Es gibt keine ideologiefreie Meinung zu Vermögensteuern
Vermögen und Erbschaftssteuern werden ein Thema im Wahlkampf werden. Dass es dabei immer um Ideologie geht, zeigt die Arbeit von OeNBÖkonomen.
Es war eine Meldung der Austria Presse Agentur, die von so gut wie allen heimischen Medien am Montag zumindest in ihren OnlineAusgaben übernommen wurde: „NationalbankExperten plädieren für Vermögen und Erbschaftssteuer“, so der Titel. Eine Meldung, die von vielen mit großem Interesse gelesen worden sein dürfte. Schließlich wird die Diskussion über eine höhere Besteuerung von Vermögen das große wirtschaftspolitische Thema des kommenden Nationalratswahlkampfs werden. Und wenn sich „Experten“– noch dazu von der renommierten OeNB – so eindeutig positionieren, dann hat das schon was.
Grundlage der Meldung ist der zweite Band des aktuellen Sozialberichts des Sozialministeriums. Und in diesem schreibt der zuständige Sozialminister Johannes Rauch im Vorwort: „In Band II versuchen einige herausragende Wissenschafter:innen nichts Geringeres, als Antworten auf die übergeordnete Frage nach der Zukunft des Sozialstaats zu geben.“Die Studie der beiden OeNBÖkonomen würde dabei verdeutlichen, „wie sich eine hohe Vermögenskonzentration auf den Ressourcenverbrauch und damit den Klimawandel auswirkt und wie wir dem künftig ordnungspolitisch begegnen können“.
Die Antwort der beiden Wissenschaftler auf die – ebenfalls von ihnen im Rahmen einer regelmäßig durchgeführten Erhebung gemessene – Vermögenskonzentration ist laut der Agenturmeldung das Plädoyer für „die Einführung von Steuern, die soziale Gleichheit fördern, zur Bekämpfung des Klimawandels beitragen und das Potenzial haben, gleichzeitig Steuern auf Arbeit deutlich zu senken“. All dies sei durch Zahlen zur Vermögensverteilung „empirisch“belegt.
Bei den meisten Lesern dürfte also das Bild entstanden sein, dass sich hier ein paar pragmatische Wirtschaftswissenschaftler ausgiebig mit den Zahlen beschäftigt haben und dann zu einem nüchternen Ergebnis gekommen sind.
Etwas anders sieht die Sache aber aus, wenn man sich den Bericht im Detail vornimmt (im Kleingedruckten wird darauf hingewiesen, dass sich die Ansichten „nicht zwingend“mit jenen der OeNB decken). So wird von den Autoren etwa das Argument, dass Menschen auch aufgrund ihrer engen emotionalen Bindung ihren eigenen Kindern etwas hinterlassen zu wollen, folgendermaßen weggewischt: „Die Heuchelei, die Familie als gemeinsame Wertebastion zu feiern und deswegen gegen eine Erbschaftssteuer zu sein, kann die dynastische Macht der Vermögenden gut absichern.“
Und auch auf das von den meisten Ökonomen sachlich vorgebrachte Argument gegen eine Substanzbesteuerung von Unternehmen, wonach bei diesen dann vor allem in wirtschaftlich schlechteren Jahren die Investitionskraft erodieren würde, gibt es eine klare Antwort: „So kann zwischen innovativen Unternehmenseigentümer:innen und untätigen Vermögenden unterschieden werden.“Schließlich sei das Wirken von erfolgreichen Unternehmern in der Gesellschaft ohnehin überbewertet: „Eigentümer:innen von Unternehmen legitimieren gern die Höhe ihres Vermögens mit Behauptungen zu den von ihnen geschaffenen Arbeitsplätzen und sehen dies als eigenen Verdienst. So drehen sie die wichtige Argumentation, dass Vermögen Macht bedeutet, weil es Arbeit kaufen kann, interessengeleitet ins Gegenteil.“
Letzteres wird überhaupt als wichtigste Begründung für die Notwendigkeit einer Vermögensteuer gebracht. „Vermögen gibt Macht. Diese Macht muss nicht einmal ausgeübt oder missbraucht werden, um in einer Demokratie grundsätzlich problematisch zu sein.“Und: „Moderate wirtschaftspolitische Vorschläge zu einer Erbschaftssteuer sehen hohe Freibeträge, vielfältige Ausnahmen und niedrige Steuersätze vor.“Aus Sicht der Ökonomen gehen solche Pläne nicht weit genug. „Für das wirtschaftspolitische Projekt einer egalitären und nachhaltigen Gesellschaft bedarf es mehr.“
Man sieht also wieder einmal: Wenn das Ziel eine neue und angeblich bessere Gesellschaft ist, dann kommt schnell der Wunsch nach radikalen Maßnahmen. Das soll der Öffentlichkeit dann aber bitte nicht als ideologiefreie Expertise von Wissenschaftlern verkauft werden.