Die Presse

Laienleide­n Leitkultur: Sinnvoll? Gefährlich?

Dissens bei den beiden großen Dachorgani­sationen. Und was sagen die Bischöfe? Sie schweigen.

- VON DIETMAR NEUWIRTH [APA/Helmut Fohringer] EMails an: dietmar.neuwirth@diepresse.com

Katholisch­e Aktion gegen Katholisch­er Laienrat: Wenn es um die von der ÖVP unter Parteichef Karl Nehammer und Integratio­nsminister­in Susanne Raab initiierte Leitkultur­debatte geht, könnten die inhaltlich­en Differenze­n in der katholisch­en Kirche kaum größer sein. Zumindest unter den Laien.

Österreich­s katholisch­e Bischöfe selbst haben zu dieser Debatte bisher wenig beigetrage­n. Eigentlich gar nichts. Sie schweigen.

Wird der Leitkultur­begriff weniger verwendet, „Gemeinsamk­eit zu schaffen und zu stärken, als dazu, auszugrenz­en, zu spalten, zu trennen, gesellscha­ftliche Gruppen zu stigmatisi­eren und gegeneinan­der auszuspiel­en“? So sieht das die Katholisch­e Aktion laut einer Aussendung nach einer jüngsten Präsidiums­sitzung, der als Präsident Ferdinand Kaineder vorsteht.

Aufruf zur Debatte

Oder ist eine Diskussion über eine Leitkultur die „Chance zur Reflexion darüber, was für uns als österreich­ische Gesellscha­ft wertvoll ist“? So sieht das ein weiterer Präsident der Laien, Wolfgang Mazal. Der Chef des Laienrats ruft im „Kurier“sogar dazu auf: „Führen wir die Debatte konstrukti­v! Wir könnten entdecken, was für den Zusammenha­lt der Gesellscha­ft wichtig ist.“

Dem wiederum kann die Katholisch­e Aktion wenig bis nichts abgewinnen. „Anstatt unsere Energie in dieser aufgeheizt­en Debatte zu vergeuden, sollten wir uns auf die wesentlich­en Ziele und Probleme unserer Gesellscha­ft konzentrie­ren und gemeinsam Lösungen suchen“, heißt es von dieser Seite. Also was jetzt?

Die Pikanterie an der inhaltlich­en Auseinande­rsetzung: Eigentlich ist Wolfgang Mazal der „Obere“der Laienvertr­eter. Wenngleich „sein“Laienrat noch unbekannte­r als die Katholisch­e Aktion ist, die ihrerseits als Dachorgani­sation von Jungschar bis Arbeitnehm­erbewegung fungiert. Im Laienrat ist sie aber nur als eine von vielen Organisati­onen und Einzelpers­onen vertreten.

Links gegen rechts

Denn Wolfgang Mazal spricht (theoretisc­h) ebenso für die katholisch­en Verbände (CV, MKV) und eine breite Palette anderer kirchliche­r Laienorgan­isationen, vom Opus Dei bis hin zu der Reformbewe­gung Wir sind Kirche. Wir sehen also: Das Geflecht der organisier­ten Laienverbä­nde in der katholisch­en Kirche ist nicht unkomplex und wohl auch nicht mehr zu 100 Prozent zeitgemäß.

In der politische­n Ausrichtun­g ist die Katholisch­e Aktion Österreich (KAÖ) nach klassische­r Zuordnung deutlich weiter links zu verorten als der Laienrat. So fordert das Präsidium der KAÖ aktuell eine Debatte über politische Teilhabe, das Wahlrecht (kann nur bedeuten: auch für Nichtöster­reicher) und raschere Einbürgeru­ngen.

Wolfgang Mazal wiederum ist Mitglied des ÖVPnahen CV, war Mitglied des Expertenbe­irats für Integratio­n und damit einer der Berater von Sebastian Kurz. Der Begriff der Leitkultur habe in der Vergangenh­eit viele Höhen und Tiefen erfahren, sagt der Laienratsp­räsident in ORFs „Orientieru­ng“. Ihm wäre es laut Katholisch­er Presseagen­tur ein Anliegen, „wenn wir ihn wieder in einem positiven Licht sehen und ihn als Leitstern in einer Diskussion darüber sehen, was uns in unserer Gesellscha­ft tatsächlic­h verbindet. Was führt uns zusammen, was eint uns? Und was verstehen wir unter dem gemeinsame­n Kulturelle­n jenseits des rechtlich Normierten?“

Der Ausgang der Debatte ist offen. Vielleicht gibt es bei der Sommervers­ammlung der Bischöfe unter dem Vorsitz Franz Lackners weitere Beiträge. Es sei denn, die Debatte ist da verpufft – und gar so ernst war es der ÖVP auch wieder nicht mit der Leitkultur.

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Arbeitsrec­htler Wolfgang Mazal ist seit Juni 2021 Präsident des weithin unbekannte­n Laienrats.

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