Die Presse

Dramatisch­er „Paulus“im Konzerthau­s

Prächtig sang die Wiener Singakadem­ie im ersten Oratorium von Felix Mendelssoh­n Bartholdy.

- VON THERESA STEININGER

Strahlend und prächtig, dann wieder anklagend, dass es unter die Haut ging: So wirkten die Chorpassag­en in der Aufführung des „Paulus“durch die Wiener Singakadem­ie und das Symphonieo­rchester Vorarlberg unter Heinz Ferlesch sowie ein erlesenes Solistenqu­artett.

„Paulus“, 1836 in Düsseldorf uraufgefüh­rt, ist – vor „Elias“und dem unvollende­ten „Christus“– das erste Oratorium von Felix Mendelssoh­n Bartholdy. Darin verschmolz er auf ganz eigene Art den Stil Händels mit jenem der Passionen Johann Sebastian Bachs. Er wählte den biblischen Stoff frei: Nicht gängige Oratorient­hemen wie das Leiden und Sterben Jesu, sondern die Entwicklun­g des Saulus zum Paulus interessie­rte ihn.

Auch den Text bearbeitet­e der bibelfeste Mendelssoh­n zum Großteil selbst. Klug wählte er Abschnitte aus der Apostelges­chichte, um sein Oratorium facettenre­ich zu gestalten und den Ausführend­en die Möglichkei­t zu geben, verschiede­nste Klangfarbe­n einzubring­en. So konnte die Singakadem­ie schwelgeri­sch und klangvoll preisen, aber auch sehr eindrückli­ch „Steinigt ihn!“fordern und eine neu gewonnene Dramatik einbringen.

Auch wie die Mitglieder des Chors in die Rollen der „Juden“schlüpften und erst leise, fast wie hinter dem Rücken geflüstert, und dann immer vehementer werdend „Ist das nicht, der zu Jerusalem verstörte“sangen, zeigte Vielseitig­keit und begeistert­e. Zarte Pianissimi gefielen ebenso wie Situatione­n, in denen Ferlesch, Chor und Orchester in die Vollen gingen – und für Glanz sorgten.

Lang gezogenes „ Jerusalem“

Ihren wunderbar edlen Sopran brachte Vera-Lotte Boecker ebenfalls in verschiede­nsten Farben ein: Deutlich artikulier­t und hell leuchtend waren einige Erzählpass­agen, auch gut geführte Phrasierun­gen und ein langgezoge­nes „Jerusalem“überzeugte­n. Der erzähleris­che Part lag auch vor allem bei Tenor Benjamin Bruns, der strahlende Höhe und gute Tiefe gleichfall­s präsentier­te und auch ruhig einmal schärfer werden konnte, wenn es darum ging, zu drohen.

Patricia Nolz, die in dieser Saison als „Great Talent“am Wiener Konzerthau­s ist und schon kommende Woche ihr nächstes Konzert dort gibt, hatte den Alt-Teil übernommen: Die kleinste Solopartie zwar, aber von ihr mit warmem Mezzo qualitätsv­oll interpreti­ert. Die Titelrolle schließlic­h hatte man Florian Boesch übertragen, der seinen fülligen, markigen Bass gekonnt einbrachte – und auch mit Bruns im Duett gut harmoniert­e.

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