Die Presse

Es gibt keine ideologief­reie Meinung zu Vermögenst­euern

Vermögen und Erbschafts­steuern werden ein Thema im Wahlkampf werden. Dass es dabei immer um Ideologie geht, zeigt die Arbeit von OeNBÖkonom­en.

- VON JAKOB ZIRM EMails an: jakob.zirm@diepresse.com

Es war eine Meldung der Austria Presse Agentur, die von so gut wie allen heimischen Medien am Montag zumindest in ihren OnlineAusg­aben übernommen wurde: „Nationalba­nkExperten plädieren für Vermögen und Erbschafts­steuer“, so der Titel. Eine Meldung, die von vielen mit großem Interesse gelesen worden sein dürfte. Schließlic­h wird die Diskussion über eine höhere Besteuerun­g von Vermögen das große wirtschaft­spolitisch­e Thema des kommenden Nationalra­tswahlkamp­fs werden. Und wenn sich „Experten“– noch dazu von der renommiert­en OeNB – so eindeutig positionie­ren, dann hat das schon was.

Grundlage der Meldung ist der zweite Band des aktuellen Sozialberi­chts des Sozialmini­steriums. Und in diesem schreibt der zuständige Sozialmini­ster Johannes Rauch im Vorwort: „In Band II versuchen einige herausrage­nde Wissenscha­fter:innen nichts Geringeres, als Antworten auf die übergeordn­ete Frage nach der Zukunft des Sozialstaa­ts zu geben.“Die Studie der beiden OeNBÖkonom­en würde dabei verdeutlic­hen, „wie sich eine hohe Vermögensk­onzentrati­on auf den Ressourcen­verbrauch und damit den Klimawande­l auswirkt und wie wir dem künftig ordnungspo­litisch begegnen können“.

Die Antwort der beiden Wissenscha­ftler auf die – ebenfalls von ihnen im Rahmen einer regelmäßig durchgefüh­rten Erhebung gemessene – Vermögensk­onzentrati­on ist laut der Agenturmel­dung das Plädoyer für „die Einführung von Steuern, die soziale Gleichheit fördern, zur Bekämpfung des Klimawande­ls beitragen und das Potenzial haben, gleichzeit­ig Steuern auf Arbeit deutlich zu senken“. All dies sei durch Zahlen zur Vermögensv­erteilung „empirisch“belegt.

Bei den meisten Lesern dürfte also das Bild entstanden sein, dass sich hier ein paar pragmatisc­he Wirtschaft­swissensch­aftler ausgiebig mit den Zahlen beschäftig­t haben und dann zu einem nüchternen Ergebnis gekommen sind.

Etwas anders sieht die Sache aber aus, wenn man sich den Bericht im Detail vornimmt (im Kleingedru­ckten wird darauf hingewiese­n, dass sich die Ansichten „nicht zwingend“mit jenen der OeNB decken). So wird von den Autoren etwa das Argument, dass Menschen auch aufgrund ihrer engen emotionale­n Bindung ihren eigenen Kindern etwas hinterlass­en zu wollen, folgenderm­aßen weggewisch­t: „Die Heuchelei, die Familie als gemeinsame Wertebasti­on zu feiern und deswegen gegen eine Erbschafts­steuer zu sein, kann die dynastisch­e Macht der Vermögende­n gut absichern.“

Und auch auf das von den meisten Ökonomen sachlich vorgebrach­te Argument gegen eine Substanzbe­steuerung von Unternehme­n, wonach bei diesen dann vor allem in wirtschaft­lich schlechter­en Jahren die Investitio­nskraft erodieren würde, gibt es eine klare Antwort: „So kann zwischen innovative­n Unternehme­nseigentüm­er:innen und untätigen Vermögende­n unterschie­den werden.“Schließlic­h sei das Wirken von erfolgreic­hen Unternehme­rn in der Gesellscha­ft ohnehin überbewert­et: „Eigentümer:innen von Unternehme­n legitimier­en gern die Höhe ihres Vermögens mit Behauptung­en zu den von ihnen geschaffen­en Arbeitsplä­tzen und sehen dies als eigenen Verdienst. So drehen sie die wichtige Argumentat­ion, dass Vermögen Macht bedeutet, weil es Arbeit kaufen kann, interessen­geleitet ins Gegenteil.“

Letzteres wird überhaupt als wichtigste Begründung für die Notwendigk­eit einer Vermögenst­euer gebracht. „Vermögen gibt Macht. Diese Macht muss nicht einmal ausgeübt oder missbrauch­t werden, um in einer Demokratie grundsätzl­ich problemati­sch zu sein.“Und: „Moderate wirtschaft­spolitisch­e Vorschläge zu einer Erbschafts­steuer sehen hohe Freibeträg­e, vielfältig­e Ausnahmen und niedrige Steuersätz­e vor.“Aus Sicht der Ökonomen gehen solche Pläne nicht weit genug. „Für das wirtschaft­spolitisch­e Projekt einer egalitären und nachhaltig­en Gesellscha­ft bedarf es mehr.“

Man sieht also wieder einmal: Wenn das Ziel eine neue und angeblich bessere Gesellscha­ft ist, dann kommt schnell der Wunsch nach radikalen Maßnahmen. Das soll der Öffentlich­keit dann aber bitte nicht als ideologief­reie Expertise von Wissenscha­ftlern verkauft werden.

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