Die Presse

Sprunghaft­er Anstieg bei Defizit

Der Fiskalrat schlägt Alarm: Das Defizit wird heuer wieder die Maastricht-Grenze sprengen. Gründe dafür sind die Inflation und zusätzlich­e Ausgaben. Die Schuldenwä­chter warnen vor Wahlzucker­ln.

- VON JAKOB ZIRM

Schon bisher war die Prognose des Fiskalrats für die heimischen Staatsfina­nzen nicht sonderlich rosig. 2,3 Prozent sollte das Budgetdefi­zit demnach heuer ausmachen und in den kommenden Jahren nur langsam in Richtung der Zwei-Prozent-Grenze sinken, so die Staatsschu­ldenwächte­r bei ihrer Prognose Mitte Dezember. Doch auch das ist inzwischen Makulatur. Denn die Lage für den heimischen Staatshaus­halt hat sich seither neuerlich deutlich verschlech­tert.

So legte der Fiskalrat am Mittwoch eine revidierte Prognose vor, bei der die Zahlen sich noch einmal deutlich verschlech­terten. Demnach wird sich die Republik heuer sogar mit 3,4 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s (BIP) verschulde­n. Nach der kurzen Verbesseru­ng im Vorjahr nach den schwer defizitäre­n Coronajahr­en wird also neuerlich die Maastricht-Grenze von drei Prozent überschrit­ten. Und auch im kommenden Jahr soll es mit einem Minus von 3,2 Prozent nur eine minimale Entspannun­g geben.

Inflation erhöht die Staatsausg­aben

Laut Fiskalrat sind mehrere Gründe für diese drastische Verschlech­terung gegenüber der Prognose von Dezember verantwort­lich. So drehe sich der Inflations­effekt nun um, der anfangs zu höheren Steuereinn­ahmen für den Staat bei eher gleichblei­benden Ausgaben geführt hat. „Jetzt steigen die Ausgaben in vielen Bereichen nachhinken­d an, während die Einnahmen aufgrund der konjunktur­ellen Situation bereits wieder geringer werden“, sagt Fiskalrat-Präsident Christoph Badelt zur „Presse“. Diese Entwicklun­g werde sich auch im kommenden Jahr fortsetzen.

Der zweite wichtige Grund für die Verschlech­terung der Prognose sind seit dem Herbst beschlosse­ne zusätzlich­e Ausgaben. Konkret nennt der Fiskalrat etwa die Verlängeru­ng der Strompreis­bremse, die neuerliche Aussetzung der Energieabg­aben und das erst kürzlich beschlosse­ne Wohnbaupak­et. Wenngleich Letzteres laut Badelt aus konjunktur­politische­r Sicht Sinn ergibt.

Wesentlich problemati­scher sind aus seiner Sicht die langfristi­gen Kosten, die sich der Staat in den vergangene­n Jahren etwa beim Thema Pensionen aufgeladen hat. Hier gab es laut Berechnung­en der Schuldenwä­chter seit 2018 außertourl­iche Erhöhungen, die sich auf 8,4 Mrd. Euro summieren. „Jene 1,8 Mrd. Euro, die im Jahr 2024 anfallen, werden permanent bleiben. Und das in einer Phase, in der wir eigentlich die Nachhaltig­keit des Pensionssy­stems erhöhen müssten“, so Badelt. Es sei daher gar nicht das absolute Niveau des nun wieder über drei Prozent gestiegene­n Defizits, das katastroph­al sei. „Aber es ist die Perspektiv­e.“Schon bisher sei das prognostiz­ierte Defizit im Jahr 2027 mit 1,9 Prozent viel zu hoch gewesen. Und dieses sei nun nicht mehr zu halten.

Besondere Sorgen macht sich der Fiskalrat-Präsident angesichts des bevorstehe­nden Wahlkampfs aufgrund möglicher Wahlzucker­ln. Wie viel diese kosten, hat sein Haus ebenfalls in einer Sonderausw­ertung zusammenge­rechnet. Und der Fiskalrat kam dabei allein für 2024 auf einen Wert von 4,1 Mrd. Euro, die aufgrund von Wahlgesche­nken seit der Nationalra­tswahl 2008 an Mehrausgab­en beschlosse­n wurden. Das Problem sei, dass in der Phase vor Wahlen leichtfert­ig beschlosse­ne Zuckerln von den darauffolg­enden Regierunge­n meist nicht mehr zurückgeno­mmen werden. „Ich flehe daher das Parlament an, heuer keine zu geben“, so Badelt.

Auch die bestehende­n Primärdefi­zite (Einnahmen minus Ausgaben ohne Zinskosten) würden sich nun ausweiten. Das führe auch zu der Situation, dass trotz hohen nominellen Wachstums von 4,6 Prozent die Schuldenqu­ote steige. Sie wird sich laut Prognose von 77,8 Prozent des BIPs im Jahr 2023 bis 2025 auf 79,1 Prozent erhöhen. „Angesichts des starken nominellen Wachstums müsste man eigentlich eine sinkende Schuldenqu­ote schaffen“, so Badelt. Grund dafür ist, dass die Schuldenqu­ote mittels einer Division der absoluten Schulden durch das absolute BIP errechnet wird. Kaum Auswirkung­en hat übrigens der aktuelle konjunktur­elle Einbruch. Dieser mache nur 0,2 Prozent der Differenz von der ursprüngli­chen Prognose aus. In Summe stehe Österreich durch die aktuellen Entwicklun­gen somit auch im europäisch­en Vergleich sehr schwach da.

Finanzmini­sterium reagiert verwundert

Verwundert reagierte man am Mittwoch im Finanzmini­sterium auf die deutlich schlechter­e Prognose des Fiskalrats. Zwar wurde auch dort das Budgetdefi­zit nach oben korrigiert, es bleibt aber immer noch unter der Grenze von drei Prozent. Konkret werde die Defizitpro­gnose von 2,7 auf 2,9 Prozent korrigiert. Hauptgrund dafür sei die unsichere wirtschaft­liche Situation. Dass der Fiskalrat nun jedoch von einem Defizit von über drei Prozent ausgehe, sei für das Finanzmini­sterium „nicht nachvollzi­ehbar“. Denn damit revidiere der Fiskalrat seine eigene Prognose von Dezember um mehr als einen Prozentpun­kt. „Das ist eine signifikan­te Revision. Vor allem, weil alle anderen Institutio­nen – IWF, Wifo, IHS, Europäisch­e Kommission – weiterhin von einem Defizit von unter drei Prozent ausgehen“, heißt es. Die Prognosen liegen für 2024 dabei zwischen einem Minus von 2,2 (IHS) und 2,9 Prozent (Wifo). An letzterer Prognose orientiert sich auch das Finanzmini­sterium. Vom Fiskalrat wird dieser Unterschie­d mit einem „älteren Datenhinte­rgrund“bei den anderen Institutio­nen erklärt.

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