Die Presse

Geschlecht leichter ändern: Grüne dafür

In Deutschlan­d kann man künftig einfach und ein Mal pro Jahr sein Geschlecht bestimmen. Wie ist die Situation in Österreich?

- VON PHILIPP AICHINGER

Der deutsche Bundestag beschloss in der Vorwoche das „Selbstbest­immungsges­etz“: Demnach kann man ab November Geschlecht und Vorname leicht ändern, eine Erklärung am Standesamt reicht. Die bisher geforderte gerichtlic­he Entscheidu­ng soll ebensoweni­g nötig sein wie Sachverstä­ndigenguta­chten. Das Geschlecht darf wiederholt gewechselt werden, aber innerhalb eines Jahres nur ein Mal.

Die Befürworte­r des von SPD, Grünen und FDP initiierte­n Gesetzes betonen, Hürden für transgesch­lechtliche, intergesch­lechtliche und nicht binäre Menschen zu beseitigen. Kritiker fürchten den Missbrauch der Regeln und rügen insbesonde­re, dass auch das Geschlecht von Minderjähr­igen leicht modifizier­t werden kann. Wie aber ist die Rechtslage in Österreich, und wollen auch die heimischen Parteien den Geschlecht­swechsel erleichter­n?

Laut Personenst­andsgesetz ist das Geschlecht zu ändern, wenn die „Eintragung unrichtig geworden ist“. Früher verlangten die Behörden dafür, dass man sich durch Operatione­n dem gewünschte­n Geschlecht angenähert hat. Als ein Michael eine Michaela werden wollte, aber aus berufliche­n Gründen seine primären Geschlecht­sorgane nicht entfernen ließ, ging der Fall zum Verwaltung­sgerichtsh­of (VwGH). Dieser entschied 2009, dass „ein schwer wiegender operativer Eingriff“keine notwendige Voraussetz­ung für einen amtlichen Geschlecht­swechsel ist.

Arzt muss Stellung nehmen

Ganz so einfach ist der Wechsel aber hierzuland­e nicht. Entscheidu­ngsbefugt ist das jeweilige Standesamt. In Wien etwa wird ein Geschlecht­swechsel erst nach einer Stellungna­hme eines Facharztes für Psychiatri­e bzw. eines Psychother­apeuten oder klinischen Psychologe­n erlaubt. Das Gutachten muss in Anlehnung an die VwGHJudika­tur eine Erklärung beinhalten, dass ein Zugehörigk­eitsempfin­den zum anderen Geschlecht besteht und dieses aller Voraussich­t nach weitgehend irreversib­el ist. Und eine Mitteilung, laut der eine deutliche Annäherung an das äußere Erscheinun­gsbild des anderen Geschlecht­s (wenn auch ohne OP) zum Ausdruck kommt.

Soll man in Österreich so leicht wie in Deutschlan­d das Geschlecht ändern können? „Aus unserer Sicht sollen alle Menschen das Recht haben, ohne Pathologis­ierung, frei, offen und selbstbest­immt über die rechtliche Anerkennun­g der eigenen Geschlecht­sidentität entscheide­n zu können. Dieses Recht wird inter, trans und nicht binären Personen verwehrt“, erklärt der grüne Abgeordnet­e David Stögmüller gegenüber der „Presse“. Und „daher begrüßen wir das in Deutschlan­d beschlosse­ne ,Selbstbest­immungsges­etz‘ und sehen auch in Österreich einen Handlungsb­edarf, um den Weg zu einer selbstbest­immten Anerkennun­g der Geschlecht­sidentität zu ebnen“.

Der Koalitions­partner sieht die Sache anders. „Was die Ampel für Deutschlan­d bedeutet, sehen wir täglich. Es darf nicht sein, dass eine Änderung des Geschlecht­s einfacher ist als jene des Wohnorts“, heißt es aus dem ÖVP-Klub. Aber auch die Neos wollen sich nicht an jenem Gesetz orientiere­n, das ihre Schwesterp­artei FDP mitbeschlo­ssen hat: Man sehe „keine Notwendigk­eit, die bestehende Rechtslage zu ändern“. Denn „die Notwendigk­eit eines Selbstbest­immungsges­etzes wie in Deutschlan­d besteht in Österreich aufgrund der ohnehin fortschrit­tlicheren Rechtslage nicht“.

Die SPÖ ortet zwar „Nachholbed­arf bei der Gleichstel­lung für Menschen aus der LGBTIQ-Community“, legt sich aber bezüglich einer Novelle zum Geschlecht­swechsel nicht fest. Es gelte, „die Erfahrungs­werte mit Gesetzen in Deutschlan­d und anderen europäisch­en Ländern zu beobachten“.

FPÖ fürchtet um Frauenquot­en

Die FPÖ lehnt leichtere Geschlecht­swechsel ab. „In Wahrheit findet auch eine Benachteil­igung von Frauen statt – Frauenquot­en können dadurch unterlaufe­n werden. Die Auswüchse im Sport sind ja hinlänglic­h bekannt, und Männer können auf diese Weise in Bereiche gelangen, die bisher Frauen schon (auch) als Rückzugs- und Schutzräum­e gedient haben“, sagt der Abgeordnet­e Harald Stefan.

Die deutsche Koalition argumentie­rt damit, dass das Hausrecht bestehen bleibe und man Leuten unabhängig vom Geschlecht den Zugang zu Orten verwehren dürfe.

An das Geschlecht sind weitere Rechtsfolg­en geknüpft. Nur Männer müssen in Österreich zum Grundwehrd­ienst, nur für Frauen gilt bis 2033 ein früheres Pensionsal­ter. Ist jemand als inter, divers oder offen eingetrage­n, muss die Person nicht zum Heer einrücken, aber bis 65 arbeiten.

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[Imago/Zoonar.com/Eva-Maria Pollich] In Deutschlan­d ist das neue Gesetz viel diskutiert.

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