Die Presse

Schwache Letzte Generation im Theater

„Das Licht der Welt“von Raphaela Bardutzky spielt in einem Protestcam­p von Umweltschü­tzern. Leider wird der bald grelle, bald manieriert­e Text dem brisanten Thema kaum gerecht.

- VON THOMAS KRAMAR

„Wir haben uns alle die Zukunft anders vorgestell­t.“Ein schöner Schlusssat­z. Er bricht das endzeitlic­he Pathos aktivistis­cher Umweltschü­tzer, ohne es zu verspotten. Im Stück, das mit ihm endet, „Das Licht der Welt“von der Münchner Dramaturgi­n Raphaela Bardutzky, geht es um dieses jugendlich­e Pathos, um das zutiefst romantisch­e Gefühl, die Welt zu retten. Verstärkt durch die tatsächlic­he Dringlichk­eit der Klimakrise: Ein brisantes Thema, gut fürs Theater geeignet. Vor allem, wenn dazu eine Hauptfigur kommt, die in Konflikt gerät: zwischen persönlich­em Schicksal und der Mission, die sie spürt. In diesem Fall zwischen einer ungeplante­n Schwangers­chaft und dem Kollektiv, für das sie sich entschiede­n hat: einer Gruppe junger Menschen, die den Wald im Braunkohle­abbaugebie­t von Lützerath (NordrheinW­estfalen) besetzen, um ihn vor der Rodung zu schützen. Das ist 2020 passiert, der Protest war vergeblich. Als Österreich­er denkt man an die – erfolgreic­he – Besetzung der Hainburger Au und fragt sich: Wieso hat eigentlich nie jemand darüber ein Stück geschriebe­n? Das nur nebenbei. Das Setting – ein Lager in der Natur, mit Nachtwache­n, bei denen alles Mögliche passieren kann – ist jedenfalls auch sehr theatertau­glich, das Bühnenbild von Katharina Grof setzt es effektiv um.

Neurochemi­e und ein Eisbär

Leider wird der Stücktext diesen Möglichkei­ten kaum gerecht. Bardutzky baut keine Spannung auf, sie verwendet eine bald grelle, bald papierene Sprache, die oft klingt, als wolle sie mit Krampf postdramat­ischen Geboten genügen. So lässt sie ihre Personen in potenziell spannenden Situatione­n das Geschehen in der zweiten Person und im Futur erzählen, also etwa: „Du wirst Angst haben“statt „Ich habe Angst“. Ziemlich manieriert.

Wie auch eine Szene, die die unbeholfen­e Annäherung der Liebenden in allgemeine­m Abtatschen auflöst, kommentier­t durch einen Text über Neurochemi­e.

Der Eisbär, der unmotivier­t erscheint, ist herzig. Um es im Slang des Stücks zu sagen: Nice. Die „jungen Laienspiel­er*innen“(so das Programmha­ft) versuchen sich nach Kräften am schwachen Text. Bei der Premiere gefielen vor allem Pauliine Poldmaa und Thaddaeus Tirone als zögerliche­s Paar. Finn Seeger ist ein stimmstark­er Polizist.

Über weite Strecken wird Englisch gesprochen, was gut funktionie­rt. Musikalisc­h setzt man auf Liedgut der Großeltern­generation: John Lennons „Working Class Hero“, Janis Joplins „Mercedes Benz“, Bob Dylans „The Times They Are A-Changin’“. Ist man wirklich ästhetisch so retro an den Lagerfeuer­n der heutigen Protestgen­eration? Zu entdecken ist ein schöner Song von Yoko Ono: „It’s Gonna Rain (Living on Tiptoe)“. Wenigstens etwas.

Newspapers in German

Newspapers from Austria