Geschlecht leichter ändern: Grüne dafür
In Deutschland kann man künftig einfach und ein Mal pro Jahr sein Geschlecht bestimmen. Wie ist die Situation in Österreich?
Der deutsche Bundestag beschloss in der Vorwoche das „Selbstbestimmungsgesetz“: Demnach kann man ab November Geschlecht und Vorname leicht ändern, eine Erklärung am Standesamt reicht. Die bisher geforderte gerichtliche Entscheidung soll ebensowenig nötig sein wie Sachverständigengutachten. Das Geschlecht darf wiederholt gewechselt werden, aber innerhalb eines Jahres nur ein Mal.
Die Befürworter des von SPD, Grünen und FDP initiierten Gesetzes betonen, Hürden für transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nicht binäre Menschen zu beseitigen. Kritiker fürchten den Missbrauch der Regeln und rügen insbesondere, dass auch das Geschlecht von Minderjährigen leicht modifiziert werden kann. Wie aber ist die Rechtslage in Österreich, und wollen auch die heimischen Parteien den Geschlechtswechsel erleichtern?
Laut Personenstandsgesetz ist das Geschlecht zu ändern, wenn die „Eintragung unrichtig geworden ist“. Früher verlangten die Behörden dafür, dass man sich durch Operationen dem gewünschten Geschlecht angenähert hat. Als ein Michael eine Michaela werden wollte, aber aus beruflichen Gründen seine primären Geschlechtsorgane nicht entfernen ließ, ging der Fall zum Verwaltungsgerichtshof (VwGH). Dieser entschied 2009, dass „ein schwer wiegender operativer Eingriff“keine notwendige Voraussetzung für einen amtlichen Geschlechtswechsel ist.
Arzt muss Stellung nehmen
Ganz so einfach ist der Wechsel aber hierzulande nicht. Entscheidungsbefugt ist das jeweilige Standesamt. In Wien etwa wird ein Geschlechtswechsel erst nach einer Stellungnahme eines Facharztes für Psychiatrie bzw. eines Psychotherapeuten oder klinischen Psychologen erlaubt. Das Gutachten muss in Anlehnung an die VwGHJudikatur eine Erklärung beinhalten, dass ein Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht besteht und dieses aller Voraussicht nach weitgehend irreversibel ist. Und eine Mitteilung, laut der eine deutliche Annäherung an das äußere Erscheinungsbild des anderen Geschlechts (wenn auch ohne OP) zum Ausdruck kommt.
Soll man in Österreich so leicht wie in Deutschland das Geschlecht ändern können? „Aus unserer Sicht sollen alle Menschen das Recht haben, ohne Pathologisierung, frei, offen und selbstbestimmt über die rechtliche Anerkennung der eigenen Geschlechtsidentität entscheiden zu können. Dieses Recht wird inter, trans und nicht binären Personen verwehrt“, erklärt der grüne Abgeordnete David Stögmüller gegenüber der „Presse“. Und „daher begrüßen wir das in Deutschland beschlossene ,Selbstbestimmungsgesetz‘ und sehen auch in Österreich einen Handlungsbedarf, um den Weg zu einer selbstbestimmten Anerkennung der Geschlechtsidentität zu ebnen“.
Der Koalitionspartner sieht die Sache anders. „Was die Ampel für Deutschland bedeutet, sehen wir täglich. Es darf nicht sein, dass eine Änderung des Geschlechts einfacher ist als jene des Wohnorts“, heißt es aus dem ÖVP-Klub. Aber auch die Neos wollen sich nicht an jenem Gesetz orientieren, das ihre Schwesterpartei FDP mitbeschlossen hat: Man sehe „keine Notwendigkeit, die bestehende Rechtslage zu ändern“. Denn „die Notwendigkeit eines Selbstbestimmungsgesetzes wie in Deutschland besteht in Österreich aufgrund der ohnehin fortschrittlicheren Rechtslage nicht“.
Die SPÖ ortet zwar „Nachholbedarf bei der Gleichstellung für Menschen aus der LGBTIQ-Community“, legt sich aber bezüglich einer Novelle zum Geschlechtswechsel nicht fest. Es gelte, „die Erfahrungswerte mit Gesetzen in Deutschland und anderen europäischen Ländern zu beobachten“.
FPÖ fürchtet um Frauenquoten
Die FPÖ lehnt leichtere Geschlechtswechsel ab. „In Wahrheit findet auch eine Benachteiligung von Frauen statt – Frauenquoten können dadurch unterlaufen werden. Die Auswüchse im Sport sind ja hinlänglich bekannt, und Männer können auf diese Weise in Bereiche gelangen, die bisher Frauen schon (auch) als Rückzugs- und Schutzräume gedient haben“, sagt der Abgeordnete Harald Stefan.
Die deutsche Koalition argumentiert damit, dass das Hausrecht bestehen bleibe und man Leuten unabhängig vom Geschlecht den Zugang zu Orten verwehren dürfe.
An das Geschlecht sind weitere Rechtsfolgen geknüpft. Nur Männer müssen in Österreich zum Grundwehrdienst, nur für Frauen gilt bis 2033 ein früheres Pensionsalter. Ist jemand als inter, divers oder offen eingetragen, muss die Person nicht zum Heer einrücken, aber bis 65 arbeiten.