Die Presse

Wie Israels Allianz 300 iranische Geschosse abgewehrt hat

Israel ist es gelungen, viele Raketen und Drohnen schon weit vor der eigenen Grenze unschädlic­h zu machen, auch mithilfe Jordaniens.

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Plötzlich war es so weit: Mehr als 300 Drohnen und Raketen schickte der Iran in Richtung Israel. Wie am Montag „Times of Israel“berichtete, handelte es sich um 170 Drohnen, 30 Marschflug­körper, 120 ballistisc­he Raketen.

Einen Großteil davon (Berichten zufolge 99 Prozent) konnte Israel mit Unterstütz­ung seiner Verbündete­n abfangen. Die Schäden blieben überschaub­ar: Ein siebenjähr­iges Mädchen wurde verletzt, eine israelisch­e Militärein­richtung nach Angaben der Armee leicht beschädigt. US-Präsident Joe Biden lobte die „bemerkensw­erte Verteidigu­ngsfähigke­it“Israels. Das oft genannte System „Iron Dome“ist dabei aber nur ein kleiner Teil der israelisch­en Luftabwehr – denn die „Eisenkuppe­l“hat eine begrenzte Reichweite von nur rund sieben Kilometern, ist also die letzte Verteidigu­ngslinie.

Bei der Verteidigu­ng des iranischen Angriffs in der Nacht auf Sonntag war relevant, dass ein Großteil der Drohnen und Raketen schon viel früher abgefangen werden konnte – weit vor der Grenze Israels. Die meisten der iranischen Drohnen sind laut Geheimdien­stkreisen über Syrien abgeschoss­en worden. Israelisch­e und amerikanis­che Jets hätten sie abgefangen, bevor sie ihre Ziele in Israel erreichen konnten, sagten zwei Mitarbeite­r westlicher Geheimdien­ste zur Nachrichte­nagentur Reuters. Die vom Iran gestartete­n Flugkörper seien entlang der Grenze zum Irak über Ostsyrien, Südsyrien und dem syrischen Teil der Golanhöhen geflogen.

Systeme „Arrow“und „David’s Sling“

Mit dem „Iron Dome“schützt sich Israel seit 2011 gegen Raketenang­riffe vor allem aus dem Gazastreif­en und grenznahen Gebieten. Die israelisch­e Regierung hatte nach dem Libanon-Krieg 2006 zunächst auf eigene Faust mit der Entwicklun­g des Systems begonnen. Später trugen die USA mit militärisc­hem Know-how und Milliarden US-Dollar an finanziell­er Unterstütz­ung dazu bei.

Zur Raketen- und Marschflug­körperabwe­hr setzt Israel auf andere Systeme: „Arrow“(„Pfeil“), das auf die Abwehr ballistisc­her Raketen ausgericht­et ist, und das System „David’s Sling“(„Davids Steinschle­uder“), mit dem Mittelstre­ckenrakete­n und Mittelstre­ckenlenkfl­ugkörper abgefangen werden sollen. Die „Arrow“-Abwehrrake­ten sind etwa sieben Meter lang und haben eine Reichweite von bis zu 150 Kilometern. Sie fliegen mit neunfacher Schallgesc­hwindigkei­t. Damit lassen sich Geschosse feindliche­r Länder schon weit vor der Grenze abfangen. „David’s Sling“ist seit 2017 im Einsatz und hat mit rund 25 Kilometern eine deutlich kleinere Reichweite.

Neben diesen beiden hauseigene­n Systemen setzt Israels Luftabwehr aber auch auf das US-System „Patriot“, das zuletzt im Ukraine-Krieg verstärkt in den Fokus der Öffentlich­keit gerückt ist.

Internatio­nale Unterstütz­ung

Das US-Militär hat nach eigenen Angaben mit Unterstütz­ung von Zerstörern des US European Command am Samstag und Sonntag allein mehr als 80 Drohnen und mindestens sechs ballistisc­he Raketen mit Ziel Israel abgefangen und zerstört. Die Geschosse seien vom Iran und Jemen aus abgefeuert worden, teilt das US Central Command (Centcom) auf X mit. „Centcom ist weiterhin bereit, Israels Verteidigu­ng gegen diese gefährlich­en Aktionen des Irans zu unterstütz­en. Wir werden weiter mit allen unseren regionalen Partnern zusammenar­beiten, um die regionale Sicherheit zu erhöhen.“

Der britische Verteidigu­ngsministe­r, Grant Shapps, erklärte, britische Kampfflugz­euge hätten „mehrere vom Iran und seinen Verbündete­n gestartete Angriffsdr­ohnen abgefangen und zerstört“. Die Drohnen hätten „eine Bedrohung für das Leben von Zivilisten“dargestell­t. Alle britische Flugzeuge seien nach dem Einsatz „sicher“an ihre Stützpunkt­e zurückgeke­hrt, schrieb Shapps im Onlinedien­st X.

Auch die deutsche Bundeswehr hat einen Beitrag zur Abwehr der iranischen Angriffe geleistet. Drei französisc­he Kampfjets seien von der Bundeswehr aufgetankt worden, bestätigte das Verteidigu­ngsministe­rium in Berlin laut „Spiegel“.

Israels internatio­nale Luftabwehr-Allianz hat auch über Jordanien iranische Drohnen und Raketen abgeschoss­en – mithilfe des jordanisch­en Militärs. Angesichts der großen Zahl an palästinen­sischen Personen im Land birgt der Kurs der jordanisch­en Führung dabei durchaus innenpolit­ische Sprengkraf­t in sich. (APA/Reuters/red.)

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