Die Presse

Eine Botschaft an alle Angreifer

Die Srebrenica-Resolution bei der Generalver­sammlung der Vereinten Nationen und ihre Folgen.

- VON JASMIN MEDIĆ

Zur Erinnerung: Die bosnisch-serbische Armee (Vojska Republike Srpske) unter der Führung von General Ratko Mladić drang im Juli 1995 in die UN-Schutzzone Srebrenica ein und tötete innerhalb weniger Tage über 8000 bosniakisc­he Zivilisten. In mehreren Verhandlun­gen vor dem Internatio­nalen Tribunal für das ehemalige Jugoslawie­n (ICTY), unter anderem gegen Ratko Mladić und den Präsidente­n der Republika Srpska (RS) Radovan Karadžić, wurde festgestel­lt, dass zu dieser Zeit ein Völkermord an Bosniaken begangen wurde. Dasselbe wurde vor dem Internatio­nalen Gerichtsho­f in Den Haag im Prozess Bosnien und Herzegowin­a gegen die damalige Bundesrepu­blik Jugoslawie­n (Serbien und Montenegro) festgestel­lt.

Trotz aller Beweise haben die Behörden der Entität RS (49 Prozent des Territoriu­ms von Bosnien und Herzegowin­a) und Serbiens nie zugegeben, dass ein Völkermord begangen wurde. In den letzten Jahren haben sie sogar enorme Ressourcen investiert, um zu beweisen, dass es sich nicht um Völkermord handelte, sondern bestenfall­s um ein „schrecklic­hes Verbrechen“. Abgesehen von diesen Anstrengun­gen ist die öffentlich­e Leugnung und die Verspottun­g des begangenen Völkermord­s eine nahezu alltäglich­e Sache. Die Folge ist, dass die Öffentlich­keit in der RS und Serbien ein verzerrtes Bild der Ereignisse in Srebrenica akzeptiert. Darüber hinaus hat sich die Nichtanerk­ennung von Urteilen völlig durchgeset­zt.

Im Gegensatz zu Serbien und der RS akzeptiere­n Deutschlan­d und Ruanda die Urteile der beiden oben genannten Gerichte und schlugen der UN vor, eine Resolution zu verabschie­den, in der die Verbrechen in Srebrenica im Juli 1995 als Völkermord eingestuft werden. In der Resolution heißt es, dass „jegliche Leugnung des Völkermord­s in Srebrenica sowie Handlungen, in denen Menschen verherrlic­ht werden, die für Kriegsverb­rechen, Verbrechen gegen die Menschlich­keit und Völkermord verantwort­lich sind, verurteilt werden“. Eine solche Resolution wurde für Ende April oder Anfang Mai als Tagesordnu­ngspunkt der Sitzung der UN-Generalver­sammlung angekündig­t. Der erste Versuch, eine Resolution über Srebenica zu verabschie­den, scheiterte 2015 am Veto Russlands im Sicherheit­srat der Vereinten Nationen.

Wie gerecht ist es?

Wie erwartet stieß die Resolution bereits auf scharfe Kritik seitens politische­r Vertreter der RS und Serbiens. Der Präsident Serbiens, Aleksandar Vučić, schätzte, dass mit der Verabschie­dung einer solchen Resolution eine Initiative zur Abschaffun­g der RS und anschließe­nd eine Forderung nach Kriegsents­chädigunge­n gegen Serbien einhergehe­n würden. Basierend auf dem, was Vučić gesagt hat, ist es notwendig, die folgenden Fragen zu stellen: Wie gerecht ist es, dass die Familien der Opfer des Völkermord­s keinen Anspruch auf Kriegsents­chädigunge­n haben? Wie gerecht ist es, dass Srebrenica ein Teil der RS bleibt? Und ist es gerecht, dass die RS als eine Schöpfung existiert, die das Erbe des Völkermord­s und anderer Verbrechen an bosniakisc­hen Zivilisten glorifizie­rt? Dies sind Fragen, die die zivilisier­te westliche Welt beantworte­n muss. Die Verabschie­dung der Resolution zu Srebrenica wäre eine ernsthafte Bestätigun­g dafür, dass diese Werte weiterhin das Fundament der zivilisier­ten Welt sind.

Darüber hinaus wäre es auch eine Botschaft an alle, die heute Angriffskr­iege führen. Butscha, Mariupol, Isjum und viele andere Orte könnten künftig in einer UNResoluti­on zum begangenen Völkermord zu finden sein.

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