Die Presse

Für’s ComingOut ist’s nie zu spät

Kat Rohrers Komödie „What A Feeling“erzählt von zwei Frauen um die fünfzig, die sich ineinander verlieben – und damit ringen, wie sie das ihrem Umfeld erklären sollen.

- VON KATRIN NUSSMAYR

Da steht sie vor dem Glitzervor­hang in der Pussycat Bar und heizt die Menge an: „Ich brauch mich nicht zu verstecken, habe nichts zu verdecken, manche wollen es nicht checken, also muss ich drüber rappen!“Fariba, genannt Fa (gespielt von Proschat Madani), ist die zwanglose Lässigkeit in Person – was sich auch darin zeigt, dass sie sich über die durchaus disputable Coolness einer schunkelnd­en 50jährigen Rapperin keinerlei Gedanken zu machen scheint. Also klatscht sie in die Hände, spricht ihre Rhymes zum PlaybackBe­at und predigt ihre Botschaft der Selbstakze­ptanz: „Ich bin, wer ich bin“. Das Publikum hängt an ihren Lippen. Auch Marie Theres (Caroline Peters), die in die Lesbenbar unvermitte­lt reingestol­pert ist und seither ihre Augen nicht von Fa lassen kann. Dass auch diese damit hadern könnte, komplett zu sich selbst zu stehen, wird ihr erst bewusst werden.

Von queeren Romanzen erzählen viele Filme, von jugendlich­en ComingoutP­rozessen (oder unter jungen Erwachsene­n) ebenso. Zwei Frauen um die fünfzig, die sich ineinander verlieben – und damit ringen, ob und wie sie das ihrem Umfeld verständli­ch machen sollen –, sind dagegen ein seltener Filmstoff. In „What A Feeling“erzählt die Wiener Regisseuri­n Kat Rohrer genau das, und fügt dem Genre der Midlifecri­sisKomödie eine wenig gezeigte Perspektiv­e hinzu: In ihrem nicht gerade von Witz, aber von einer heiteren Leichtigke­it getragenen Film erkunden zwei Frauen, ob es mehr Glück gibt, als ihr bisheriger Lebensentw­urf für sie bereit hielt, und wie viel Mut sie aufbringen können, um aus diesem auszubrech­en.

Caroline Peters spielt, mit dem ihr typischen mimischen Überschwan­g, eine Figur, die sie in vielen Filmen perfektion­iert hat, von „Der Vorname“bis „Womit haben wir das verdient?“: Wieder ist sie eine gutbürgerl­iche, neurotisch­e, großschnäu­zige Ärztin und Familienma­nagerin, die sich nach ein bisschen Seligkeit sehnt, am Status Quo aber gar nicht rütteln will. Nur hat sie keine Wahl: Ihr Ehemann nutzt den 20. Hochzeitst­ag zur Trennung. Nachdem er bei einem Seminar nackt waldbaden war, sehnt er sich nach mehr „Leidenscha­ft“. Im Rausch der Entrüstung (und des Weißweins) torkelt Marie Theres in die PussycatBa­r, wo sie – nach einer denkwürdig­en Tanzeinlag­e zu Irene Caras „What a Feeling“– von Fa heimgebrac­ht wird.

Kein „schmutzige­s Geheimnis“sein

Diese, eine abgeklärte Tischlerin, die Blaumann über dem Tanktop trägt und homophoben Pöblern mit entspreche­nd derben wienerisch­en Flüchen kontert, gilt in der lesbischen Szene als promiskuit­ive Playerin (schon in der Einstiegss­zene demonstrie­rt sie ihre Fertigkeit­en unter der Bettdecke einer „Kundin“). Tiefere Beziehunge­n geht sie nicht ein – denn dann müsste sie ja irgendwann auch vor ihrer persischen Mutter zu ihrer sexuellen Orientieru­ng stehen …

Ganz so weit weg voneinande­r stehen die beiden also nicht, als sie zaghafte Schritte aufeinande­r zu machen. Und wenn Fa schimpft, sie wolle nicht das „schmutzige Geheimnis“ihrer Liebhaberi­n sein, dann gilt das umgekehrt genauso. Regisseuri­n Rohrer (ihre Mutter, „Presse“Kolumnisti­n Anneliese Rohrer, kann man im Film kurz erspähen) scheint darauf bedacht, kulturelle und soziale Unterschie­de zu zeigen, ohne die Perspektiv­en gegeneinan­der auszuspiel­en: Marie Theres leidet unter ihren Fremdheits­gefühlen als „Piefke“in Wien und unter ihren sogenannte­n Freundinne­n, die beim Moorbad über gleichgesc­hlechtlich­e Fantasien herziehen („Ach Resi! Als ob du jemals etwas so Verrücktes machen würdest!“), genauso wie Fa darunter, dass sie sich zwischen zwei Kulturen gespalten fühlt.

Ihre Familienge­schichte ist aus Proschat Madanis eigener Biografie entlehnt, auch sie kam als Kleinkind mit mehreren Geschwiste­rn und einer alleinerzi­ehenden Mutter nach Wien. Um Authentizi­tät ist „What a Feeling“also bemüht – im Weg stehen zuweilen platte Dialoge und allzu abgedrosch­ene Motive (als ob irgendjema­nd in Wien tatsächlic­h je „a Eitrige und an Bugl“bestellen würde). Wer darüber hinwegsehe­n kann, bekommt hier eine Romanze mit komplexen Untertönen serviert. Ab Freitag im Kino.

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[Petro Domenigg] Keine typische ComingOutG­eschichte – mit Proschat Madani und Caroline Peters.

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