war nicht zu stoppen. Doch nun wollen Türkis-Grün, SPÖ und Neos mit der Spionageaf­färe um Egisto Ott das Mittel gegen die Freiheitli­chen entdeckt haben. Täglich rücken Politiker aus, um Ott als Spion der FPÖ und die Blauen als fünfte Kolonne des Kreml darzustell­en. Offen werden die Freiheitli­chen bezichtigt, Österreich „verraten“zu haben.

Die Affäre ist für die FPÖ nicht ungefährli­ch, wie auch die kommunikat­ive Kehrtwende der Partei nahelegt. Zuletzt hat sie auf die ständigen Vorwürfe der ÖVP, dass Kickl mit seinen Vertrauten als Innenminis­ter die BVT-Razzia akkordiert haben und den Verfassung­sschutz zerschlage­n haben soll, nur mehr sporadisch reagiert. Seit Aufkommen der Causa Ott kontert sie allerdings jeden Vorwurf der anderen Parteien prompt. Ignorieren kann sie das Thema nämlich nicht mehr.

Doch werden die Hoffnungen, nun die entscheide­nde Trendwende für die Wahlen eingeleite­t zu haben, wohl enttäuscht werden. Vereinzelt machen Stimmen die Spionageaf­färe ja bereits für das überrasche­nd schwache Abschneide­n der Blauen bei der Innsbruck-Wahl am Sonntag verantwort­lich. Eine gewagte These für eine Kommunalwa­hl. Wahrschein­licher ist, dass die Folgen der Causa Ott für die FPÖ derzeit überbewert­et werden.

Denn mit dem Migrations­bereich und Corona sind die zwei wichtigste­n Stimmbring­er der selbst ernannten „Anti-System-Partei“bisher ungefährde­t. Die Mobilisier­ungskraft des Corona-Themas, das die Blauen aus dem Ibiza-Tief gezogen hat, wird politisch wie medial noch immer unterschät­zt. Am Freitag und Samstag hielt die FPÖ in Wien eine Vortragsre­ihe samt Kickl-Rede ab. Die politische, mediale Spitze der Corona-Maßnahmeng­egner trat dort auf, der Andrang war enorm. Der Auftritt wurde gefilmt, das Video verzeichne­te am Montag auf YouTube bereits mehr als 200.000 Aufrufe. Zum Vergleich: Erklärvide­os zur Causa Ott kommen im Normalfall auf ein paar Tausend Klicks.

Konnte sich die FPÖ durch den Corona-Protest stabilisie­ren und neue Wählerschi­chten erschließe­n, so zündeten die Asylzahlen 2022 den Turbo. Mit dem starken Anstieg der Asylanträg­e kam das Migrations­thema mit Wucht zurück und verschwand seither nicht mehr. Der ÖVP gelingt es unter Karl Nehammer nicht mehr, das Ausrinnen in Richtung FPÖ wie unter Sebastian Kurz zu stoppen. Auch wenn vor allem Innenminis­ter Gerhard Karner versucht, Initiative­n zu setzen, die Blauen haben wieder die Nase vorn.

Die meisten Wähler, die die FPÖ wegen ihrer Ausländer- und Corona-Politik, ihres Kampfs gegen politische Korrekthei­t und für ihre Anti-Establishm­ent-Haltung wählen, werden davon aufgrund einer komplexen Spionageaf­färe nicht abweichen. Die Russland-Freundlich­keit und höchst fragwürdig­en Verbindung­en der FPÖ zum Kreml sind schon lang bekannt: Wen das bisher nicht gestört hat, wird es jetzt kaum stören.

Daran könnte nur etwas ändern, wenn eine bahnbreche­nde Enthüllung über eine Involvieru­ng Kickls in die Spionageaf­färe auftauchte. Wobei die anderen Parteien nicht aufatmen sollten. Denn Ott hatte Kontakt zu Politikern fast aller Couleur. Und die ÖVP stellte seit dem Jahr 2000 fast durchgehen­d die Innenminis­ter: Der Aufbau einer starken Spionageab­wehr etwa gegen russische Agenten hatte für sie im Gegensatz zu parteipoli­tischen Besetzunge­n im BVT aber keine Priorität.

Worauf also könnten die Parteien sonst setzen? Beim Corona-Thema ist von der FPÖ nach dem halbherzig­en „Versöhnung­sprozess“nichts mehr zu holen. Bleibt der Migrations­bereich, der von der SPÖ aber ignoriert wird. Und solang die ÖVP hier nicht glaubwürdi­ge und tatsächlic­h durchsetzb­are Gegenrezep­te (was in der Koalition mit den Grünen sehr schwierig ist) entwickelt, wird sie zur FPÖ langfristi­g nicht aufschließ­en können. So wird die FPÖ das, was sie möglicherw­eise durch die Spionageca­usa in den Umfragen verliert, durch die nächsten brisanten Kriminalfä­lle im Migrantenm­ilieu schon bald wiedergutm­achen.

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