Der Erfinder der Schwalbe
Mit Bernd Hölzenbein starb nun der sechste Spieler der deutschen Fußballweltmeister von 1974. Der Stürmer glänzte filigran mit Toren; ob ein Elfer rechtens war, blieb sein Mysterium.
Holz“ist tot und FußballDeutschland trauert nun um den bereits sechsten Spieler der Mannschaft von 1974, die bei der HeimWM den Titel gewonnen hat. Nach Franz Beckenbauer, Gerd Müller, Jürgen Grabowski, HorstDieter Höttges und Heinz Flohe ist am Montag Bernd Hölzenbein verstorben. Der Hesse war ein EintrachtVeteran, trug von 1967 bis 1981 in stolzen 420 Bundesligapartien das Trikot der Frankfurter. Er stürmte zu drei CupSiegen gewann 1980 auch den UefaCup – ÖFBIkone Bruno Pezzey war damals sein Klubkollege. Doch wer den Namen Hölzenbein hört, denkt dann doch immer zuerst an diesen einen Elfmeter. Den im WMFinale 1974.
24. Spielminute. Der begnadete Dribbler verschafft sich Platz, sprintet unbedrängt in den Strafraum der Niederländer. Wim Jansen grätscht relativ ungestüm dazwischen, der DFBAngreifer kommt zu Fall. Der englische Referee Jack Taylor entscheidet sofort auf Elfmeter. Paul Breitner trifft zum 1:1, Gerd Müller sorgt für das 2:1. Deutschland ist zum zweiten Mal nach 1954 Weltmeister, doch dieser Elfer sorgt bis in die Gegenwart für Gesprächsstoff. Der OranjeVerteidiger hat den Deutschen nicht wirklich getroffen, oder doch? So oder so: Seitdem galt Hölzenbein (für Niederländer) als „Erfinder der Schwalbe“.
Das Sitzkopfballtor
Revolutionär, Vorbild, fieser Trickser oder Vorreiter, über die Rollenverteilung und Bedeutung, vor allem die Folgen für den Weltfußball gibt es zig Legenden. Hölzenbein, der Sohn eines Busunternehmers aus Dehrn in Hessen, war zeit seines Lebens damit konfrontiert. Einmal nervte es ihn, einmal lachte er, aber Fußball blieb sein Lebensinhalt. Ob mit 160 Toren für Eintracht Frankfurt, 40 für die DFBAuswahl, Titeln (Cupsieger 1974, 1975, 1981) oder der Wegbereitung für den Klub als Manager oder Chefscout, der Vater zweier erwachsener Kinder war trotz langer Krankheit mittendrin. Auch versuchte er sich als Besitzer eines Tennis und SquashZentrums. Aber egal was „Holz“(nur in Anlehnung an den Namen, denn sein Spiel war überaus filigran) tat, es blieb dabei: Da der Elfmeter für Deutschland, bei dem die Schwalbe abhob, dort das Sitzkopfballtor für Eintracht im UefaCup gegen Bukarest im November 1979.
Im modernen Fußball der Gegenwart hebt fast jeder im Strafraum ab, wenn die Grasnarbe zu hoch scheint, der Wind stärker weht oder eine minimale Körperberührung stattfindet. Hölzenbein flog, allerdings aus „Selbstschutz“, wie er mehrmals der „FAZ“erklärt hatte. Wer lasse sich denn schon sein Bein „durchtreten“, entgegnete der Fußballer alle Fragen. Und resignierte doch, weil sie nicht enden wollten – und diese Legende stimmt: Ein niederländischer Verlag mit 100.000 Mark lockte, wenn er die Unfairness zugeben würde. Hölzenbein lehnte ab. „Wenn dieser Elfmeter das Einzige ist, das von mir in Erinnerung geblieben ist, dann ist das schade.“
Doch der Königsadler
Dass Eintracht einen Raubvogel im Logo trägt und er anstatt des Adlers mit einem Vertreter der Familie aus Sperlingen und Singvögeln assoziiert wurde, sorgte in ihm für Kontroversen. Um dem entgegenzuwirken, ließ DVD und Videoanalysen fertigen, die Hölzenbein bei Diskussionen, FifaForen, KlubMeetings oder bei seinen USStationen in Fort Lauderdale, Memphis und
‘‘ Wenn dieser Elfmeter das Einzige ist, das von mir in Erinnerung geblieben ist, dann ist das schade.
Bernd Hölzenbein
Baltimore immer wieder zeigte. In „Supersupersuperzeitlupe“. Es änderte nichts: Der Flügelstürmer der „goldenen 1970erJahre“blieb als Schlitzohr „punziert“.
Als Chefscout hörte er 2017 auf, hohes Alter, Stress und Ruhe nannte er als Grund. In der CoronaZeit hatte er sich als Risikopatient schnell zurückgezogen und Abwechslung auf dem Laufband und mit einer YogaApp oder im Garten gefunden, erzählte er der „BildZeitung“. Eintracht blieb Hölzenbein trotzdem treu wie kein anderer, egal, in welcher Liga oder Krise. Den bisher letzten Titelgewinn, den EuropaLeagueTriumph 2022 mit Trainer Oliver Glasner gegen Glasgow Rangers konnte er nicht mehr in Sevilla mitverfolgen. Sein Abschied hatte da schon begonnen, ganz langsam, auf Raten.
Für den WMTitel wurde er mit dem Silbernen Lorbeerblatt ausgezeichnet, sein Konterfei ziert eine der zwölf „Säulen der Eintracht“auf dem WillyBrandtPlatz. Klub und „Holz“, ob Adler und Schwalbe, man hielt zusammen. (DPA/fin)