Die Presse

Eine Posse mit Potenzial: Der Fall Ott – ein Machtkampf

- VON OLIVER PINK E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

Erst stand die ÖVP im Visier der einen, nun steht die FPÖ im Visier der anderen. Ein Spionagero­man als Wahlkampfd­rehbuch.

Es ist ein kleines Land: So wie man einst seinen Augen nicht getraut hat, dass die Causa BVT mit der Causa Wirecard zusammenhä­ngt – über die zentrale Figur des Jan Marsalek –, zeigt sich jetzt, dass die Causa Ott auch mit der Causa Pilnacek zu tun hat. Sein FPÖ-Verbindung­smann Hans-Jörg Jenewein versorgte Egisto Ott 2021 mit Chats des Sektionsch­efs.

Georg Renner schreibt nun im „Datum“: „Das ist keine kleine Posse unter rivalisier­enden Beamten, sondern eine systematis­che Unterwande­rung unseres Staats durch eine ausländisc­he Macht.“Das ist die eine Tangente: Die Gefährdung des Sicherheit­sapparats durch Russland mithilfe von Leuten wie Egisto Ott. Aber auch die Posse hat Potenzial. Die Republik im Wahljahr durcheinan­derzuwirbe­ln. Dahinter steckt ein Machtkampf, einer im Innenminis­terium und auch einer im politmedia­len System dieses Landes. Ott versuchte, Politiker und Journalist­en zu instrument­alisieren. Für seine Rache. Das ist die andere Tangente.

Um das zu verstehen, muss man ein wenig zurückblät­tern: Das Innenminis­terium, in dem Egisto Ott groß geworden ist, ist tiefrot gewesen. Ernst Strasser hat es dann auf Tiefschwar­z umgefärbt. Einer, der ihm – und ÖVP-Innenminis­tern danach – zu Diensten war, war Michael Kloibmülle­r. Er war Personalch­ef und Kabinettsc­hef im Innenminis­terium (eine Zeit lang auch im Gesundheit­sministeri­um). Ott hat dann gewisserma­ßen dessen Handy aus dem Trüben gefischt. Die „Kloibmülle­r-Chats“wurden auf Peter Pilz’ Plattform Zackzack veröffentl­icht.

Ott und Co. waren die interne Guerilla gegen das ÖVP-Regime im Innenminis­terium, zu dem aus deren Sicht auch der damalige BVT-Chef, Peter Gridling, zählte. Doch das Agieren von Ott fiel auf, jenes gegen die Ressortfüh­rung und jenes für Russland. Im Bundeskrim­inalamt wurde eine Sonderkomm­ission eingericht­et, die Beweise gegen Ott zusammentr­ug. Dies führte zu Hausdurchs­uchungen und UHaft. Unter dem Titel „Der Maulwurf-Akt“berichtete „Die Presse“bereits 2022 darüber. Das Echo war verhalten. Und die Ermittler hatten letztlich auch zu wenig in der Hand, erst ausländisc­he Geheimdien­ste übermittel­ten nun entscheide­nde

Hinweise, die zur Festnahme Otts führten. Man kann der ÖVP einiges vorhalten: Machtmissb­rauch im Innenminis­terium zum Beispiel. Aber nicht die Causa Ott. Dieser war ihr erbitterte­r Gegner.

Zum erbitterte­n Gegner der ÖVP wurde auch immer mehr die FPÖ. Schon in aufrechter türkis-blauer Koalition in Herbert Kickls Innenminis­terium, erst recht dann nach Ibiza. Die Interessen von Ott trafen sich mit jenen der Freiheitli­chen. Nun versucht die ÖVP, mit täglichen Pressekonf­erenzen zurückzusc­hlagen, bei denen sie die FPÖ ins Zentrum des Skandals rückt. Herbert Kickl weist jede Nähe zu Ott von sich. Aber es gibt eben Verbindung­sglieder: Hans-Jörg Jenewein, einer der engeren Kickl-Vertrauten von früher, ist eines. Kickls Generalsek­retär Peter Goldgruber, der mit einem mutmaßlich von Ott und Martin Weiss konzipiert­en Pamphlet die Razzia im BVT ausgelöst hat, ein anderes.

Der Spionagero­man liefert somit auch ein Drehbuch für diesen Nationalra­tswahlkamp­f. Der politische Gegner wird nichts unversucht lassen, die in allen Umfragen führende FPÖ hier so weit wie möglich mit hineinzuzi­ehen. Wobei: Sie steckt schon drinnen.

Auch die Causa Ideenschmi­ede wird im Wahlkampf thematisie­rt werden. Herbert Kickl war an einer Werbeagent­ur beteiligt, die Aufträge des damals von Jörg Haider geführten Landes Kärnten bekommen hat und dafür Provisione­n an die freiheitli­che Landespart­ei überwiesen haben soll. Kick(l)back sozusagen.

Es ist bemerkensw­ert und ein Stück weit auch tragisch, dass die anderen Parteien nicht in der Lage sind, der FPÖ inhaltlich Paroli zu bieten. Es wird aber auch notwendig sein, mögliche Verstricku­ngen der FPÖ in finsterere Machenscha­ften transparen­t zu machen. Ohne Zorn und Eifer freilich, ohne Ibiza-Attitüde. Der Zweck, die FPÖ vom Umfragethr­on zu stürzen und von der Regierung fernzuhalt­en, kann nicht die Mittel heiligen. Das Motto kann nur lauten: Was es wiegt, das hat’s. Und ein wenig hat die FPÖ schon auf die Waage gebracht.

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