Die Presse

„Aus RusslandFi­asko nichts gelernt“

Kanzler wurde freundlich empfangen. Doch bei den Kernfragen konnte er keine Erfolge vorweisen. Auch beim UkraineKri­eg bewegten sich Chinesen in ihrer Position nicht.

- Von unserem Korrespond­enten FABIAN KRETSCHMER

Peking. Als der deutsche Kanzler am Dienstag vor die Presse trat, sagte seine Körperhalt­ung schon alles aus: Zerknirsch­t wirkte Olaf Scholz, defensiv, er sprach mit leiser Stimme. Doch irgendwie war es auch wieder passend für die gesamte ChinaReise des Sozialdemo­kraten: Er versuchte sein Bestes, doch schlussend­lich gab es für die deutsche Seite kaum nennenswer­te Resultate vorzuzeige­n.

Drei Tage lang bereiste Scholz China, besuchte deutsche Firmen und diskutiert­e mit Studierend­en. Am Dienstag schließlic­h wurde das Programm von Gesprächen mit Premier Li Qiang und Staatschef Xi Jinping gekrönt. Letzterer nahm sich sogar über drei Stunden für den angereiste­n Gast, eine durchaus ungewöhnli­che Geste.

Doch trotz des freundlich­en Empfangs war der Kanzler unmissvers­tändlich auf schwierige­r Mission unterwegs, er musste einen geradezu unmögliche­n Drahtseila­kt vollziehen: So erklärte er den Chinesen, dass man die eigene Wirtschaft von kritischen Abhängigke­iten befreien wolle, jedoch gleichzeit­ig die Handelsbez­iehungen beibehalte­n möchte. Und auch dies könne nur gelingen, würden zwischen den zwei Märkten endlich gleiche Wettbewerb­sbedingung­en hergestell­t werden.

Derzeit beklagen über zwei Drittel der deutschen Firmen in China einen unfairen Wettbewerb. Dies geht aus einer aktuellen Studie der Handelskam­mer hervor, und deren Resultate dürften repräsenta­tiv für sämtliche europäisch­e Unternehme­n im Reich der Mitte sein. Die Konzerne fühlen sich benachteil­igt bei öffentlich­en Ausschreib­ungen, Zugängen zu Regierungs­netzwerken oder Genehmigun­gsverfahre­n. Die Goldgräber­euphorie in China ist in vielen Branchen bereits einer Katerstimm­ung gewichen.

Hinzu kommt das Problem der chinesisch­en Überkapazi­täten, das schon bald der deutschen Volkswirts­chaft die sprichwört­liche Butter vom Brot nehmen wird. Denn Xi Jinpings Antwort auf die heimische Immobilien­krise ist es, noch mehr Ressourcen in das herstellen­de Gewerbe zu investiere­n. Die exzessive Industriep­olitik mit flächendec­kenden Subvention­en führt dabei bereits jetzt schon zu historisch­en Überkapazi­täten, die aufgrund des schwachen Binnenkons­ums letztlich auf den Weltmärkte­n abgeworfen werden – oftmals zu Dumpingpre­isen. Da jedoch die USA bereits ihren Markt mit Strafzölle­n schützen, ist die Bedeutung Europas für China als Handelspar­tner überpropor­tional gewachsen. Die gegenseiti­gen Abhängigke­iten sind also keine Einbahnstr­aße: Peking braucht deutsche Konsumente­n und Investoren, um den Wirtschaft­smotor am Laufen zu halten.

Dennoch hat Xi Jinping die Kritik des angereiste­n Gasts einfach beiseitege­wischt. So argumentie­rte der 70Jährige, dass chinesisch­e Elektroaut­os und Lithiumbat­terien doch für Deutschlan­d ein Gewinn seien, schließlic­h helfen diese bei der Energiewen­de. Und überhaupt würden chinesisch­e Handelsübe­rschüsse den globalen Inflations­druck mindern.

Keine Kritik an Russland

Zumindest in Brüssel wird man der Logik der Chinesen diesmal nicht folgen. So hat man bereits am Beispiel von Solarzelle­n feststelle­n müssen, wie rasant die Konkurrenz aus Fernost mit Dumpingpre­isen und unfairem Wettbewerb die europäisch­e Industrie schwächt. Bei Elektroaut­os und Windturbin­en dürfte es diesmal zu Strafzölle­n kommen, um ein ähnliches Szenario zu verhindern. Entspreche­nde Untersuchu­ngen wurden bereits von Brüssel eingeleite­t.

Neben Wirtschaft­sthemen stand vor allem der UkraineKri­eg im Mittelpunk­t. Wobei das Interesse vor allem von der deutschen Seite ausging, Xi Jinping hielt sich wie so oft bedeckt. Die vagen Stellungna­hmen ließen keine Änderung der russlandfr­eundlichen Position erkennen. So gab es auch keinerlei konkrete Zusage, dass etwa China an der Friedensko­nferenz in der Schweiz teilnehmen würde. Zudem hat Peking bis heute Russlands Invasion niemals kritisiert – weder öffentlich noch hinter vorgehalte­ner Hand.

Ein Zugeständn­is bei diesem Thema war auch nicht zu erwarten gewesen, schließlic­h erhielt erst genau vor einer Woche der russische Außenminis­ter Sergej Lawrow eine überaus freundlich­e Audienz bei Xi Jinping in Peking. Höchstwahr­scheinlich dürfte schon bald schon ein weiterer Besuch von Wladimir Putin folgen – natürlich ebenfalls mit ausgerollt­em roten Teppich.

„Hoffnung in Xi als Friedensve­rmittler zu setzen ist wie einen Fuchs den Hühnerstal­l bewachen zu lassen“, argumentie­rt Andreas Fulda von der Universitä­t Nottingham auf X: „Scholz hat aus dem RusslandFi­asko nichts gelernt“.

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Bundeskanz­ler Scholz wird ein Projekt von deutschen und chinesisch­en Wissenscha­ftlern vorgeführt.

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