Eine Posse mit Potenzial: Der Fall Ott – ein Machtkampf
Erst stand die ÖVP im Visier der einen, nun steht die FPÖ im Visier der anderen. Ein Spionageroman als Wahlkampfdrehbuch.
Es ist ein kleines Land: So wie man einst seinen Augen nicht getraut hat, dass die Causa BVT mit der Causa Wirecard zusammenhängt – über die zentrale Figur des Jan Marsalek –, zeigt sich jetzt, dass die Causa Ott auch mit der Causa Pilnacek zu tun hat. Sein FPÖ-Verbindungsmann Hans-Jörg Jenewein versorgte Egisto Ott 2021 mit Chats des Sektionschefs.
Georg Renner schreibt nun im „Datum“: „Das ist keine kleine Posse unter rivalisierenden Beamten, sondern eine systematische Unterwanderung unseres Staats durch eine ausländische Macht.“Das ist die eine Tangente: Die Gefährdung des Sicherheitsapparats durch Russland mithilfe von Leuten wie Egisto Ott. Aber auch die Posse hat Potenzial. Die Republik im Wahljahr durcheinanderzuwirbeln. Dahinter steckt ein Machtkampf, einer im Innenministerium und auch einer im politmedialen System dieses Landes. Ott versuchte, Politiker und Journalisten zu instrumentalisieren. Für seine Rache. Das ist die andere Tangente.
Um das zu verstehen, muss man ein wenig zurückblättern: Das Innenministerium, in dem Egisto Ott groß geworden ist, ist tiefrot gewesen. Ernst Strasser hat es dann auf Tiefschwarz umgefärbt. Einer, der ihm – und ÖVP-Innenministern danach – zu Diensten war, war Michael Kloibmüller. Er war Personalchef und Kabinettschef im Innenministerium (eine Zeit lang auch im Gesundheitsministerium). Ott hat dann gewissermaßen dessen Handy aus dem Trüben gefischt. Die „Kloibmüller-Chats“wurden auf Peter Pilz’ Plattform Zackzack veröffentlicht.
Ott und Co. waren die interne Guerilla gegen das ÖVP-Regime im Innenministerium, zu dem aus deren Sicht auch der damalige BVT-Chef, Peter Gridling, zählte. Doch das Agieren von Ott fiel auf, jenes gegen die Ressortführung und jenes für Russland. Im Bundeskriminalamt wurde eine Sonderkommission eingerichtet, die Beweise gegen Ott zusammentrug. Dies führte zu Hausdurchsuchungen und UHaft. Unter dem Titel „Der Maulwurf-Akt“berichtete „Die Presse“bereits 2022 darüber. Das Echo war verhalten. Und die Ermittler hatten letztlich auch zu wenig in der Hand, erst ausländische Geheimdienste übermittelten nun entscheidende
Hinweise, die zur Festnahme Otts führten. Man kann der ÖVP einiges vorhalten: Machtmissbrauch im Innenministerium zum Beispiel. Aber nicht die Causa Ott. Dieser war ihr erbitterter Gegner.
Zum erbitterten Gegner der ÖVP wurde auch immer mehr die FPÖ. Schon in aufrechter türkis-blauer Koalition in Herbert Kickls Innenministerium, erst recht dann nach Ibiza. Die Interessen von Ott trafen sich mit jenen der Freiheitlichen. Nun versucht die ÖVP, mit täglichen Pressekonferenzen zurückzuschlagen, bei denen sie die FPÖ ins Zentrum des Skandals rückt. Herbert Kickl weist jede Nähe zu Ott von sich. Aber es gibt eben Verbindungsglieder: Hans-Jörg Jenewein, einer der engeren Kickl-Vertrauten von früher, ist eines. Kickls Generalsekretär Peter Goldgruber, der mit einem mutmaßlich von Ott und Martin Weiss konzipierten Pamphlet die Razzia im BVT ausgelöst hat, ein anderes.
Der Spionageroman liefert somit auch ein Drehbuch für diesen Nationalratswahlkampf. Der politische Gegner wird nichts unversucht lassen, die in allen Umfragen führende FPÖ hier so weit wie möglich mit hineinzuziehen. Wobei: Sie steckt schon drinnen.
Auch die Causa Ideenschmiede wird im Wahlkampf thematisiert werden. Herbert Kickl war an einer Werbeagentur beteiligt, die Aufträge des damals von Jörg Haider geführten Landes Kärnten bekommen hat und dafür Provisionen an die freiheitliche Landespartei überwiesen haben soll. Kick(l)back sozusagen.
Es ist bemerkenswert und ein Stück weit auch tragisch, dass die anderen Parteien nicht in der Lage sind, der FPÖ inhaltlich Paroli zu bieten. Es wird aber auch notwendig sein, mögliche Verstrickungen der FPÖ in finsterere Machenschaften transparent zu machen. Ohne Zorn und Eifer freilich, ohne Ibiza-Attitüde. Der Zweck, die FPÖ vom Umfragethron zu stürzen und von der Regierung fernzuhalten, kann nicht die Mittel heiligen. Das Motto kann nur lauten: Was es wiegt, das hat’s. Und ein wenig hat die FPÖ schon auf die Waage gebracht.