„Aus RusslandFiasko nichts gelernt“
Kanzler wurde freundlich empfangen. Doch bei den Kernfragen konnte er keine Erfolge vorweisen. Auch beim UkraineKrieg bewegten sich Chinesen in ihrer Position nicht.
Peking. Als der deutsche Kanzler am Dienstag vor die Presse trat, sagte seine Körperhaltung schon alles aus: Zerknirscht wirkte Olaf Scholz, defensiv, er sprach mit leiser Stimme. Doch irgendwie war es auch wieder passend für die gesamte ChinaReise des Sozialdemokraten: Er versuchte sein Bestes, doch schlussendlich gab es für die deutsche Seite kaum nennenswerte Resultate vorzuzeigen.
Drei Tage lang bereiste Scholz China, besuchte deutsche Firmen und diskutierte mit Studierenden. Am Dienstag schließlich wurde das Programm von Gesprächen mit Premier Li Qiang und Staatschef Xi Jinping gekrönt. Letzterer nahm sich sogar über drei Stunden für den angereisten Gast, eine durchaus ungewöhnliche Geste.
Doch trotz des freundlichen Empfangs war der Kanzler unmissverständlich auf schwieriger Mission unterwegs, er musste einen geradezu unmöglichen Drahtseilakt vollziehen: So erklärte er den Chinesen, dass man die eigene Wirtschaft von kritischen Abhängigkeiten befreien wolle, jedoch gleichzeitig die Handelsbeziehungen beibehalten möchte. Und auch dies könne nur gelingen, würden zwischen den zwei Märkten endlich gleiche Wettbewerbsbedingungen hergestellt werden.
Derzeit beklagen über zwei Drittel der deutschen Firmen in China einen unfairen Wettbewerb. Dies geht aus einer aktuellen Studie der Handelskammer hervor, und deren Resultate dürften repräsentativ für sämtliche europäische Unternehmen im Reich der Mitte sein. Die Konzerne fühlen sich benachteiligt bei öffentlichen Ausschreibungen, Zugängen zu Regierungsnetzwerken oder Genehmigungsverfahren. Die Goldgräbereuphorie in China ist in vielen Branchen bereits einer Katerstimmung gewichen.
Hinzu kommt das Problem der chinesischen Überkapazitäten, das schon bald der deutschen Volkswirtschaft die sprichwörtliche Butter vom Brot nehmen wird. Denn Xi Jinpings Antwort auf die heimische Immobilienkrise ist es, noch mehr Ressourcen in das herstellende Gewerbe zu investieren. Die exzessive Industriepolitik mit flächendeckenden Subventionen führt dabei bereits jetzt schon zu historischen Überkapazitäten, die aufgrund des schwachen Binnenkonsums letztlich auf den Weltmärkten abgeworfen werden – oftmals zu Dumpingpreisen. Da jedoch die USA bereits ihren Markt mit Strafzöllen schützen, ist die Bedeutung Europas für China als Handelspartner überproportional gewachsen. Die gegenseitigen Abhängigkeiten sind also keine Einbahnstraße: Peking braucht deutsche Konsumenten und Investoren, um den Wirtschaftsmotor am Laufen zu halten.
Dennoch hat Xi Jinping die Kritik des angereisten Gasts einfach beiseitegewischt. So argumentierte der 70Jährige, dass chinesische Elektroautos und Lithiumbatterien doch für Deutschland ein Gewinn seien, schließlich helfen diese bei der Energiewende. Und überhaupt würden chinesische Handelsüberschüsse den globalen Inflationsdruck mindern.
Keine Kritik an Russland
Zumindest in Brüssel wird man der Logik der Chinesen diesmal nicht folgen. So hat man bereits am Beispiel von Solarzellen feststellen müssen, wie rasant die Konkurrenz aus Fernost mit Dumpingpreisen und unfairem Wettbewerb die europäische Industrie schwächt. Bei Elektroautos und Windturbinen dürfte es diesmal zu Strafzöllen kommen, um ein ähnliches Szenario zu verhindern. Entsprechende Untersuchungen wurden bereits von Brüssel eingeleitet.
Neben Wirtschaftsthemen stand vor allem der UkraineKrieg im Mittelpunkt. Wobei das Interesse vor allem von der deutschen Seite ausging, Xi Jinping hielt sich wie so oft bedeckt. Die vagen Stellungnahmen ließen keine Änderung der russlandfreundlichen Position erkennen. So gab es auch keinerlei konkrete Zusage, dass etwa China an der Friedenskonferenz in der Schweiz teilnehmen würde. Zudem hat Peking bis heute Russlands Invasion niemals kritisiert – weder öffentlich noch hinter vorgehaltener Hand.
Ein Zugeständnis bei diesem Thema war auch nicht zu erwarten gewesen, schließlich erhielt erst genau vor einer Woche der russische Außenminister Sergej Lawrow eine überaus freundliche Audienz bei Xi Jinping in Peking. Höchstwahrscheinlich dürfte schon bald schon ein weiterer Besuch von Wladimir Putin folgen – natürlich ebenfalls mit ausgerolltem roten Teppich.
„Hoffnung in Xi als Friedensvermittler zu setzen ist wie einen Fuchs den Hühnerstall bewachen zu lassen“, argumentiert Andreas Fulda von der Universität Nottingham auf X: „Scholz hat aus dem RusslandFiasko nichts gelernt“.