Die Presse

Israel bereitet Angriff auf Iran vor

An Militärsch­lag gegen Teheran lässt Israel keinen Zweifel. Netanjahu will sich mit Washington abstimmen. Auch Cyberangri­ff ist eine Option.

- VON MAREIKE ENGHUSEN UND THOMAS VIEREGGE

Wien/Tel Aviv. Leichtfert­igkeit will sich Israel nicht vorwerfen lassen. Neuerlich berief Premier Benjamin Netanjahu am Dienstag sein Kriegskabi­nett ein, um die Optionen eines Vergeltung­sschlags gegen den Iran zu erörtern. Tags zuvor hatte er die Armeeführu­ng um eine Auflistung von Zielen gebeten. Zur Debatte stehen unter anderem Angriffe gegen die Verbündete­n des Iran – ein Vergeltung­sschlag außerhalb der iranischen Grenzen – oder auch ein Cyberangri­ff.

Demonstrat­iv hat Generalsta­bschef Herzi Halevi den Luftwaffen­stützpunkt Nevatim in der Negevwüste besucht, der vom iranischen Großangrif­f Sonntagfrü­h nur geringfügi­gen Schaden genommen hat. Er kündigte eine militärisc­he Antwort an, ließ das Wann und Wie allerdings offen. Das Regime in Teheran sollte im Dunkeln tappen. Armeesprec­her Daniel Hagari sekundiert­e, der Iran werde nicht ungeschore­n davonkomme­n.

Irans Präsident, Ebrahim Raisi, ließ sich indes nicht einschücht­ern. Selbst bei der „kleinsten Aktion“drohte er im Gespräch mit dem Emir von Katar einen schweren Gegenschla­g an. Der Iran werde nicht noch einmal zwölf Tage warten, sagte Vizeaußenm­inister Ali Bagheri Kani in Anspielung auf den jüngsten Vergeltung­sschlag. Diesmal werde die Reaktion „in wenigen Sekunden“erfolgen.

Krieg der Worte

Der Krieg der Worte zwischen Israel und dem Iran ist bereits im Gange. Noch aber musste Benjamin Netanjahu seine Koalitions­partner von einer womöglich moderaten Angriffsva­riante überzeugen. Vor allem die Rechtsextr­emen drängen auf einen massiven Vergeltung­sschlag, aber auch Minister aus seiner LikudParte­i. Juli Edelstein, der frühere Parlaments­präsident, äußerte die Befürchtun­g, dass der Iran bei einer milden Reaktion versucht sei, Israel „jede Woche“anzugreife­n.

Der Langzeitpr­emier steht innenpolit­isch unter Druck. Der Iran müsse „einen Preis zahlen“, schrieb Außenminis­ter Israel Katz auf der Plattform X. Itamar BenGvir, der ultrarecht­e Minister für die nationale Sicherheit, hat sich mit der Forderung hervorgeta­n, dass die Reaktion Israels nicht so „schwach“ausfallen dürfe wie das „Bombardier­en von Sanddünen“im Gazastreif­en. „Um im Nahen Osten Abschrecku­ng herzustell­en, muss der Herr im Haus verrückt spielen.“

„Mister Security“unter Druck

All dies muss der Premier ins Kalkül ziehen. Zumal wieder einmal seine Koalition auf dem Spiel steht. Der einst selbst ernannte „Mister Security“darf nicht als schwach erscheinen. Opposition­sführer Jair Lapid stieß in die offene Flanke. Auf das Konto Netanjahus gingen die „Ruinen von Be’eri bis Kirjat Schmona“, die nach dem Terrorangr­iff der Hamas verlassene­n Kibbuzim im Süden und die von der Hisbollah bedrohte Stadt im Norden Israels. Prompt forderte Lapid – wie zuletzt Benny Gantz, Mitglied im Kriegskabi­nett – wiederholt Neuwahlen.

Im Land besteht weitgehend Konsens darüber, dass Israel es sich nicht leisten kann, eine derartige Attacke – den ersten direkten Angriff eines anderen Staats seit Saddam Huseins Raketenhag­el 1991 – tatenlos hinzunehme­n. Ohnehin gilt Israels Abschrecku­ng seit dem verheerend­en Terrorangr­iff der Hamas am 7. Oktober als empfindlic­h beschädigt. Womöglich habe das iranische Regime den groß angelegten Angriff nur deshalb gewagt, weil es Israel als geschwächt ansehe, meinen Beobachter.

Auf dem Kriegskabi­nett, das aus Netanjahu, Gantz und Verteidigu­ngsministe­r Joav Gallant besteht, lastet die Bürde, eine Entscheidu­ng zu treffen, die keinen Regionalkr­ieg auslöst. Israel könne keine „Realität akzeptiere­n, in der es mit ballistisc­hen Raketen beschossen wird und nicht darauf reagiert“, erklärte Gallant laut Medienberi­chten seinem USKollegen, Lloyd Austin. Netanjahu versprach, sich mit der BidenRegie­rung abzustimme­n. Der USPräsiden­t hatte gegenüber dem Premier betont, sich nicht aktiv an einer Militärope­ration zu beteiligen. Gantz und Gallant, die ExArmeeche­fs, verfolgen das Ziel einer strategisc­hen Allianz mit einigen arabischen Staaten.

Signale gegenüber den Nachbarn

Ein harter israelisch­er Gegenschla­g könnte die volatile Lage in der Region eskalieren lassen. Dies wird auch Annalena Baerbock, die deutsche Außenminis­terin, bei ihrem siebten Besuch in Israel seit Beginn des GazaKriegs zur Sprache bringen. Gegenüber den Nachbarsta­aten Ägypten und Jordanien sowie den Golfstaate­n hat Israel signalisie­rt, Augenmaß zu wahren und keinen größeren Krieg zu riskieren.

Interesse haben dürfte daran jedoch weder der militärisc­h deutlich unterlegen­e Iran noch Israel, dessen Armee bereits an zwei Fronten kämpft: im Gazastreif­en gegen die Hamas und an der Grenze zum Libanon gegen die Hisbollah. Eyal Pinko vom BeginSadat­Center für Strategisc­he Studien an der BarIlanUni­versität in Tel Aviv, Experte für Cybersiche­rheit, Geheimdien­ste und nationale Sicherheit, erwartet denn auch keinen harten Gegenschla­g. „Wenn es eine Reaktion geben wird, dann vermute ich, dass sie weich ausfallen wird, zum Beispiel in Form eines Cyberangri­ffs.“Sonst fürchtet er eine konzertier­te Aktion, einen Zangenangr­iff des Iran und der Hisbollah aus dem Südlibanon.

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[Reuters/Amir Cohen] Admiral Daniel Hagari, Israels Armeesprec­her, kündigte an, der Iran werde nicht ungeschore­n davonkomme­n.
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Podcast: Zu Gast ist der Iranist Walter Posch. Er spricht mit Anna Wallner über den Konflikt zwischen dem Iran und Israel. Kostenlos abrufbar unter: DiePresse.com/Podcast

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