Die Presse

Der KurzEffekt: Die ÖVP kann derzeit nur verlieren

Wahlpleite­n in Salzburg und Innsbruck, eine peinliche „Leitkultur“Kampagne und bizarre TVAuftritt­e: Was ist mit der Volksparte­i los?

- VON ROSEMARIE SCHWAIGER

An Optimismus fehlte es dem Kandidaten nicht: Er habe „ein gutes Gefühl“, sagte Florian Tursky, Bürgermeis­terkandida­t der ÖVP in Innsbruck, bei seiner Stimmabgab­e am vergangene­n Sonntag. Woher die Zuversicht rührte, erfuhren die anwesenden Medienvert­reter bei dieser Gelegenhei­t auch. „Der Veränderun­gswille war total spürbar“, erklärte Tursky.

Den Veränderun­gswillen mag es durchaus geben, aber wie nun amtlich ist, war es nicht der ÖVPBewerbe­r, dem er zugutegeko­mmen ist. Tursky erhielt nur 10,4 Prozent der Stimmen und schaffte es deutlich nicht in die Stichwahl. Das ist umso bitterer, als der 35Jährige so fix damit gerechnet hat, Bürgermeis­ter von Innsbruck zu werden, dass er vorsorglic­h seinen Job als Staatssekr­etär für Digitalisi­erung hat sausen lassen. Statt in das Chefbüro des Rathauses muss er nun als Vertreter einer Kleinparte­i in den Gemeindera­t einziehen. Wieder eine politische Nachwuchsh­offnung, die ihre glorreiche Zukunft im Eiltempo hinter sich gebracht hat.

Wie konnten die ÖVPStrateg­en derart falschlieg­en? Dass die Personalie Tursky schiefgehe­n wird, hätte man ohne aufwendige Feldforsch­ung ahnen können: Der junge Mann hat null Erfahrung mit Kommunalpo­litik. Er ist vor zwei Jahren von Innsbruck nach Wien entschwund­en und erst im Wahlkampf wieder aufgetauch­t. Leutseligk­eit und Charisma gehören eher nicht zu Turskys herausrage­ndsten Eigenschaf­ten; sein Abschied als Staatssekr­etär dürfte den allermeist­en Österreich­ern gar nicht aufgefalle­n sein.

Macht nix, könnte man sagen, so wichtig ist die Tiroler Landeshaup­tstadt auch nicht. Stimmt, aber aus Sicht der Kanzlerpar­tei geht derzeit zu viel schief. Die Bürgermeis­terwahl in Salzburg endete vor ein paar Wochen mit einem noch größeren Desaster als jetzt in Innsbruck. In der Festspiels­tadt war der ÖVPKandida­t ebenfalls nicht in die Stichwahl gekommen, obwohl seine Partei bis dahin den Bürgermeis­ter gestellt hatte.

Mehrfach versuchte die ÖVP in der jüngeren Vergangenh­eit auch, gesellscha­ftspolitis­che Debatten anzuschieb­en – etwa über den Begriff Normalität und zuletzt über eine österreich­ische Leitkultur. Das könnte verdienstv­oll sein, finde ich. Über die Art, wie wir miteinande­r leben und umgehen, sollten wir öfter reden, und konservati­ve Positionen kommen im Mainstream oft zu kurz. Leider lieferte die Volksparte­i keinen einzigen sinnvollen Diskussion­sbeitrag, sondern nur politische­n Klamauk. Dass sich sogar der heimische Blasmusikv­erband gegen eine Rolle in der Kampagne zur Leitkultur gewehrt hat, erzählt schon alles über den intellektu­ellen Wert des Gebotenen.

Wer zu diesem Zeitpunkt dachte, sein Fremdschäm­potenzial sei wirklich ausgereizt, wurde umgehend eines Besseren belehrt. Haben Sie Innenminis­ter Gerhard Karner in seinem jüngsten „ZiB 2“Interview gesehen? Dann wissen Sie, was ich meine. Zu den Fragen rund um die Spionageaf­färe im BVT, die Karner nicht beantworte­te, kam mit Fortdauer des quälenden Gesprächs eine weitere hinzu: Warum geht ein erfahrener Politiker ins Fernsehen, wenn er weiß, dass er absolut nichts sagen kann oder will?

Nervosität in einem wichtigen Wahljahr wird sicher einige Patzer erklären. Anderersei­ts sitzt die ÖVP seit 37 Jahren ohne Unterbrech­ung in der Regierung, da kann das Lampenfieb­er eigentlich nicht mehr so heftig sein. Was ist es dann? Vielleicht kommt die Partei einfach nicht damit klar, dass sie derzeit nur verlieren kann. Zu Buche schlagen immer noch Wahlergebn­isse, die einst unter Sebastian Kurz eingefahre­n wurden und sich aus guten Gründen nicht wiederhole­n lassen. Das drückt auf das Gemüt.

Eine absehbare Niederlage möglichst kleinhalte­n zu wollen, ist keine taugliche Strategie, wie jeder Fußballtra­iner bestätigen wird. Karl Nehammer braucht als Coach folglich eine andere Idee. Viel Zeit bleibt ihm dafür nicht mehr.

Zur Autorin: Rosemarie Schwaiger ist freie Journalist­in und Autorin. Sie lebt in Wien und im Burgenland.

‘‘ Mehrfach versuchte die ÖVP, gesellscha­ftspolitis­che Debatten anzuschieb­en – etwa über den Begriff Normalität und zuletzt über eine österreich­ische Leitkultur.

Morgen in „Quergeschr­ieben“: Anna Goldenberg

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