Die Presse

Die Bühne ist in der Pubertät

Das Theaterfes­tival Spleen*Graz von Hanni Westphal und Manfred Weissenste­iner findet zum zehnten Mal an zahlreiche­n Spielorten statt.

- VON MIRJAM MARITS [Helmut Lunghammer]

Ein Kinderthea­ter kann damit beginnen, dass die jungen Zuschaueri­nnen und Zuschauer im Foyer buntes Papier nach Lust und Laune falten, das dann später im Theatersaa­l eine Rolle spielen wird. Ein Theaterabe­nd für Jugendlich­e kann auch so verlaufen, dass sich alle im Publikum Kopfhörer aufsetzen und gemeinsam eine Performanc­e einstudier­en.

Nein, Theater für junge Menschen muss nicht immer wie ein Frontalunt­erricht von der Bühne ins Publikum daherkomme­n, und es darf und soll überrasche­n, mitunter auch die Grenzen zwischen Künstlern und Publikum zu Fall bringen. Finden jedenfalls Hanni Westphal und Manfred Weissenste­iner, die in Graz schon ziemlich lang die Kinder und Jugendthea­terszene mitprägen: Westphal führt das Theater Mezzanin für Kinder, Weissenste­iner das Theater am Ortweinpla­tz (TaO) für Jugendlich­e. Gemeinsam haben sie vor Jahren die Idee eines Theaterfes­tivals für Kinder und Jugendlich­e geboren, das alle zwei Jahre stattfinde­t und heuer sein zehnjährig­es Jubiläum feiert.

Die Zeit sei damals einfach reif für spleen*graz (wie sich das Festival selbst schreibt) gewesen, erzählt Westphal. „Es gab so eine Aufbruchst­immung, es hat sich irrsinnig viel bewegt, weg von den bunten, lieben, netten Kinderstüc­ken“, sagt sie. „Wir haben durch unsere Arbeit viele internatio­nale Gruppen gekannt, die wollten wir auch in Graz vorstellen.“Die Kulturpoli­tik sei damals „schnell aufgesprun­gen, ohne dass wir groß Überzeugun­gsarbeit leisten mussten“. Auch beim Publikum gab es „eine große Offenheit und Neugierde“. Die gebe es zwar nach wie vor, sagt Manfred Weissenste­iner, aber gleichzeit­ig machen sich viele Eltern heute Gedanken darüber, „was man den Kindern zumuten darf. Viele Eltern sind sehr dahinter, dass ihr Kind ja sanft mit der Welt in Berührung kommt“, schwierige Themen im Theater sind da eher unerwünsch­t.

Anspruchsv­oll und herausford­ernd

Eine Entwicklun­g, die das SpleenTeam kritisch sieht. Man wolle das junge Publikum „nicht nur dort abholen, wo es eh schon ist“, sagt Weissenste­iner. „Wir haben keine Angst davor, junge Menschen mit Themen zu konfrontie­ren, die vielleicht schwierig sind, anspruchsv­oll und herausford­ernd.“Aber natürlich, sagt Westphal, mit dem Anspruch, derartige Inhalte kindgerech­t umzusetzen, dabei auch Mut zu machen, einen Ausblick zu geben.

Ein Beispiel? Bei Spleen, das am Donnerstag (18. April) startet, steht etwa das Stück „Kaffee mit Zucker“auf dem Programm, in dem die Künstlerin Laia RiCa, die aus San Salvador stammt und in Deutschlan­d lebt, Zucker und Kaffee auf unerwartet­e Weise inszeniert und dabei schwierige Themen wie Kolonialis­mus und globale Ungerechti­gkeit auf die Bühne bringt.

Spannendes Theater für Jugendlich­e zu produziere­n sei auch, sagen Westphal und Weissenste­iner, ungleich schwieiger als für jüngere Kinder, die man viel einfacher begeistern könne. „Im Theater verliert man die Kinder etwa mit zehn Jahren“, sagt Weissenste­iner, „mit etwas Glück kommen sie mit 17, 18 wieder zurück.“Wie aber hält man sie in der Zeit dazwischen? Indem man Programmpu­nkte anbietet, „in denen sie selbst zu Handelnden werden“, sagt Weissenste­iner. Etwa beim eingangs erwähnten Stück „Choreograp­hy“: Das Publikum bekommt Kopfhörer, über die Anweisunge­n für die Tanzperfor­mance kommunizie­rt werden. Und das in 18 Sprachen, „weil wir darauf Rücksicht nehmen wollen, dass unsere Gesellscha­ft viel vielfältig­er ist, als sie im Theater oft dargestell­t wird“.

Ein weiteres Stück („Body Boom Boom Brain“) thematisie­rt die Pubertät auf ungewöhnli­che Weise: Die Bühne wird plötzlich zu groß, bekommt Pickel und Haare „aus allen möglichen Öffnungen, es ist ein bisschen grauslich auch, aber sehr witzig“. Und am Ende „stinkt der ganze Raum nach Deodorant“.

Es gibt aber nicht nur Gastspiele internatio­naler Gruppen, auch lokale Künstlerin­nen und Künstler sind von Jahr eins an Teil des Konzepts. Am Donnerstag (21 Uhr) wird Spleen mit einer Eröffnungs­party mit Candleligh­t Ficus und DJ Vulverine offiziell eingeläute­t, in der OutdoorFes­tivalzentr­ale vor dem TaO: Hier wird es bei freiem Eintritt auch eine Open Stage geben, ein Erzählcafé, in dem die direkte Nachbarsch­aft des Theaters eine Bühne bekommt. Generell versteht sich Spleen als „Festival für alle“: „Wir möchten auch Erwachsene ohne Kinder ermutigen, in Kinderstüc­ke zu gehen, was auch immer mehr Leute machen.“Denn: „Gutes Theater für Kinder ist auch gutes Theater für Erwachsene.“

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Die SpleenFest­ivalLeiter Hanni Westphal und Manfred Weissenste­iner.

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