Israel bereitet Angriff auf Iran vor
An Militärschlag gegen Teheran lässt Israel keinen Zweifel. Netanjahu will sich mit Washington abstimmen. Auch Cyberangriff ist eine Option.
Wien/Tel Aviv. Leichtfertigkeit will sich Israel nicht vorwerfen lassen. Neuerlich berief Premier Benjamin Netanjahu am Dienstag sein Kriegskabinett ein, um die Optionen eines Vergeltungsschlags gegen den Iran zu erörtern. Tags zuvor hatte er die Armeeführung um eine Auflistung von Zielen gebeten. Zur Debatte stehen unter anderem Angriffe gegen die Verbündeten des Iran – ein Vergeltungsschlag außerhalb der iranischen Grenzen – oder auch ein Cyberangriff.
Demonstrativ hat Generalstabschef Herzi Halevi den Luftwaffenstützpunkt Nevatim in der Negevwüste besucht, der vom iranischen Großangriff Sonntagfrüh nur geringfügigen Schaden genommen hat. Er kündigte eine militärische Antwort an, ließ das Wann und Wie allerdings offen. Das Regime in Teheran sollte im Dunkeln tappen. Armeesprecher Daniel Hagari sekundierte, der Iran werde nicht ungeschoren davonkommen.
Irans Präsident, Ebrahim Raisi, ließ sich indes nicht einschüchtern. Selbst bei der „kleinsten Aktion“drohte er im Gespräch mit dem Emir von Katar einen schweren Gegenschlag an. Der Iran werde nicht noch einmal zwölf Tage warten, sagte Vizeaußenminister Ali Bagheri Kani in Anspielung auf den jüngsten Vergeltungsschlag. Diesmal werde die Reaktion „in wenigen Sekunden“erfolgen.
Krieg der Worte
Der Krieg der Worte zwischen Israel und dem Iran ist bereits im Gange. Noch aber musste Benjamin Netanjahu seine Koalitionspartner von einer womöglich moderaten Angriffsvariante überzeugen. Vor allem die Rechtsextremen drängen auf einen massiven Vergeltungsschlag, aber auch Minister aus seiner LikudPartei. Juli Edelstein, der frühere Parlamentspräsident, äußerte die Befürchtung, dass der Iran bei einer milden Reaktion versucht sei, Israel „jede Woche“anzugreifen.
Der Langzeitpremier steht innenpolitisch unter Druck. Der Iran müsse „einen Preis zahlen“, schrieb Außenminister Israel Katz auf der Plattform X. Itamar BenGvir, der ultrarechte Minister für die nationale Sicherheit, hat sich mit der Forderung hervorgetan, dass die Reaktion Israels nicht so „schwach“ausfallen dürfe wie das „Bombardieren von Sanddünen“im Gazastreifen. „Um im Nahen Osten Abschreckung herzustellen, muss der Herr im Haus verrückt spielen.“
„Mister Security“unter Druck
All dies muss der Premier ins Kalkül ziehen. Zumal wieder einmal seine Koalition auf dem Spiel steht. Der einst selbst ernannte „Mister Security“darf nicht als schwach erscheinen. Oppositionsführer Jair Lapid stieß in die offene Flanke. Auf das Konto Netanjahus gingen die „Ruinen von Be’eri bis Kirjat Schmona“, die nach dem Terrorangriff der Hamas verlassenen Kibbuzim im Süden und die von der Hisbollah bedrohte Stadt im Norden Israels. Prompt forderte Lapid – wie zuletzt Benny Gantz, Mitglied im Kriegskabinett – wiederholt Neuwahlen.
Im Land besteht weitgehend Konsens darüber, dass Israel es sich nicht leisten kann, eine derartige Attacke – den ersten direkten Angriff eines anderen Staats seit Saddam Huseins Raketenhagel 1991 – tatenlos hinzunehmen. Ohnehin gilt Israels Abschreckung seit dem verheerenden Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober als empfindlich beschädigt. Womöglich habe das iranische Regime den groß angelegten Angriff nur deshalb gewagt, weil es Israel als geschwächt ansehe, meinen Beobachter.
Auf dem Kriegskabinett, das aus Netanjahu, Gantz und Verteidigungsminister Joav Gallant besteht, lastet die Bürde, eine Entscheidung zu treffen, die keinen Regionalkrieg auslöst. Israel könne keine „Realität akzeptieren, in der es mit ballistischen Raketen beschossen wird und nicht darauf reagiert“, erklärte Gallant laut Medienberichten seinem USKollegen, Lloyd Austin. Netanjahu versprach, sich mit der BidenRegierung abzustimmen. Der USPräsident hatte gegenüber dem Premier betont, sich nicht aktiv an einer Militäroperation zu beteiligen. Gantz und Gallant, die ExArmeechefs, verfolgen das Ziel einer strategischen Allianz mit einigen arabischen Staaten.
Signale gegenüber den Nachbarn
Ein harter israelischer Gegenschlag könnte die volatile Lage in der Region eskalieren lassen. Dies wird auch Annalena Baerbock, die deutsche Außenministerin, bei ihrem siebten Besuch in Israel seit Beginn des GazaKriegs zur Sprache bringen. Gegenüber den Nachbarstaaten Ägypten und Jordanien sowie den Golfstaaten hat Israel signalisiert, Augenmaß zu wahren und keinen größeren Krieg zu riskieren.
Interesse haben dürfte daran jedoch weder der militärisch deutlich unterlegene Iran noch Israel, dessen Armee bereits an zwei Fronten kämpft: im Gazastreifen gegen die Hamas und an der Grenze zum Libanon gegen die Hisbollah. Eyal Pinko vom BeginSadatCenter für Strategische Studien an der BarIlanUniversität in Tel Aviv, Experte für Cybersicherheit, Geheimdienste und nationale Sicherheit, erwartet denn auch keinen harten Gegenschlag. „Wenn es eine Reaktion geben wird, dann vermute ich, dass sie weich ausfallen wird, zum Beispiel in Form eines Cyberangriffs.“Sonst fürchtet er eine konzertierte Aktion, einen Zangenangriff des Iran und der Hisbollah aus dem Südlibanon.