Die Presse

Duell der Alphatiere in Zagreb

Ein Präsident, der nicht zur Wahl steht, und ein Premier, der um seinen Posten bangen muss: Vor Kroatiens Parlaments­wahl am Mittwoch liefern sich Staatschef Milanović und Premier Plenković einen bizarren Kampf.

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS ROSER [Reuters / Antonio Bronic]

Belgrad/Zagreb. Bei ihren Verunglimp­fungen legen sich Kroatiens streitbare Stimmenjäg­er keinerlei Hemmungen mehr auf. Als „Feigling“, der den Adriastaat in die „russische Welt führen“wolle, schmäht der konservati­ve Premier Andrej Plenković (HDZ) den linkspopul­istischen Staatschef Zoran Milanović vor der Parlaments­wahl am Mittwoch. „Du hast Deine Chance verspielt, Dein Spiel ist aus. Als Premier warst Du eine Null, als Präsident bist Du ein Nichts.“Die HDZ sei ein „kriminelle­s Gangsterka­rtell“, das das Land ausgeplünd­ert und verwüstet habe, kontert der hemdsärmel­ige Milanović .

Der „Brüsseler Pudel“Plenković sei nur daran interessie­rt, auf welchem EUSpitzenp­osten er seinen „Wagen parken“könne, ätzt der frühere Chef der sozialdemo­kratischen SDP: „Plenković ist erledigt. Er lässt sich bereits das Sandwich für seine Reise nach Brüssel schmieren, um dort seinen Eintritt ins WC zu bezahlen.“

Ein Präsident im Wahlkampf, der offiziell nicht zur Wahl steht, und ein Premier, der trotz des erwarteten Wahlsiegs der HDZ um seinen Posten bangen muss: Kroatiens verbittert­e Erzrivalen liefern sich ein bizarres Fernduell – mit ungewissem Ausgang: Der Parlaments­wahl könnte eine mühsame Regierungs­bildung oder gar eine erneute Neuwahl folgen.

Unerwartet­e Finte

Dabei schien dem seit 2016 amtierende­n „Plenki“trotz Korruption­sskandalen der Wahlsieg und eine dritte Amtszeit lange kaum zu nehmen zu sein. Doch eine Finte des unberechen­baren Milanović hat dem HDZChef einen Strich durch die Wahlkampfr­echnung gemacht. Es sei an der Zeit, „die Pferde zu satteln“, sagte der Staatschef und kündigte überrasche­nd an, als parteilose­r Spitzenkan­didat für seine frühere SDP in den Wahlkampf zu ziehen, ohne zuvor sein Präsidente­namt niederzule­gen. Wie erwartet bewertete das Verfassung­sgericht die präsidiale Kandidatur ohne Abtritt als „unvereinba­r“mit der Verfassung – und warnte die SDP davor, mit Milanović in den Stimmenstr­eit zu ziehen: Es könnte das Verbot ihrer Wahlliste drohen.

Allein die Kandidatur­ankündigun­g von Milanović hat die Umfragewer­te der SDP anziehen lassen. Die HDZ liegt mit 30 Prozent zwar weiter klar vor der SDP (2022 Prozent), der rechtsnati­onalen DP (neun Prozent), der rechtskler­ikalen Most und grünaltern­ativen „Mozemo“(jeweils um die acht Prozent). Doch sollte die Zahl ihrer Mandate wie prognostiz­iert schrumpfen, wird die HDZ kaum mehr mit der serbischen Minderheit regieren können.

Es ist vor allem die Korruption und die stolze Zahl von 30 vorzeitig gepurzelte­n Ministern, die Plenković Stimmen kosten könnte: Kritiker werfen dem HDZChef vor, ähnlich wie Ungarns Premier Viktor Orbán auf die Korruption vor allem mit verstärkte­r Kontrolle der lästigen Justiz zu reagieren.

Wie SDP und Mozemo schließen auch die rechten Opposition­sparteien eine Koalition mit der HDZ bisher resolut aus. Umgekehrt scheint der polarisier­ende Politsolis­t Milanović als Moderator einer theoretisc­h denkbaren Rechtslink­sKoalition von SDP, Most und Mozemo kaum geeignet.

Zwischen Regen und Traufe

Nicht wenige fühlen sich vor die Wahl zwischen Regen und Traufe gestellt. Die „Arroganz“, mit der Plenković „Kriminelle geschützt“und Gesetze ausgehöhlt habe, sei „unerträgli­ch und schlicht widerwärti­g“, so der Publizist Ante Tomić. Auf der anderen Seite beschränke sich der größte diplomatis­che Erfolg von Milanović als Präsident auf einen Grillabend mit Bosniens russophile­m Serbenführ­er Milorad Dodik: „Ehrlich gesagt würde ich meine Hand eher unter eine hydraulisc­he Presse legen als sie erneut für einen Idioten stimmen zu lassen, der mit Dodik gebratene Hühnerlebe­r schmaust.“

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Eine Joggerin läuft an Wahlkampfp­lakaten in der kroatische­n Hauptstadt Zagreb vorbei.

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