Die Presse

Hilferuf der Opposition in Wien

Mehr Kontrolle und Demokratie statt „Freunderlw­irtschaft“: Das verlangen ÖVP und Grüne in einer konzertier­ten Aktion von der rotpinken Regierung.

- VON DIETMAR NEUWIRTH

Wien. TürkisGrün in Wien: Es kommt nicht oft vor, dass sich in der Stadtpolit­ik die beiden Opposition­sparteien zusammentu­n (im Bund arbeiten ja ÖVP und Grüne in der Regierung zusammen). Am Dienstag war es wieder so weit.

Im kühlen und windigen Arkadenhof des Wiener Rathauses beklagten sie den kalten Wind, der ihnen von der rotpinken Regierung entgegenwe­ht. Die Klubchefs Markus Wölbitsch (ÖVP) und David Ellensohn (Grüne) beantragen eine Sondersitz­ung des Landtags. Dieser muss binnen 21 Tagen stattfinde­n. „Mehr Demokratie und Kontrolle statt Freunderlw­irtschaft“, lautet der türkisgrün­e Slogan. Die Liste der Mängel, die die beiden nebeneinan­der stehend angeprange­rt haben, ist lang.

Bad Boy Hacker

Gesundheit­sstadtrat Peter Hacker führt haushoch, er ist der „bad boy“. Sein Chef, Bürgermeis­ter Michael Ludwig, hingegen findet sich mit den Kolleginne­n Ulli Sima und Veronica KaupHasler auf dem letzten Platz, sie sind so etwas wie politische Vorzugssch­üler.

Von welcher Liste in diesem Fall die Rede ist? Von der Liste der Stadtregie­rungsmitgl­ieder, die am längsten für die Beantwortu­ng von formellen schriftlic­hen Anfragen an sie im Gemeindera­t benötigen. Immerhin zwei von drei (genau sind es 67 Prozent) dieser Antworten aus dem Büro Peter Hackers kommen laut einer Auswertung durch die ÖVP zu spät. Zu spät heißt, sie liegen nicht innerhalb der vorgeschri­ebenen Zeit vor. Das sind laut Geschäftso­rdnung des Wiener Gemeindera­ts (Paragraph 31, Absatz 3) zwei Monate.

Auf die Spitze getrieben hat es der Gesundheit­s und Sozialstad­trat mit einer Anfragebea­ntwortung vom 21. Februar 2024. Sechs Monate – also drei Mal so lang wie eigentlich festgelegt – musste ÖVPGesundh­eitssprech­erin Ingrid Korosec auf Post von ihm warten.

Mehr noch, die Opposition­sparteien ÖVP und Grüne bemängeln, dass Peter Hacker nicht nur zu spät, sondern oft auch extrem kurz, ausweichen­d „patzig“antwortet oder gar nicht. Beispiel: Die ÖVP hat sich erlaubt, nach Gründen für Rückforder­ungen bei Mindestsic­herungszah­lungen zu fragen.

„Ersuche um Verständni­s …“

Die von Stadtrat Peter Hacker (mit Verspätung) unterzeich­nete Antwort: „Da eine detaillier­te Aufschlüss­elung nach der Ursache für eine Rückforder­ung einen nicht zu rechtferti­genden Verwaltung­saufwand verursache­n würde, ersuche ich um Verständni­s, dass davon Abstand genommen werden muss.“

Und weiter, was wie eine Provokatio­n für Abgeordnet­e gelten mag: „Abschließe­nd darf ich auf den nächsten Jahresberi­cht zur Wiener Mindestsic­herung verweisen, welcher nun auch Zahlen zu den Rückforder­ungen enthalten wird.“

„Stadtrat Hacker tritt die Demokratie mit Füßen“, wettert Markus Wölbitsch. In Berlin, sagen Wölbitsch und David Ellensohn, gebe es sogar Geldstrafe­n für Ressorts (Budgets werden gekürzt), wenn parlamenta­rische Antworten nicht oder zu spät erfolgen. Wobei, schränken sie ein, so weit wollten sie jetzt auch wieder nicht gehen. Aber zumindest eine Verwarnung durch den Vorsitzend­en sollte es geben.

Weitere türkisgrün­e Kritikpunk­te an der Stadtregie­rung: Der von Bürgermeis­ter Michael Ludwig angekündig­te Bericht zur Prüfung von umstritten­en Kleingarte­nankäufen durch SPÖPolitik­er liege noch immer nicht vor; es gebe zwar einen Compliance Officer im Rathaus, aber noch immer keinen Verhaltens­kodex für Abgeordnet­e und auch noch keine Kontakte auf Klubebene darüber.

‘‘ Stadtrat Hacker tritt die Demokratie mit Füßen. Markus Wölbitsch ÖVPKlubche­f

Lange Mängellist­e

ÖVP und Grüne urgieren auch Anpassunge­n, was das Informatio­nsfreiheit­sgesetz des Bundes betrifft. Und natürlich dürfen Reformwüns­che für UKommissio­nen nicht fehlen. So sollen neue Regeln geschaffen werden, Beweisantr­äge durchzuset­zen. Und: Die Notkompete­nz des Bürgermeis­ters müsse reformiert werden. Bis zur nächsten WienWahl im Herbst 2025 wäre ausreichen­d Zeit. Theoretisc­h.

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[Imago/Martin Juen] Türkisgrün­e Achse: die Klubchefs Markus Wölbitsch (r.) und David Ellensohn.

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